Informatik-Projektarbeit sorgt für staunende Gesichter durch die „erweiterte Realität“
ROTHENBURG – Die Verbindung von Historie und Neuzeit ist in Rothenburg allgegenwärtig. Im Reichsstadtmuseum wurde am Freitagabend eine ausgefallene Variante dieser Verknüpfung demonstriert: Eingeladen wurde zur Vorstellung einer interaktiven Präsentation von Museumsexponaten über Tablets durch „erweiterte Realität”.

Bürgermeister Kölle, Tourismuschef und Stadträtin staunen über die Effekte beim Blick auf den Bildschirm. Rechts Professor Dr.-Ing. Deinzer neben Toni Fetzer aus Rothenburg. Fotos:diba
Als Martinus Schwarz 1494 die Passionsbilder malte, konnte er sich bestimmt in den kühnsten Träumen nicht vorstellen, dass über 500 Jahre später diese mittelalterlichen Kunstwerke zum Gegenstand eines virtuellen Projektes werden, bei dem der Betrachter mit einem bildschirmartigen Ding in der Hand davor steht, um dann über Fingertipps Markierungen anzuklicken und so mehrsprachige Erläuterungen abzurufen. Das Ding nennt sich Tablet, bei der Technik ist neudeutsch von „Augmented Reality“ über eine verbundene „App“ die Rede. Und Schwarz würde die Welt noch weniger verstehen, wenn er sähe wie aus dem flachen Bildschirm auch noch dreidimensional dargestellte Objekte das Auge des Betrachters erfreuen!
Zur derzeit laufenden Ausstellung über die Flugschriften während der Luther-Zeit (die erste Medienrevolution), hätte diese Präsentation nicht besser passen können. Museumsleiter Dr. Hellmuth Möhring hatte in den Konventsaal eingeladen, denn es ging um die dort hängende „Rothenburger Passion“ als Musterobjekt für eine bemerkenswerte Projektarbeit.
An der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg-Schweinfurt hat sich angeregt durch den aus Rothenburg stammenden früheren Informatik-Studenten Toni Fetzer (der zur Zeit promoviert) Prof. Dr.-Ing. Frank Deinzer mit seinen Studenten für eine praktische Anwendung von Informatikkünsten entschieden, die sich am Reichsstadtmuseum orientiert. Ein kleines Programm, das man für Tablet und Handy anbieten könnte, ermöglicht beim Museumsrundgang die Interaktion mit Ausstellungsstücken.
Auch wenn er sich selbst schwer tue mit den neudeutschen unverständlichen Begriffen, so hoffe man doch, dass solche digitalen Angebote vielleicht mehr Besucher ins Museum locken würden, meinte Bürgermeister Dieter Kölle in seinem Grußwort. Museumsleiter Dr. Hellmuth Möhring hatte den kleinen Besucherkreis am Freitagabend im Konventsaal willkommen geheißen, der Rothenburger Informatiker Toni Fetzer sowie die drei das Projekt umsetzenden Studenten Alexander Frühwald, Matthias Kleinhenz und Rene Ziegler waren anwesend und gaben Erläuterungen. Sie standen auch den Besuchern zur Seite, als diese an den bereitliegenden Tablets die Anwendung testeten.

Von links: Informatikstudenten Matthias Kleinhenz, Rene Ziegler und Alexander Frühwald.
Man hält den Bildschirm mit eingeschalteter Tablet-Kamera vor ein Passionsgemälde und sofort erschienen Markierungspunkte, die man anklicken kann, worauf sich kurze Info-Texte (optisch wie Comic-Texte aussehend) öffnen, aber sich auch zum Beispiel beim Anpeilen eines Schwerts auf dem Bild eine Bildmarke mit dem virtuell umgesetzten dreidimensionalen Schwert auf dem Tablet öffnet, drehbar nach allen Seiten.
Solche Techniken sind zwar nichts Neues, aber der Effekt liegt in einer praktisch anwendbaren Arbeit, aus der vielleicht mehr an Zusammenarbeit mit der Hochschule werden könnte. Denkbar, so erläutern die Studenten wäre auf diese Art natürlich ein größerer virtuell gestützter Rundgang durch das Reichsstadtmuseum machbar.
„In der bisherigen Projektarbeit sind in der Summe 900 Stunden Arbeit gesteckt”, erläuterte der zuständige Hochschul-Professor Dr.-Ing. Frank Deinzer, der auch Doktorvater von Toni Fetzer ist. Darauf aufbauend neue Bilder und Informationen aufzunehmen und die Anwendung zu ergänzen sei „mit sehr überschaubarem Aufwand machbar”. Der Hauptaufwand entstehe bei der Erstprogrammierung. Im Endeffekt könnte man dem Museum ein Werkzeug zur Verfügung stellen, das dann die selbständige Pflege der laufenden Anwendung erlaubt.
Als weitere Entwicklung soll ein Programm dem Smartphone-Nutzer anzeigen, wo er sich gerade im Museumsgebäude befindet und ihn dann direkt auf Exponate hinweisen, die er betrachten sollte. Das Spannende sei jetzt gewesen, dass die Studenten mit einer schon bekannten Technik konkret „im tollen Umfeld des Museums eine Lösung realisieren konnten, die einen Mehrwert bringt”. diba