Nele Lechner absolvierte ein Praktikum bei der Polizei
ROTHENBURG – Wenn sich bei Polizisten Begeisterung einstellt hat dies in der Regel mit der Aufklärung von Straftaten oder der Verbesserung ihrer Dienstausrüstung zu tun. Bei den Beamten der Rothenburger Polizeidienststelle gibt es seit nunmehr fünf Monaten einen weiteren Grund: Polizeipraktikantin Nele Lechner.
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Gewinnbringende Zeit für beide Seiten: Polizeipraktikantin Nele Lechner und ihr Ausbildungsbetreuer Erich Kleinschrot. Foto: Scheuenstuhl
Und wenn man selbst Bekanntschaft mit der aufgeschlossenen und freundlichen 17-jährigen Schillingsfürsterin macht, kann man dies auch vollkommen nachvollziehen. So ist es kein Wunder, dass nur Worte des Lobes aus dem Mund von Inspektionsleiter Stefan Schuster kommen. Als „sehr gewinnbringend“ beschreibt er die Zeit mit Nele Lechner. Zumal man mit ihr seit vielen Jahrzehnten zum ersten Mal wieder eine Praktikantin in der Dienststelle hat.
„Dies ist der Idealfall wie wir uns die Personalauswahl vorstellen“, erklärt Stefan Schuster, der seine ersten Erfahrungen als Hüter von Recht und Gesetz ebenfalls während eines Praktikums machte. Als die bayerische Bereitschaftspolizei, die für die Polizeiausbildung zuständig ist, sich auf der Suche nach einem Praktikumsplatz für Nele Lechner bei ihm meldete, sagte er deshalb sofort zu und habe diese Entscheidung auch „nicht bereut“, betont er.
Zwischen Büro und Streife
Nele Lechner stammt nicht aus einer Polizistenfamilie, ihr Wunsch später einmal beruflich für Recht und Ordnung zu sorgen entwickelte sich dennoch recht früh – auch ohne Krimis verschlungen zu haben. Besonders die Abwechslung zwischen den Tätigkeiten in der Dienststelle und auf Streife zu gehen gefallen ihr an dem Beruf, sagt sie. Und so ging sie an jedem einzelnen Tag der fünf Monate gerne zur Arbeit – am kommenden Dienstag jedoch zum letzten Mal.
Denn ab 1. März wird sie ihre Ausbildung zur Polizistin beginnen. Die Aufnahmeprüfung – bestehend aus einem Deutschtest, einem sogenannten Grundfähigkeitstest, dem Sporttest und einem Gruppengespräch – hatte sie bereits kurz nach ihrem Realschulabschluss im vergangenen Jahr erfolgreich gemeistert – trotz Doppelbelastung durch Vorbereitung auf die schulischen Abschlussprüfungen und intensiven Trainings für den Sporttest. Bei Letzterem wurde sie maßgeblich von ihrer besten Freundin unterstützt, mit der sie zwei- bis dreimal pro Woche im Fitnessstudio schwitzte.
Das einzige Problem: Mit 16 Jahren war sie noch zu jung, um die Polizeiausbildung sofort beginnen zu können. Um das Jahr Wartezeit sinnvoll zu überbrücken, schlug die Einstellungsberaterin der Polizei das Praktikum in Rothenburg vor. Für Nele Lechner war dies so eine Art Rückkehr, denn bereits als Schülerin verbrachte sie dort ein paar Tage, um hinter die Kulissen zu blicken.
Komplett eingebunden
Ihr jetziges Praktikum war selbstverständlich viel intensiver. In den vergangenen fünf Monaten wurde sie komplett in die polizeilichen Aufgabenbereiche der Dienststelle eingebunden – natürlich unbewaffnet. Sie habe also alles „außer Helikopterfliegen und Tauchen mitgemacht“, schmunzelt Stefan Schuster. In ihren letzten Tagen in Rothenburg konnte sie auch noch den Aspekt Diensthundeführer von ihrer Liste streichen.
Der mittlerweile 17-Jährigen wurden Angelika Christ, zivile Ermittlerin, und Polizeihauptkommissar Erich Kleinschrot als Betreuer zur Seite gestellt. Auch deren Beurteilung fällt durchweg positiv aus. Schon nach kurzer Zeit sei Nele Lechner „eine Hilfe an allen Ecken und Enden“ gewesen, lobt Erich Kleinschrot. Es habe nicht eine negative Äußerung von den Kollegen gegeben und auch bei den Bürgern sei sie gut angekommen. „Sie wird uns allen fehlen“, sagt Angelika Christ.
