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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Zum Nachdenken anregen

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„Sind wir nicht alle ein bisschen anders?“ – Fotoausstellung zum Thema Inklusion

ROTHENBURG – „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ ist ein Sprichwort und eine Metapher für den Mehrwert von Bildern gegen­über Texten. Zumindest erzählen sie eigene Geschichten und machen vieles anschaulich.

Zwischen Alltag und Ausnahmesituation: die Sensibilität wecken.    Foto: Schäfer

Zwischen Alltag und Ausnahmesituation: die Sensibilität wecken. Foto: Schäfer

35 Fotos von und mit Menschen mit Beeinträchtigungen sind im Erdgeschoss und im ersten Stock des Rothenburger Krankenhauses zu sehen. Die Wanderausstellung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Landesverband Bayern, hat Ralph Dürr nach Rothenburg geholt. Er ist Mitglied des Verbandsrats beim Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege und stellvertretender Vorsitzender des Inklusionsbeirates der Stadt Rotenburg.

Es ist ein großes Anliegen der Ausstellung, „die Vielfalt und das Miteinander von Menschen mit Beeinträchtigungen fotografisch darzustellen“, sagt er. Der Rothenburger weiß, wovon er spricht. Er leidet an einer Sprachstörung, die nach einer Gehirnstörung aufgetreten ist. Weil eine Aphasie die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt, können Aphasiker – je nach Ausprägung ihrer Sprachstörung – psychisch oder geistig behindert wirken. Aber Aphasien sind eine reine Sprachstörung und behindern lediglich die Kommunikation.

„Wir haben sehr fleißige Inklusionsbeiräte, das ist gelebte Bürgerschaft“, sagte Bürgermeister Kurt Förster bei der Ausstellungseröffnung. Er freue sich sehr, dass die Ausstellung in der Klinik Rothenburg, wo viel Publikumsverkehr herrsche, möglich sei. Und im Mai könne schon das nächste Projekt des Beirats umgesetzt werden: Ein Stadtplan mit behindertengerechten Wegen solle herausgegeben werden.

Initiator Ralph Dürr mit Sigrid Popp und Kurt Förster. Foto: privat

Initiator Ralph Dürr mit Sigrid Popp und Kurt Förster. Foto: privat

„Es freut uns, dass unser Haus in der Bevölkerung – auch in kultureller Hinsicht – so gut angenommen wird“, betonte Sigrid Popp, Assistentin des Klinikdirektors von ANregiomed. Die Ausstellung sei sowohl für Patienten als auch für Mitarbeiter eine willkommene Abwechslung im Klinikalltag. „Ich hoffe, die Ausstellung regt zum Nachdenken an“, so Sigrid Popp.

Die Fotoserie von Uwe Schildbach trägt den Titel „Inklusion braucht lange Belichtung“. Mit dem Thema Inklusion ist er seit zwanzig Jahren beruflich als Beschäftigungstherapeut im Bezirksklinikum Ansbach befasst, aber auch politisch. Als Vertreter der Partei „Die Linke“ gehört er dem Stadtrat Ansbach als auch dem Bezirkstag Mittelfranken an. Seit Jahrzehnten setzen sich die Ansbacher für einen barrierefreien Bahnhof ein. Die meisten Bahnsteige am Ansbacher Bahnhof sind für Menschen mit einer Gehbehinderung nicht zu erreichen.

Die Fotos von Esther Busch entstanden bei ihrer Arbeit als Schulbegleiterin eines körperbehinderten Mädchens während des Unterrichts. Die 13-jährige Hannah Margraf, Gymnasiastin aus Kitzingen, hat sich damit beschäftigt, wie junge Menschen Älteren helfen können. Viel können kleine Kinder da nicht tun, aber selbst kleine Gesten erfreuen. „Ich lass dich nicht im Regen stehen“, ist ein Bild betitelt, bei dem ein kleines Mädchen mit einem älteren Herrn den Regenschirm teilt.

Für Dörthe Busch bedeutet Inklusion, dass man auch im Alter und bei Behinderung zuhause in seinen eigenen vier Wänden leben darf. Dass es keine Rolle spielt, in welchem Alter man ist, welcher Religion oder Nationalität man angehört, ob man eine Behinderung hat oder nicht. „Ich möchte auch im Alter oder mit einer Behinderung meinen Interessen nachgehen können“, sagt sie. „Vielleicht benötige ich später dafür Hilfsmittel. Aber ich möchte nicht darauf verzichten.“ Außerdem wirbt Dörthe Busch für Achtsamkeit und Wertschätzung im Umgang miteinander: „Sich Zeit zu nehmen für den Anderen, in der Warteschlange an der Kasse nicht zu drängeln, wenn der ältere Herr seine Cent-Beträge nicht sofort parat hat oder der Mutter mit Kinderwagen und dem quengelnden Kleinkind in die S-Bahn zu helfen, das ist für mich auch Inklusion.“

Silja Korn ist blind. Die von ihr eingereichten Fotos sind vor einiger Zeit im Botanischen Garten entstanden, als sie dort mit ihrem Mann und einer Freundin zu Besuch war. Eine Aufnahme zeigt, wie sie versucht, die Rillen von einem Stein mit ihren Fingern wahrzunehmen, um ein Foto zu knipsen. Auf einem anderen Bild ist der Daumen ihrer Freundin versehentlich mit aufs Foto gekommen, weil sie das Blatt festhielt, um der erblindeten Silja Korn die Orientierung beim Fotografieren zu erleichtern. Die Fotoschau mit besonderem Blick ist noch bis Juli in der Klinik Rothenburg zu sehen. sis


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