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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Neue Geheimnisse gelüftet

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Außergewöhnliche archäologische Funde auf der Baustelle in der Burggasse

ROTHENBURG – Wenn Ar­chä­o­logen im Zusammenhang mit Bauarbeiten im Boden wertvollen Hinweisen auf die Vergangenheit nachgehen und fündig werden, ist die Begeisterung in der Fachwelt groß. Wie im Fall Burggasse, werden die Ausgrabungen aber auch kritisch beäugt und für Bauzeitverzögerungen und Mehrkosten verantwortlich gemacht.

Seit über zwei Jahren ist die Burggasse Baustelle wegen der Verlegung von Versorgungsleitungen in einem schwierigen und geschichtsträchtigen Untergrund. Fotos: Schäfer

Wie sehr die Meinungen geteilt sind, zeigte auch die jüngste Bauausschuss-Sitzung im Rathaus. Mitarbeiterin Gesa Wilhelm-Kazmann vom beauftragten Büro für Ausgrabungen und Dokumentationen, Heyse aus Schwarzach, war von der Stadt gebeten worden, einen Zwischenbericht über die Erkenntnisse zu geben. Sie sprach von „außergewöhnlich aufregenden Funden“. Das Team stieß schichtweise auf Siedlungsgeschichte, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht – und damit auf Zeitzeugnisse, die schon vor dem Bau der Stadtmauer und der Häuser vorhanden waren.
Der Bereich der Burggasse ist ein geschichtsträchtiger Ort. Sie war einst eine zweispurig befahrene Straße. Mit dem Bau des Franziskanerklosters und seiner Nebengebäude im 13. Jahrhundert verengte sich die Straße zu einem tunnelartigen Durchgang.  Auf der südlichen Seite wurde das Kloster auf die Stadtmauer draufgebaut.
„Wir wussten, dass wir im Stadtmauerbereich eine vollständig erhaltene Straße entdecken, die vom 13. Jahrhundert datiert“, sagte die Archäo­login. „Aber es ist das erste Mal, dass wir in Rothenburg so ein Straßenpflaster über eine Länge von mehr als dreißig Metern vorfinden.“ Was aber niemand ahnte: Unter dem vorgefundenen Straßenpflaster aus „kleinformatigen Steinpackungen“, wurde ein weiterer Straßenhorizont entdeckt, der sich nicht an der bestehenden Burggasse orientierte, sondern schräg unter den bestehenden Häusern verschwindet und demnach vor dem Bau dieser Häuser bestanden haben muss.

Reste eines Gefäßbodens mit Markierung.

Diese Entdeckung löste Begeisterung bei den Fachleuten aus, denn daraus können neue geschichtliche Erkenntnisse zur Infrastruktur gewonnen werden. Die Archäologen stießen auch auf tiefe Brunnen und zahlreiche Versorgungs- und Entwässerungsschächte, die sorgfältig aus Kalkstein ausgemauert sind, und Teil der Stadtentwässerung gewesen sein dürften. Vorgefunden wurden auch kleine Entwässerungsrinnen, die eher dem privaten Bereich zugeordnet werden und vielleicht der Entwässerung des Ziegenstalls dienten.

Es wurden auch Fragmente eines Kinderspielzeugs, ein sogenanntes Kruselerpüppchen, gefunden, dessen Hauptproduktionsort seinerzeit Nürn­berg war. Nicht weniger interessant sind Fundstücke, die aus der Werkstatt eines Paternostermachers stammen. Aus Mittelhand- und Mittelfußknochen vom Rind mit Reihen runder Löcher drechselte er fachmännisch kugelförmige Perlen für Rosenkränze. Es gab eine lokale Produktion in Rothenburg. In einem Grabungsfeld fanden sich auch Überreste eines Gefäßbodens mit Bodenmarkierung, Wandscherben und Fliesen aus dem 12. und 13. Jahrhundert als einzigartige Zeugnisse Rothenburger Geschichte.
Die Archäologen sind es schon fast gewohnt, als Schuldige für Bauzeitverzögerungen und als Kostentreiber gesehen zu werden. Auch in der Sitzung des Bauausschusses galt die Aufmerksamkeit weniger den interessanten Siedlungsspuren frühester Epochen, sondern eher ungeduldigen Fragen, wie lange sich die baubegleitenden Grabungen und die Arbeiten auf der Baustelle noch hinziehen. Das Bauamt wurde angewiesen, stärker Druck auszuüben, dass die Maßnahme schneller vorangeht. Beim Verlegen neuer Kanalstränge und Gasleitung hat sich der harte Gesteinsuntergrund als größeres Hemmnis dargestellt.
Der Schutz der Bodendenkmäler ist keine Sache des Wohlwollens. Die Stadt als Untere Denkmalschutzbehörde hat eine gesetzliche Pflicht. Stadtrat Dr. Schneider sprach von „kärglichen Funden“. Die Kosten für die archäologischen Grabungen sind mit 240000 Euro veranschlagt und von Stadt und Freistaat zu tragen. Die Anwohner werden nicht weiter zur  Kasse gebeten mit dem Ende der Straßenausbaubeiträge. sis

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