„Am Anfang war es schon etwas komisch als 16-Jährige bei der Polizei zu arbeiten“, gibt Nele Lechner zu. Vor allem nach der Zeit in einer reinen Mädchenklasse an der Edith-Stein-Realschule in ein Arbeitsumfeld mit überwiegend männlichen Kollegen zu kommen, sei eine Umstellung gewesen. Es habe aber „von Anfang an gut geklappt“, versichert sie. Jeder sei darauf bedacht gewesen, ihr soviel wie möglich und genau das zu zeigen, was ihr für ihre anschließende Ausbildung am meisten bringt.
Natürlich richtete sich das Ausmaß ihrer Tätigkeiten zum einen nach ihrem Alter. Deswegen nahm sie nicht an der Nachtschicht teil, sondern sammelte lediglich unter der Woche tagsüber von 7 bis 16.30 Uhr ihre praktischen Erfahrungen. Zum anderen stand bei jedem Einsatz ihre Sicherheit an oberster Stelle.
Wenn Dienstgruppenleiter und Betreuer eine Situation als zu gefährlich für die Minderjährige einschätzten, wurde sie von dem betreffenden Fall abgezogen. Das konnte durchaus bedeuten, dass sie auf der Fahrt zum Einsatzort am Straßenrand zurückgelassen wurde und – je nach Entfernung – sich zu Fuß zurück zur Dienststelle aufmachen musste.
Beim Kontakt mit den Bürgern wurde sie als Dienstanfängerin vorgestellt. So mancher zu Überprüfende zog es da vor, von der jungen Damen der Alkoholkontrolle unterzogen zu werden anstatt von den (bekannten) Polizeibeamten. Auch hier machte Nele Lechner keine negativen Erfahrungen, obwohl die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung dahin geht, die Autorität der Gesetzeshüter nicht mehr anzuerkennen.
Ein „mulmiges Gefühl“ haben ihr anfangs die Blaulichtfahrten gemacht, aber nicht etwa wegen mangelnden Vertrauens zu ihrem Kollegen am Steuer. Vielmehr trieb sie dabei um, wie die anderen Verkehrsteilnehmer wohl auf das zügig herannahende Fahrzeug reagieren würden.
„Ganz anderer Wissensstand“
Ohne bestimmte Erwartungen an die Aufgaben am jeweiligen Tag, aber stets wissbegierig begann sie ihre Dienste. Was immer auch anlag, sie hat es als wertvolle Erfahrung auf dem Weg zur Polizistin verbucht. Erich Kleinschrot hat deshalb keinerlei Zweifel, dass sie die nun folgende harte Ausbildung meistern wird. Zumal sie in diese mit einem „ganz anderen Wissenstand“ als so mancher ihrer Mitauszubildenden hineingeht, ist Stefan Schuster überzeugt.
Während ihres Praktikums wurde Nele Lechner neben den alltäglichen Tätigkeiten wie Telefonate annehmen und die Tür öffnen auch damit betraut, einen Fund oder einen Kleinunfall zu erfassen sowie an einem vermutlich gestohlenen Fahrrad Spuren zu sichern und einen kleinen Ermittlungsauftrag auszuführen. Sehr gerne sei sie auch mit auf Streife gefahren, weil man dort die Möglichkeit hatte, sich mit den Kollegen über deren Erfahrungen auszutauschen.
Von ihren Eltern und ihrem älteren Bruder wurde sie in ihrem Berufswunsch immer unterstützt. Und auch ihre Freundinnen und ehemaligen Mitschülerinnen finden ihren eingeschlagenen Weg „cool“. Am kommenden Donnerstag wird sie also den nächsten großen Schritt gehen. Nach einem halben Jahr am Ausbildungsstandort Nabburg geht sie für zwei Jahre nach Sulzbach-Rosenberg.
Wohin es sie nach dem Ende ihrer Ausbildung verschlägt, weiß Nele Lechner noch nicht. Denn auch wenn es ihr in Rothenburg immer gut gefallen hat, würde sie doch gerne auch mal die Polizeiarbeit und das Leben in einer Großstadt kennenlernen. Eine etwaige Rückkehr zu ihren polizeilichen Wurzeln schließt sie aber keinesfalls aus. Ihre Weggefährten auf der hiesigen Polizeiinspektion würden sich über ein Wiedersehen mit ihr als vollwertige Kollegin zweifellos freuen. mes