Auf Abriss folgt das neue TÜV-Dienstleistungszentrum
ROTHENBURG – „Der Döhler“ ist in Rothenburg ein Begriff: als Tankstelle und Autohaus mit angegliederter Werkstatt. Ein weiteres unternehmerisches Standbein des Familienbetriebes ist die Verpachtungs- und Besitzgesellschaft. Das erfolgreiche Vater-Sohn-Duo Heinz (68) und Ralf Döhler (35) investiert momentan einen höheren sechsstelligen Betrag in die Errichtung eines neuen TÜV-Dienstleistungszentrums auf dem alten Betriebsgelände. Auf dem Areal nahm die Geschichte des Unternehmens Döhler vor rund neunzig Jahren ihren Anfang.

Großbaustelle an der Döhler-Kreuzung: Die gute Verkehrslage und private Investoren lockten den TÜV nach Rothenburg. Fotos: sis
Mut und Glück gehören dazu, um erfolgreich zu sein. Es sind mehrere Ursachen zusammengekommen, dass Döhler und TÜV handelseinig wurden. Der Technische Überwachungsverein (TÜV) suchte einen neuen Standort in exponierter Lage mit hoher Verkehrsfrequenz. Seit Ende der 70er Jahre war er in Neusitz vor den Toren Rothenburgs ansässig. Die steigende Wettbewerbsintensität zwingt den gewinnorientierten Dienstleister zum Handeln. Er besitzt längst kein Monopol mehr auf die seit 1960 von Staats wegen angeordnete Prüfung der Kraftfahrzeuge auf Verkehrstauglichkeit. Dieses Alleinrecht hat er bereits 1989 verloren. Seitdem sieht sich der TÜV hier einem harten Wettbewerb ausgesetzt. Andere Anbieter wie Dekra, GTÜ oder KÜS mischen bei diesem Geschäft inzwischen kräftig mit. 2006 fiel in Deutschland nach über hundert Jahren das TÜV-Monopol für „überwachungsbedürftige Anlagen“ Damit war auch der Wettbewerb im Industrie-Prüfgeschäft eröffnet. Mittlerweile setzt der TÜV seinen bekannten Namen ein, um alle möglichen Produkte und Dienstleistungen zu prüfen. Daneben ist er auch in der Weiterbildung und im Bereich Finanzdienstleistung tätig. So prüft er nun unter anderem auch die Qualität der Anlageberatung von Banken. Ebenso fungieren TÜV-Angestellte als Gutachter am Bau und kontrollieren ganze Projekte von der Planung bis zur Fertigstellung oder bewerten bestehende Immobilien. Der TÜV ist in mehrere Gesellschaften aufgeteilt. Das neue Dienstleistungszentrum in Rothenburg betreibt der TÜV Süd. Er hat einen langfristigen Pachtvertrag mit Döhler abgeschlossen. Auf dem rund tausend Quadratmeter großen Firmengelände gegenüber der Großtankstelle an der Ansbacher Straße entsteht eine sechs Meter hohe zweigassige Prüfhalle samt Bremsenprüfständen und Lkw-Grube.

Planskizze: Aus einer höheren und einer niedrigen Halle besteht das neue TÜV-Dienstleistungszentrum an der Ansbacher Straße.
Außerdem gibt es einen vier Meter hohen Bürotrakt mit Fahrschulprüf-raum, denn die theoretischen Prüfungen finden längst nicht mehr in Räumen der Fahrschulen, sondern beim TÜV statt. Üblich ist ein von der praktischen Prüfung getrennter Termin. Die Zufahrt erfolgt über den Steinweg. Der vorgefundene Geländezuschnitt konnte durch einen Grundstückstausch mit der Nachbarschaft verbessert werden, sagt Unternehmer Ralf Döhler, ein ausgebildeter Automobilkaufmann. Beim Abriss des verfallenen Urgebäudes des Autohaus- und Tankstellenbetriebes wurde eine Kupferrolle mit alten Dokumenten aus dem Jahr 1935 entdeckt. Seinerzeit gehörte der Betrieb Adolf Rettinger. Bei den gefundenen Unterlagen handelt es sich um Abschriften des Gutachtens für den geplanten Wohnhaus- und Garagenbau durch den damaligen Architekten Leonhard Kerndter. Der damals zuständige Regierungsbaumeister Hannig, Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste, bewertete das Vorhaben „als gute Lösung“. Es trage „zu einer Steigerung des architektonischen Gesamteindruckes bei“. Es bleibe aber die Frage nach der Eingliederung in das gegebene Stadtbild. Der Bauplatz liege in einem Gebiet, „das unbestritten der dunkle Fleck in der Bauentwicklung Rothenburgs ist.“ Der Regierungsbaumeister weiter: „Die bauliche Hässlichkeit dieses Gebietes kann durch einen Bau geplanter Art nicht nachteilig berührt werden. Viel eher würde sich ein angenehmer Gegensatz ergeben.“ Durch behördliche Einwirkung auf die Bauherrschaft müsse „ein besseres Bauen als bisher erzwungen werden.“ An diese zukünftigen Bauten werde mit Recht die Forderung gestellt, „dass sie eine würdige Weiterführung der hochstehenden Baukultur Alt-Rothenburgs bilden.“ Zu der Zeit arbeitete Heinrich Döhler, der Großvater des heutigen Juniorchefs, als tüchtige Kraft im Betrieb. 1951 übernahm er die Nachfolge von seinem kinderlos gebliebenen Chef. Als neuer Betriebsmeister trieb er die Firmenentwicklung weiter voran und nutzte die Erweiterungsmöglichkeiten auf der anderen Straßenseite. Heinz und Ralf Döhler setzen die erfolgreiche Familientradition bis heute fort. Die Döhlers beschäftigen dreizehn Mitarbeiter. Die Ansiedlung eines Matratzengeschäfts und einer Imbisskette auf dem Firmengelände sorgen für Miet- und Pachteinnahmen. Jetzt kommt noch der TÜV als neuer Pächter hinzu. Das bisherige Areal der Kraftfahrzeug-Prüfstelle an der Alten Steige hat die Gemeinde Neusitz vor zwei Jahren erworben. Für die weitere Nutzung der Prüfhalle zahlte das Dienstleistungsunternehmen fortan Miete. Mehr als die Hälfte des 3900 Quadratmeter großen Grundstücks verkaufte die Gemeinde inzwischen an Autosattler Florian Erdmann. Der Spezialist für Kfz-Innenausstattungen hat bereits genehmigte Pläne für einen Neubau in der Schublade. Die Gemeinde will ihren Teil der Fläche gezielt als Entwicklungspotenzial nutzen. Es gebe mehrere Optionen, so Bürgermeister Rudolf Glas gestern auf Nachfrage, er könne aber noch nichts Konkretes dazu sagen.“ sis