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Wurzel der Gemeinschaft

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Oberbürgermeister Walter Hartl ruft zu respektvollem Miteinander auf

ROTHENBURG – Das Jahr 2016 hat sich vor allem mit Bildern von Gewalt, Leid und Angst ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Doch nicht die einzelnen Schreckensmeldungen der letzten zwölf Monate, sondern die mindestens ebenso destruktive Verrohung des Umgangs miteinander im ganz alltäglichen Leben machte Oberbürgermeister Walter Hartl zum Thema seiner traditionellen Silvesteransprache auf dem Marktplatz.

Zahlreiche Bürger und Gäste fanden sich auf dem Marktplatz ein, um der Silvesteransprache zu lauschen. Fotos: Scheuenstuhl

Zahlreiche Bürger und Gäste fanden sich auf dem Marktplatz ein, um der Silvesteransprache zu lauschen. Fotos: Scheuenstuhl

Der Brexit, die US-Wahl, die Entwicklung in der Türkei und die schockierenden Anschläge wie etwa in Berlin erwähnte das Rothenburger Stadtoberhaupt lediglich am Rande. Vielmehr lag ihm am Herzen, die Bürger und Gäste, die nur wenige Stunden vor dem Jahreswechsel auf dem Marktplatz zusammengekommen sind, für eine gesellschaftliche Fehlentwicklung zu sensibilisieren und sie zum Gegensteuern aufzurufen.

Wichtige Grundpfeiler

So unterstrich Walter Hartl in seiner Rede, dass der „nötige gegenseitige Respekt und die Achtung voreinander“ „wichtige Grundpfeiler für das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben“ seien. Seit längerem sei allerdings zu beobachten, dass diese Werte immer weniger beachtet werden. Zwar hörte man vor nicht allzu langer Zeit noch die Weih-nachtsbotschaft und besann sich auf die christlichen Werte, doch „leider scheinen diese Werte bei vielen das Jahr über in Vergessenheit zu geraten“, findet das Stadtoberhaupt.

Vor allem die sogenannten sozialen Medien sieht er als Plattform für die Verrohung der Sitten. Dort werde „ungeniert beleidigt, werden Menschen mit Hasstiraden überzogen und wird ohne Hemmung Volksverhetzung betrieben“. Der Versuch gewählte Volksvertreter und politisch Engagierte einzuschüchtern, habe Formen angenommen, die „absolut inakzeptabel“ seien. Hier führte Walter Hartl das Beispiel der „Hassattacken“ gegen Erzbischof Ludwig Schick an.

Beste Wünsche für das neue Jahr: Oberbürgermeister Walter Hartl umringt von einigen Stadträten.

Beste Wünsche für das neue Jahr: Oberbürgermeister Walter Hartl umringt von einigen Stadträten.

Dieses negative Phänomen gebe es aber nicht nur in Deutschland. So stelle etwa der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten einen „absoluten Tiefpunkt“ dar und könne „allenfalls als unwürdig bezeichnet werden“. Walter Hartl hielt mit seiner Überraschung über das Wahlergebnis nicht hinter dem Berg: „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Mensch zum Präsidenten der Weltmacht Nummer eins gewählt werden kann, dessen Wahlkampf vor allem darin bestand, andere zu beleidigen, herabzuwürdigen und der durch sexistische Sprüche von sich reden macht.“

Auf europäischer Ebene

Bei unseren europäischen Nachbarn hat sich aber ebenso ein Sittenverfall im demokratischen Prozess breit gemacht. Denn auch dort war das Rennen um das höchste Amt in der Alpenrepublik von „Hauen und Stechen und weniger von Argumenten geprägt“, kommentierte Walter Hartl. Zusammengefasst gesagt: „Wer keine Argumente hat, wählt immer häufiger den Weg, Andersdenkende durch Häme, persönliche Angriffe oder hemmungslose Unhöflichkeit bloßzustellen und einzuschüchtern“.

Hoffnung habe im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf das Video einer 89-jährigen Holocaust-Überlebenden gemacht, die folgendermaßen die Äußerungen Norbert Hofers, Kandidat für die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), kritisierte und gleichzeitig dabei andeutete, wohin der Weg der anhaltenden Respektlosigkeit führen kann: „Die Beleidigung anderer, anderen gegenüber, das Runtermachen, das Schlechtmachen, das stört mich am allermeisten. Keine Achtung vor den anderen, das Niedrigste aus dem Volk, aus den Leuten herausholen. Nicht das Anständige, sondern das Niedrigste, und das war schon einmal der Fall.“

Rote Karte zeigen

Wie der Baum kräftige Wurzeln für seine Standsicherheit brauche, so benötige auch eine Gesellschaft gegenseitigen Respekt als Wurzel, sonst gerate das gemeinschaftliche Zusammenleben in Gefahr, versinnbildlichte Walter Hartl, was auf dem Spiel steht. Er bat deshalb eindringlich die Anwesenden auf dem Marktplatz: „Zeigen wir allen die rote Karte, die versuchen, die Axt an diese Wurzel zu legen“, damit sich die beschriebene Entwicklung im kommenden Jahr nicht fortsetze und verstärke.

Was die Situation in Rothenburg betrifft, so zeigte sich Walter Hartl dankbar dafür, dass sich hier nach wie vor „viele Menschen für andere einsetzen, wie beispielsweise die 2016 gebildeten Beiräte, die „ihre Arbeit engagiert aufgenommen haben“ oder dass sich der Arbeitskreis Asyl „mit großem Einsatz um die hier lebenden Flüchtlinge kümmert“. Die hiesige Stadtgesellschaft präsentiere sich „weiterhin weltoffen und als Ort der Vielfalt“.

Prägend für Lebensqualität

Dank gebührt grundsätzlich allen Ehrenamtlichen, denn sie „prägen ganz entscheidend die Lebensqualität in unserer Stadt“, so der Oberbürgermeister. Ebenso bedankte er sich bei den Mitgliedern des Rothenburger Stadtrats, von denen einige das Stadtoberhaupt bei seiner Rede auf den Stufen des Rathauses flankierten, dass man „bei allen kontroversen Diskussionen, die in einer Demokratie nötig sind, einen respektvollen Umgang miteinander“ pflege.

Seine Silvesteransprache beendete Walter Hartl mit den Wünschen zum neuen Jahr: „Ihnen allen hier auf dem Marktplatz und ihren Angehörigen, unserer ganzen Einwohnerschaft, unseren Freunden in der Welt, wünsche ich nun ein glückliches, gesundes, gesegnetes und von gegenseitigem Respekt getragenes neues Jahr.“

Eine Abordnung des Stadt- und Jugendblasorchesters stimmte feierlich mit „Danket dem Herrn“ auf die Ansprache des Oberbürgermeisters ein und entließ abschließend die zahlreichen Zuhörer mit dem traditionellen Choral „Nun danket alle Gott“ in die Silvesternacht. mes


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