ROTHENBURG – Der Weihnachtsmarkt ist ein besonderer Ort mit eigenen Regeln und Gesetzen. Enge wird hier nicht als beklemmend, sondern als gemütlich empfunden. Man lässt sich Zeit fürs Schlendern, wärmt sich die Hände an einer dampfenden Glühweintasse und genießt die besondere Atmosphäre mit Lichterglanz – und so altmodische Dinge wie Tradition und Gemeinschaft.

Alle Jahre wieder übt der Weihnachtsmarkt eine Faszination aus und ist eine wichtige Einnahmequelle für Stadt und Händler. Fotos: sis
Es gibt kaum noch eine Stadt ohne Weihnachtsmarkt. Selbst in kleinen Ortschaften gibt es inzwischen Budendörfer: besonders heimelig und beschaulich. In der Schlossstadt Schillingsfürst mit ihrem barocken Adelssitz ist der „Fürstliche Weihnachtsmarkt“ mit feierlicher Eröffnung durch das Christkind innerhalb von drei Jahren zu einer Marke für die Kommune geworden und prägt das Image.
Der Rothenburger Reiterlesmarkt profitiert von seiner jahrhundertelangen Tradition und von seiner internationalen Bekanntheit. Im Vergleich zu den Vorjahren kamen am ersten Adventswochenende deutlich weniger Menschen. Langjährige Besucher registrierten schon zum Auftakt des Marktes weniger Besucher. Ob das schlechte Wetter die Menschen davon abhielt, auf den Reiterlesmarkt zu gehen oder andere Gründe eine Rolle spielte, lässt sich nicht sagen.
Zur feierlichen Eröffnungszeremonie stimmte der Posaunenchor von St. Jakob unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr auf die Adventszeit ein. Den Abschluss gestaltete das Stadt- und Jugendblasorchester mit seinem Leiter Jan-Peter Scheurer. Zur besonderen Stimmung trug auch das Läuten der Glocken von St. Jakob bei. Selbst Weihnachtsmuffel können sich der besonderen Eindrücke nicht entziehen.
Das kirchliche Grußwort sprach zum ersten Mal Pfarrerin Claudie Schlottke. Sie beklagte die häufige Verwendung von „Merry Christmas“ in Schaufenstern, auf Weihnachtskarten und Geschenkpapier. Die Botschaft auf Deutsch „Frohe Weihnachten“ wäre ihr lieber. Als Christin liege ihre Betonung auf „Weihnachten als Fest des Christus, als Fest der Liebe, das mit der Familie gefeiert wird, und im besten Fall als Fest der Spenden und der humanitären Aktionen“. Ihre Rede schloss sie mit dem Wunsch nach einem friedlichen und schönen Advent: „Gottes Segen behüte und begleite uns“.
Die Hoffnung auf Frieden drückte auch Oberbürgermeister Walter Hartl aus. In christlichen Bräuchen und Traditionen leben Werte und Ideale. Die blutigen Terroranschläge, wie zuletzt auf unschuldige Zivilisten in Paris, zeigen, wie fragil der Frieden ist. Der Delegation aus der französischen Partnerstadt Athis-Mons, einem Vorort von Paris, drückte er sein Mitgefühl und seine Anteilnahme zu den schrecklichen Ereignissen in der Hauptstadt aus. Die neue Bürgermeisterin Christine Rodier stattete Rothenburg am ersten Advents-Wochenende ihren offiziellen Antrittsbesuch ab – begleitet von ihren Stellvertretern Antoine Guiseppone, Julienne Geoffroy und Kevin Rainha.
An die Besucher richtete das Stadtoberhaupt die Bitte, sich bei einer Internet-Abstimmung zum schönsten Weihnachtsmarkt Europas zu beteiligen. Solche Umfragen gibt es inzwischen zuhauf und über jede Suchmaschine leicht zu finden. Rothenburg schneidet dabei in der Regel gut ab und vermarktet diese Ergebnisse entsprechend. Auch wenn sie nicht immer repräsentativ sind.
Polizei als Freund und Helfer
Das Stadtoberhaupt bedankte sich bei allen, die zum stimmungsvollen Reiterlesmarkt beitragen. Der Auftritt des Reiterle im Lichterglanz durch die Menschengasse auf dem Marktplatz ist immer wieder ein Ereignis. – begleitet von Blitzgewitter der Fotoapparate und Handys. Vor dem Rathaus stieg es vom Pferd und hielt seinen Prolog – eingerahmt von der Stadtspitze. Dann ritt es wieder weiter und verschwand in der Dunkelheit.
Auch die Polizei, die bewusst Präsenz zeigte, freute sich über die ruhige und entspannte Atmosphäre. Zwei Vermisstenfälle lösten sich in Wohlgefallen auf. Eine 85-jährige Augsburgerin hatte sich in den verwinkelten Gassen verlaufen. Eine japanische Touristin verlor ihre Reisegruppe und machte sich – wie sich später herausstellte – eigenständig per Bahn auf den Weg ins Hotel nach Frankfurt.
Eine weitere liebgewonnene Tradition auf dem Reiterlesmarkt sind die Adventsfenster am Rathaus. Ebenso der Lichterzug der Grundschüler auf dem Reiterlesmarkt mit ihren selbstgebastelten Laternen am morgigen Mittwoch um 16.30 Uhr, bei dem erneut das Reiterle erscheint. sis