Sechs Angebote zum Weltgästeführertag in Rothenburg
ROTHENBURG – Überraschend groß war trotz der Kälte die Resonanz bei der Rothenburger Veranstaltungsreihe am vergangenen Wochenende zum gestrigen Weltgästeführertag unter dem Motto „Menschen, die Geschichte schrieben“.

Gestern Vormittag: Karin Bierstedt begrüßt zum Auftakt der Sonntagsführungen am Kapellenplatz. Foto: Weber
Die Besucher nahmen teils etliche Kilometer Anfahrt auf sich, um beim traditionell umfangreichen Angebot der Führungen und Vorträge zu diesem Anlass Interessantes und vielleicht auch bisher Unbekanntes zur 1000jährigen Geschichte der Stadt zu erfahren.
Freilich wurde angesichts der eisigen Temperaturen kurzfristig gern Schutz unter Dach gesucht und die ursprünglich geplante Führung unter freiem Himmel auf das unbedingt erforderliche Maß zurückgestutzt. Wie etwa bei Regina Däschner und Jutta Rohn, die zu einer Bildbetrachtung auf den Spuren von Arthur Wasse eingeladen hatten.
Nach den ersten beiden Punkten ihrer Führung im Lichthof des Rathauses und auf den Stufen zur Sakristei der früheren Michaelskapelle luden sie zum Aufwärmen in die Bildersammlung des Reichsstadtmuseums ein. Die Stadt bewahrt dort den vom Künstler geerbten Nachlass auf und stellt ihn aus.
Der Engländer lebte von 1895 bis zu seinem Tod 1930 in Rothenburg. Er hat in dieser Zeit eindrucksvolle Werke geschaffen, in denen er Passagen von Alt-Rothenburg oft überaus detailliert und im interessanten Lichtspiel der niederländischen Schule zeigt. Nicht wenige Teilnehmer der Führung zeigten sich beeindruckt.
Bei der anschließenden Betrachtung von Werner Weber zu großen Legenden der Stadt im Kaisersaal des Rathauses hatte eine Gruppe des Festspiels „Historischer Meistertrunk“ um Tilly Alexander Zierer ihren ersten Auftritt in diesem Jahr. Nachdem Georg Nusch, alias Matthias Korwitz, das Kunststück gelungen war, den dreieinviertel Liter fassenden Glaspokal in einem Zug zu leeren, forderte Kellermeister Günter Wassilewski jeden im Publikum, es ihm gleich zu tun. Er ließ den frisch gefüllten Humpen von Reihe zu Reihe gehen.
Schluck für alle
Gerne nahmen die Zuhörer einen Schluck vom Willkommenstrunk. Mit dieser Geste begleitet die Stadt Rothenburg traditionell den Empfang geladener Gäste oder Gruppen im Rathaus. Bis fast zur Jahrtausendwende schaute viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Adel, Showbusiness und Sport in der Stadt vorbei und frönte dem Meistertrunk.
Willy Brandt setzte als Regierender Bürgermeister des damals geteilten Berlin mit seiner denkwürdigen Rede auf dem Marktplatz einen ganz besonderen Akzent. Wenn er die Probleme seiner Stadt lösen könnte, wie Nusch das getan hat, dann würde er das tun, sagte er 1965 bei seiner Rede anlässlich seines Besuches.
Aus gegebenem Anlass stiegen die Gästeführer Rothenburgs diesmal tiefer ein in die Geschichte der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 2018 jährt sich der Beginn des 30-jährigen Krieges zum 400. Mal. Claudia Brand, Elke Wedel und Daniel Weber beleuchteten gemeinsam diesen Zeitabschnitt näher. Angesichts der Kälte zogen auch sie sich, nach einer Einführungssequenz unter freiem Himmel, unter Dach zurück, nahmen Asyl im „Eisenhut“.
Sie führten vor Augen, wie sich ein regional begrenzter Konflikt zwischen der Pfalz und Böhmen zu einem solch verheerenden gesamteuropäischen Krieg entwickeln konnte. Dabei ging es nur oberflächlich um Religion. Letztlich wurde um Macht und Herrschaftsgebiete gekämpft.
Waffentechnik und Verteidigungsanlagen machten sie ebenso zum Thema wie Hungersnöte, Verelendung großer Teile der Bevölkerung, Elendsprostitution und das daraus entstehende gewaltige Trosswesen. Im Historienspiel „Der Meistertrunk“ werden die Ereignisse verarbeitet. Wo hört die historisch belegbare Wahrheit auf und wo geht sie in Dichtung über? Adam Hörber, ein Mensch, der Geschichte schrieb!
Bei noch grimmigerer Kälte als am Samstag setzten die Rothenburger Gästeführer gestern ihre kostenlosen Angebote zum Weltgästeführertag fort. Dr. Oliver Gußmann ließ am Kapellenplatz Rabbi Meir Ben Baruch aufleben und zeigte seine Bedeutung für die jüdische Gemeinde auf. Den Machtkampf zwischen Heinrich Toppler und Friedrich VI., dem Burggrafen von Nürnberg machten Karin Bierstedt und Robert Frank zum Thema. Helga Grund führte an Schauplätze, die sich mit Literatur und mit ihren besonderen Schmankerln zu Rothenburg verbinden.
Mit den freiwilligen Spenden der Besucher am Weltgästeführertag finanzieren die Rothenburger Gästeführer geschichtsbezogene Projekte. Die Einnahmen 2018 sind für die Tafel im Klostergarten mit der virtuellen Rekonstruktion der nicht mehr vorhandenen Kirche der Dominikanerinnen vorgesehen. Sie wurde um das Jahr 1800 abgebrochen. -ww-