Filzlockenfrisur mit langer Geschichte
ROTHENBURG – Dass ein Mann gepflegt sein sollte, steht für Frauen außer Frage. Doch muss er auch gestylt sein? Da gehen die Meinungen auseinander. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und sorgen für manigfaltige Vielfalt, die eng mit der Persönlichkeit eines Menschen verbunden ist. Nur bei einer Sache verstehen Frauen keinen Spaß: Wenn der Partner zum Anziehen und zur Körperpflege im Bad länger braucht, als sie selbst. Das finden sie dann gar nicht lustig.

Haare machen Leute: Der Rothenburger Bademeister Till Schlegel kann seine langen Locken mit wenigen Handgriffen leicht bändigen für ein souveränes Auftreten in Beruf und Alltag. Fotos: Schäfer
Till Schlegel (28) hat einen eigenen Kopf und ist mit seiner zierlichen, schlanken Statur alles andere als ein unauffälliger Typ. Das zeigt nicht allein seine Frisur aus gedrehten Kringeln, die er mit geschickten Fingern zu einem lässigen Knoten am Hinterkopf oder zu einer trendigen „Vogelnest“-Hochsteckfrisur schlingt.
Der tüchtige Bademeister im Rothenburger Schwimmbad und junge Familienvater hat sich keineswegs aus reinem Modebewusstsein für seine zweifellos etwas außergewöhnliche Haartracht entschieden, die wunderbar zu seiner fröhlich-freundlichen Art passt. Sie ist auch Ausdruck seiner Natürlichkeit und seines naturverbundenen Lebensstils.
Die witzige Frisur ist sein auffälliges Markenzeichen, auf das er immer wieder angesprochen wird. Für ihn sind die langen Filzlocken zur Selbstverständlichkeit geworden. Die längsten Kringel reichen ihm inzwischen bis zu den Hüften. Seit fünfzehn Jahren hat er seine Haare nicht mehr vom Frisör schneiden lassen. Zeitaufwändig sei seine Haarpracht nicht, die er wie im Wildwuchs trägt. Die Mähne soll nicht allzu perfekt aussehen. Mehr Arbeit macht das Waschen und Trocknen der verfilzten Haare, um sie wieder in Form zu bringen, ohne dass sich Strähnen aus den einzelnen Zöpfen lösen, bestätigt Till Schlegel. Sie müssen gut shampooniert, gründlich ausgewaschen und lange getrocknet werden: mit der Turban-Methode oder durch Handtuch-Rubbeln beziehungsweise Heißluft-Föhn.
Beim Waschen saugen die Filzlocken wie ein Schwamm Wasser in sich auf und geben es nur langsam wieder ab. Im Handtuch eingewickelt oder an der frischen Luft sieht die Mähne oftmals äußerlich schon trocken aus, ist sie aber innen noch nicht. Gerade im Winter ist es wichtig, die Strähnen verfilzter Haare gut durchzutrocken, da sich die Feuchtigkeit in der kalten Jahreszeit durch das Tragen von Mützen länger in den Haaren hält und es so zu muffigem Geruch kommen kann.

Frisur und Kult zugleich: die „Dreadlocks“.
Till Schlegel hat von Natur aus glatte Haare. Als Kind trug er einen Pilzkopf nach dem Schnitt der Beatles, den die Mutter regelmäßig zurechtstutzte. Später ließ er sich schulterlange Haare wachsen. Zum Schulabschlussball wollte seine Tanzpartnerin, dass er sich die Haare schneidet. Nach der Konfirmation waren Kurzhaarfrisuren für ihn endgültig passé. Er entschied sich für einen eher struwweligen Look, der seine positive Einstellung gegenüber dem Natürlichen unterstreicht. „Dreadlocks“ wie die Filzlocken auf Englisch heißen, entstehen, in dem die Haare zwischen zwei Fingern gerieben werden, bis kleine Knoten entstehen. Oder durch Zwirbeln beziehungsweise Gegen-den-Strich-Kämmen. Es muss stets nachgefilzt werden, um ein glattes Nachwachsen zu vermeiden.
Till Schlegel legt Wert darauf, in keine Schublade gesteckt zu werden. Er zelebriert weder ein Hippie-Leben, noch die Rastafari-Kultur. Viele Zeiten und Kulturen haben eigene Haarmoden hervorgebracht als Ausdruck einer elitären oder sozialen Gruppe sowie als Zeichen politischer Überzeugungen. Inzwischen ist die Filzfrisur vor allem Ausdruck des eigenen Stils oder Exzentrik unter Schauspielern, Musikern und Sportlern. Bekannte Beispiele für besondere Frisuren sind Franz Liszt, Elvis Presley, die Beatles, die Leningrad Cowboys, Kiss. Die Filzlocken machten Bob Marley und Peter Tosh weltweit bekannt.
Till Schlegel ist in Gattenhofen aufgewachsen und in Oberscheckenbach zur Schule gegangen. An der Rothenburger Hauptschule (heute Mittelschule) hat er erfolgreich seinen „Quali“-Abschluss gemacht. Mit 15 Jahren sprach er couragiert beim damaligen Schwimmbad-Betriebsleiter Hans Lindner vor, um mit einem Praktikum in den Beruf des Bademeisters „hineinzuschnuppern“. Die „Fuß-in-der Tür“-Taktik funktionierte. Im Anschluss an seine dreijährige Ausbildung bekam er eine Festanstellung und gehört seitdem zum Mitarbeiterteam, das auch Wassergymnastik und Babyschwimmen anbietet. Till Schlegel ist Vater von zwei Buben, drei und ein Jahr alt, und glücklich mit einer Gebsattlerin verheiratet. „Sie ist die Frau, mit der ich alt werden möchte“, sagt er. Die junge Familie wohnt in Rothenburg und hat sich ein kleines Paradies geschaffen. Dazu gehört der Anbau von Gemüse, Tomanten, Chili, Kartoffeln und Kürbissen. Till Schlegel ist ein Naturmensch. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass er „jedes Unkraut kennt, das man essen kann“. Er ist ein Hobbygärtner, der gern herumexperimentiert mit Pflanzen und ihren Samen und versucht sie zu kreuzen. Dabei geht es ihm nicht darum, neue Sorten zu kreieren, er will einfach nur wissen, ob es funktioniert. In seinen Ansichten und Lebenseinstellungen spiegelt sich die politische Haltung, im Einklang mit der Natur zu leben. Zu seinem Selbstverständnis gehört, dass er zur Wahl geht und seine Stimme abgibt – mit Blick auf die eigene Verantwortung. sis