Job und Karriere: Wahl-Rothenburger hat Aufstiegsmöglicheiten genutzt
ROTHENBURG – Beruflich ist der gebürtige Niederrheiner Jens Bünte (48) recht umtriebig. Der gelernte Werkzeugmacher hat in renommierten Unternehmen Karriere gemacht. Zunächst beim Autobauer Ford, dann beim Baumaschinenhersteller Terex und schließlich beim französischen Schienenfahrzeug-Konzern Alstom, der ihn jetzt für ein Großprojekt in Südafrika einsetzt. Seit fünf Jahren lebt der Vielreisende mit der Familie in Rothenburg: „Wir fühlen uns hier sehr wohl.“

Für Zughersteller unterwegs: Jens Bünte.
Das Unterwegssein gehörte schon zu seiner Kindheit. Der Vater arbeitete im Fernwärmebau und war deshalb häufig auf Achse. In der Freizeit wurde viel gesegelt. Mit sechzehn Jahren lernte Jens Bünte im Saarland an der Schule seine spätere Frau kennen. Seitdem gehen sie gemeinsam durch dick und dünn. Nach dem ursprünglichen Berufswunsch wollte er Zahntechniker werden und im Laborbetrieb seines Onkels in Düsseldorf einsteigen.
Stattdessen begann der junge Mann eine dreijährige Lehre als Werkzeugmacher im Ford-Werk in Saarlouis. Er entwickelte sich zur Fachkraft weiter und übernahm Leitungs- und Führungsaufgaben in Berlin. Damals kam er zum ersten Mal mit Rothenburg in Kontakt, denn die Firma Ebalta war der Zulieferer für das Modellbauharz. Einem Vorgesetzten imponierte die Tüchtigkeit des Mitarbeiters. Er ermunterte Jens Bünte zur Weiterbildung zum Techniker. „Das war eine harte Zeit“, erinnert er sich. Zweimal die Woche abends und an jedem Samstag drückte er zusätzlich zu seinen beruflichen Anforderungen die Schulbank.
Zunächst in Igersheim gewohnt
Als Ford seine internen Komponentenwerke in einer neuen Firma mit Namen Visteon konsolidierte, wechselte Jens Bünte in die von Ford ursprünglich kontrollierte Gesellschaft und zog von Berlin nach Frankreich. Die nächsten Stationen war Kerpen bei Köln und Novy Jicin in Tschechien. Dazwischen wurden seine beiden Söhne geboren. Ein Angebot in die Ukraine schlug er aus.
2007 warb ihn der Baumaschinenhersteller Terex ab. Während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer wurden Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung des Standortes Crailsheim (Radlader) investiert. Mit der Familie bezog er ein Haus in der Nähe von Bad Mergentheim, weil er damals in Rothenburg nichts Passendes fand. Jens Bünte war seinerzeit auch für das Zweigwerk (ehemals Schaeff mit Ersatzteilservice, Kundendienst, Minibagger) in Rothenburg zuständig, ebenso für Langenburg (Tunnelbagger und Zylinder) Gerabronn (Hydraulikkomponenten) und das Komponentenwerk Clausnitz.

