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Leben mit all seinen Facetten

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Jüdische Woche bot filmischen, kulinarischen und tänzerischen Kulturgenuss

ROTHENBURG – Mit mehr als 350 Besuchern in acht Veranstaltungen war die diesjährige Jüdische Kulturwoche so gut besucht wie nie zuvor. Dies liegt wohl an dem Konzept, auf ein vielfältiges und buntes Programm zu setzen, das unterschiedlichen Interessen entgegenkommt.

Jüdische Woche: Gedenken und Eintauchen in heutiges jüdisches Leben. Foto: Scheuenstuhl

Jüdische Woche: Gedenken und Eintauchen in heutiges jüdisches Leben. Foto: Scheuenstuhl

Gleich zu Beginn der Woche entführte die Band Mesinke die Zuhörer im städtischen Musiksaal mit Klezmerklängen in die Welt des jiddischsprachigen osteuropäischen Judentums. Im Forum Rothenburg zeigte die Realschul-Filmgruppe unter der Leitung von Thilo Pohle den erschütternden Film „Wenn lang die Bilder schon verblassen…“. In dem Film wurden Zeitzeugenberichte den propagandistischen Filmaufnahmen des Hitlerregimes gegenübergstellt. Auch einige Rothenburger Juden wie Samson Wurzinger, Sigmund und Bella Lissberger, Rosa Hamburger und Jonas Gottlob waren in das KZ Theresienstadt verschleppt worden, und hatten es nicht überlebt.

Ein weiterer Film im Rothenburger Kino wandte sich auf satirische Weise den Problemen von Staat und Gesellschaft im heutigen Israel zu. Hintergrund des Films „Atomic Falafel“ ist das offene, aber staatlicherseits niemals zugegebene Geheimnis, dass Israel Atombomben besitzt. In der bissigen Komödie ging es um Verwicklungen, die es geben kann, wenn ein deutscher Atomwaffeninspekteur nach Israel kommt und sich in eine Falafel-Verkäuferin verliebt.

Der Leichtigkeit des jüdischen Lebens am Mittelmeer waren die Tänze aus Israel gewidmet. Die Tänze leiteten die Rothenburger Tanzlehrerinnen Steffi Mönikheim und Marion Vetter an. Mit der israelischen Musik, die so viel Lebensfreude vermittelt, wurde das Tanzen zu einem besonderen Erlebnis. Getanzt wurden unter anderem Kreistänze.

Ulrich Knörr spielte in der St.Jakobs-Kirche Werke der selten gehörten synagogalen Orgelmusik, darunter aus den „Zwölf Präludien für Orgel zum gottesdienstlichen Gebrauch nach alten Synagogen-Intonationen“ von Moritz Deutsch. Jüdische Orgelwerke wurden vor dem Holocaust in vielen liberalen Synagogen gespielt; teilweise gab es über den Einbau einer Orgel heftigen Streit. Doch Kantoren wie Louis Lewandowski wünschten sich, dass die Orgel den Gemeindegesang im Synagogengottesdienst unterstützte.

Mit jüdischen Märchen aus Geschichte und Gegenwart entführten Juliane Dehner und Oliver Gußmann in die jüdische Märchenwelt. Dies ist eine Welt voller Charme und Witz, voller Hintersinn und Tiefgründigkeit. Die große Erzählung, die „Haggada“, berichtet vom Auszug aus Ägypten. Anders als europäische Märchen sind jüdische Geschichten weniger grausam und weniger dramatisch.

Land, Leute und Kultur

Sie beschreiben tägliche Begebenheiten und sagen dadurch viel über Land, Leute und die jüdische Kultur aus. Behutsam führen sie dabei dem Zuhörer die wirklich wichtigen Dinge des Lebens vor Augen. Mit einer starken Bühnenpräsenz erreichte Juliane Dehner auch die Zuhörer in den letzten Reihen des Burgtor Theaters mit Märchen wie „Zwei Wäscherinnen am Pessachabend“ oder „Der Bäckerlehrling“.

Sagy Cohen ist Hobbykoch und der Liebe wegen von Israel nach Deutschland eingewandert. Durch ein breit gefächertes Bildungsprogramm informiert er Menschen über die Lebensverhältnisse in Israel. Teil des Programms ist eine Einführung in die jüdische Kochkultur. Die jüdische Küche hat neben dem Verbot, Schweinefleisch zu essen oder Milchiges und Fleischiges zusammen zu genießen, zahlreiche Kochregeln hervorgebracht, die besondere Mahlzeiten und Essen im Festjahr kreiert haben. Daneben gibt es die unterschiedlichen Einflüsse der Länder, in denen Juden leben. Die Kochgruppe durfte sich in der Werkküche der Berufsschule entfalten und anschließend die Gerichte bei einem Festmahl genießen.

Auf Einladung des Evangelischen Bildungswerks und des Vereins Alt-Rothenburg sprach die Heidelberger Architekturforscherin Stefanie Fuchs über ihr Dissertationsthema „Jüdische Ritualbäder“. In einem reich bebilderten Vortrag zeigte sie die rechtlichen Voraussetzungen und Bauformen von Mikwen auf.

Die Mindestmenge des Wassers beträgt 292 bis 520 Liter. Bei der rituellen Reinigung betritt man das Bad in körperlich reinem Zustand, legt die Kleider ab und taucht unter Segenssprüchen ein bis drei Mal unter, wobei das Wasser jede Stelle des Körpers umfließen muss. Auch heute wird die Mikwe von Juden wieder entdeckt, besonders bei Lebensumbrüchen oder nach Krisen.

Bis zum 14. Jahrhundert baute man 10 bis 25 Meter tiefe monumentale Schachtmikwen in der Nähe von Synagogen. Später baute man, wie in Rothenburg, schmucklose kleine Kellermikwen in Privathäusern. Dem Vortrag schloss sich eine Besichtigung der Mikwe in der Judengasse an. gus


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