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Der Kampf der Konfessionen

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Sonderausstellung zu Medien der Reformation wurde im Reichsstadtmuseum eröffnet

ROTHENBURG – Von den schier unbegrenzten Möglichkeiten eines weltweiten virtuellen Netzwerkes konnte man früher nicht einmal träumen – in der neuesten Rothenburger Ausstellung zur Reformation geht es um eine Medien-Revolution, die im Mittelalter stattfand und bei der die Druckkunst die entscheidende Rolle spielt. Um die Medien der Reformationszeit (Kampf der Konfessionen) geht es in der aktuellen Ausstellung im Reichsstadtmuseum.

Viel Interesse bei der offiziellen Eröffnung im Refektorium des Reichsstadtmuseums. Fotos: diba

Viel Interesse bei der offiziellen Eröffnung im Refektorium des Reichsstadtmuseums. Fotos: diba

Wie Museumsleiter Dr. Hellmuth Möhring erfreut feststellen kann, besitzt Rothenburg eine stattliche Sammlung historischer Flugschriften aus der Luther-Zeit. Auf der gut besuchten Ausstellungseröffnung mit geladenen Gästen am Samstagabend spannte er den Bogen von der Gegenwart in die Vergangenheit. Es sei schon möglich, sich die Kommunikationstechnik als Chip unter die Haut pflanzen zu lassen. Ohne E-Mail-Adresse fühle man sich abgekoppelt „wie ein pleistozänisches Digitalfossil”. Und von Teenagern höre man skurille Fragen wie die, wie man denn vor hundert Jahren ohne Computer und Handy ins Internet gekommen sei.

Dagegen kannte man in der vorreformatorischen Zeit das geschriebene und später das gedruckte Wort. Jede Nachricht sei mühselig durch Boten überbracht worden. Die reichen Handelshäuser der Medici oder Fugger bauten um 1600 das erste Postnetz auf. Wie Dr. Möhring betonte, seien auch Reisende, Mönche und fahrendes Volk als Informationsüberbringer wichtig gewesen. Märchen und Sagen seien nur durch Weitererzählen übermittelt worden.

Die Drucktechnik war revolutionär, Bücher und Schriften seien den Druckern aus den Händen gerissen worden. Die Reformation sei begünstigt worden durch die angestrebte Reichsreform unter Maximilian I. und der humanistischen Bewegung, die verzögert in Deutschland ankam. Und dann entstand der Buchdruck, der das entsprechende geistige Klima beflügelte. Immerhin hätte Ende des 15. Jahrhunderts schon fast ein Drittel der Nürnberger Bevölkerung lesen können.

Wertvolle Bücher aus den Beständen der Stadt Rothenburg sind in Vitrinen zu bestaunen.

Wertvolle Bücher aus den Beständen der Stadt Rothenburg sind in Vitrinen zu bestaunen.

Als „letzten Punkt der reformatorischen Brandbeschleunigung“ bezeichnete Möhring die Krise der Kirche und den damit verbundenen Machtverlust. Am Ende führte alles in die Katastrophe des Bauernkrieges. Zwischen 1501 und 1530 seien rund zehntausend unterschiedliche religiöse und politische Flugschriften erschienen, Wittenberg sei das Zentrum des Buchdrucks gewesen. Luthers Schriften wurden in hunderten Editionen herausgebracht und verkauft.

Harte Bandagen

Das man im Streit zwischen Reformatoren und Papst-Vertretern nicht zimperlich war machte Dr. Möhring daran deutlich, dass Luther seinen katholischen Gegner Dr. Eck als „die Sau von Ingolstadt“ oder unter Namensverkürzung als „Dreck“ übel beschimpfte. Erst in den 1520er Jahren sei die Medienproduktion abgeflaut und mehr als dreißig Jahre später erst habe sich Rothenburg zur neuen Konfession bekannt. Danach seien viele Städte aufgeblüht. Als „eine Mär“ bezeichnete es Dr. Möhring zu behaupten, dass Rothenburg nach Toppler nichts Bedeutendes mehr geschaffen hätte: „Wenn man die architektonischen Besonderheiten Rothenburgs aufzählt, müsste sie eigentlich die Perle der Renaissance heißen!”

Stadträtin Jutta Striffler dankte in ihrem Grußwort als offizielle Vertreterin der Stadt allen Beteiligten für die gelungene Ausstellung, die in idealer Weise die Sonder-Ausstellung des Mittelalterlichen Kriminalmuseums über Luther und die Hexen ergänzt. Sie verwies besonders auf die originalen Flugschriften, die erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden. Beide Ausstellungen seien Vorreiter zum kommenden Lutherjahr und in den Medien präsent.

Beide Schauen seien auf hohem Niveau und „hervorragend geeignet alle Besucher in Teilbereiche der Reformation eintauchen zu lassen und sich auf eine spannende Reise zu begeben”. Die Ausstellung sei sehr anschaulich im Refektorium des Reichsstadtmuseums angelegt, so dass man sie sich auch ohne Führung aneignen könne.

Oswin Voit und Ruth Baum sorgten wie häufig bei solchen Gelegenheiten wieder für die passende musikalische Einstimmung in die Zeit vergangener Jahrhunderte. Die Klänge aus der Reformation vermittelten so auch einen beeindruckenden akustischen Zugang zum Thema. Vorrangig durch die vielen Schautafeln, aber auch anhand von Vitrinen mit wertvollen jahrhundertealten Druckschriften sowie den Flugschriften, die vor allem die Decke des Raumes zieren, kann sich der Besucher einen guten Überblick zum Thema verschaffen. Noch bis weit ins Luther-Jahr, dem 30. September 2017, bleibt die Sonderausstellung zu den üblichen Museumszeiten geöffnet. diba


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