Lokführer Reinhold Paulus im Regionalzug zwischen Rothenburg und Steinach. Fotos: Schäfer
Das einstige Schaeff-Unternehmen in Langenburg war trotz Expansion zu klein für den globalen Markt. 2001 wurde aus Schaeff dann Terex. Im Jahr 2010 fiel die Entscheidung, den Hauptsitz nach Crailsheim zu verlegen und die Produktionsgruppen Mini-, Midi- und Mobilbagger aus Rothenburg zu integrieren. Das Betriebsgelände am einstigen Stammsitz Langenburg wurde 2012 an die Farmbau GmbH verkauft.
Jens Bünte verließ Terex 2011, das kürzlich die Bagger-Sparte in Crailsheim und das Ersatzteillogistikzentrum in Rothenburg an die japanische Yanmar Holding veräußerte, um beim französischen Schienenfahrzeug-Hersteller Alstom eine neue berufliche Herausforderung anzunehmen.
In Deutschland beschäftigt Alstom rund 3000 Personen an verschiedenen Standorten (Salzgitter, Braunschweig, Stendal, Berlin). Neben dem größten Werk des Schienenfahrzeugherstellers in Salzgitter betreibt er seit 2010 auch im ehemaligen Ausbesserungswerk Braunschweig die Wartung von Zügen. Daneben gibt es den Alstom Lokomotiven Service im ehemaligen Ausbesserungswerk Stendal. Dort werden unter anderem Diesellokomotiven modernisiert und gewartet sowie eine neue Hybridlokomotive gebaut. In Würzburg und Nürnberg wird die umweltfreundliche Rangierlokflotte mit Hybridtechnologie acht Jahre lang auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Das vom Freistaat geförderte Projekt soll auch Aufschluss geben hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, Schadstoffemissionen und Instandhaltungsaufwand. Auch der Bahnsektor ist einem immer stärkeren Wettbewerb ausgesetzt und braucht qualifiziertes, flexibles Personal.
Neue Regionalzüge für Augsburg
Der Familienvater stellte 2010 im Berufs- und Privatleben neue Weichen. In einem Rothenburger Neubaugebiet fand er einen geeigneten Bauplatz für sein „Traumhaus“. Seine beiden Söhne, heute 13 und 15 Jahre alt, besuchen das Gymnasium beziehungsweise die Realschule. Ehefrau Nicole kümmert sich um Haushalt, Garten und Hund. Auch seine Eltern, die inzwischen aus Wesel zugezogen sind, haben sich in Rothenburg angesiedelt. Während der Arbeitswoche wohnte Jens Bünte im niedersächsischen Wolfenbüttel, das fünfzehn Kilometer vom Werk in Salzgitter entfernt liegt. Privat engagiert er sich im Rotary Club Rothenburg.
Seit fünf Jahren ist Jens Bünte bei einem der größten Anbieter von Bahntechnik beschäftigt, der auch Wartung, Instandhaltung und Modernisierung aller Schienenfahrzeugtypen und deren Komponenten für Baureihen aller Bauherren sowie für Transport-Informationssysteme fachmännisch ausführt. Mit seinen schlüsselfertigen Lösungen für Schienenfahrzeuge für den Nahverkehr, Straßen- und Stadtbahnen, S- Bahnen und Regionalzüge, die von Schleswig-Holstein bis Bayern verkehren, ist der Konzern gut im Geschäft. Auch die Züge, die zwischen Rothenburg und Steinach pendeln, kennt Jens Bünte in- und auswendig: „Die kommen alle aus unserem Werk.“ Lokführer Reinhold Paulus aus Marktbergel ließ beim Halt im Rothenburger Bahnhof einen Blick in die sonst geschlossene Fahrerkabine mit dem Schaltpult werfen.

Rollt der Zug erst mal, gibt es kein Halten: Schienenfahrzeuge mit unterschiedlichen Anpassungen des französischen Alstom-Konzerns.
Die Alstom-Schienenfahrzeuge, die in Salzgitter gebaut werden, können zwischen 225 und 485 Fahrgäste befördern und fahren mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 140 Stundenkilometer. Im März bekam der Konzern einen Auftrag im Wert von über 115 Millionen Euro über die Lieferung von 28 Coradia Lint Regionalzügen für Augsburg.
Milliardenauftrag aus Südafrika
Es folgte noch eine größere Dimension. Jens Bünte, der zuletzt als Personalleiter eine verantwortungsvolle Position innehatte, soll Management-Aufgaben in Südafrika übernehmen. Alstom wickelt den größten Auftrag in seiner Unternehmensgeschichte ab. Es geht um die Lieferung von 600 Nahverkehrszügen mit 3600 Wagen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Der Deal zwischen Alstom und Prasa, ein führendes Bahnunternehmen in der afrikanischen Industrienation, lief über die Firma Gibela, ein südafrikanisches Konsortium der Alstom.
Zum Vertragsumfang gehört zudem der Bau einer lokalen Produktionsstätte in Dunnotar, fünfzig Kilometer östlich von Johannesburg. Der Gesamtwert des Auftrags beträgt vier Milliarden Euro. Die ersten zwanzig Züge werden im brasilianischen Werk in Lappa gebaut und dann nach Afrika verschifft. Die weiteren 580 S-Bahnen werden in der 600000 Quadratmeter großen Fertigungsstätte in Südafrika produziert, die auch ein Ingenieurszentrum und eine Ausbildungsstätte umfassen wird. Dort entstehen laut Alstom 1500 neue Stellen, indirekt sollen 33000 weitere Jobs dazukommen.
Viele Pendler
Grund für die Belebung der afrikanischen Zugindustrie ist die ständig wachsende Zahl an Pendlern, welche täglich aus den Vororten in die größeren Städte und zurückfahren. Betroffen sind vor allem die größten Städte des Landes: Pretoria, Johannesburg, Kapstadt, Durban. In diesen Regionen sollen in den nächsten zwanzig Jahren rund 1200 neue Züge zum Einsatz kommen. Sie dienen hauptsächlich dem regionalen Nahverkehr. Es handelt sich mehrheitlich um Vorortszüge, deren Distanzen sind allerdings größer als hierzulande.
Jens Bünte pendelt für die nächsten sechs Monate nach Südafrika, bevor er sich auf weitere Pläne festlegt. Frau und Kinder besuchen ihn natürlich in den Sommerferien auf dem Schwarzen Kontinent. Ansonsten nutzt die Familie die sozialen Netzwerke des Internet, um auch über weite Entfernungen intensiv miteinander verbunden zu sein. sis