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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Jeder ist ein Glied in der Kette

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Mit dem innovativen Ansatz: Ein friedliches Zusammenleben fängt vor Ort an

ROTHENBURG – Rund siebzig Bürgerinnen und Bürger verschiedener Nationalitäten trotzten der Kälte, um am Internationalen „Tag gegen Rassismus“ auf dem Marktplatz ein Zeichen für Toleranz und ein friedliches Miteinander zu setzen.

Beate Zerkowski, Heinz Henninger, Roberto Mandosi, Dieter Kölle und Irmgard Fischer. Fotos: sis

„Wir leben in einer sehr turbulenten Zeit mit einem drastischen Rechtsruck in ganz Europa“, sagte Roberto Mandosi, Vorsitzender des Migrationsbeirates, in seiner Rede bei der Kundgebung. Es sei wichtiger denn je, „gegen Rassismus ein Zeichen zu setzen und in Rothenburg im Dialog miteinander füreinander einzustehen.“ Der Anteil der Bevölkerung mit Wurzeln in anderen Ländern liegt in Rothenburg momentan bei 35 Prozent.

Talente mit einbringen
Die Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Nachkommen sind ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft und Sozialkultur, betonte Roberto Mandosi, ob in der Pflege, Medizin, Industrie oder Gastronomie.  „Migranten tragen dazu bei, dass wir unseren Wohlstand halten können – und wir alle profitieren davon.“ Für ein friedliches Zusammenleben gibt es Gesetze im juristischen Sinn, die vom Staat festgesetzt sind sowie Regeln als Orientierungshilfe.  Der Beiratsvorsitzende ermunterte Migranten, ihre Talente, ihr Engagement, ihre Kenntnisse und ihre Kultur in den Alltag mit einzubringen.
Das Integrationsgesetz setzt auf Fördern und Fordern. Aber bei der Umsetzung hakt es. „Wenn Integration gelingen soll, dann müssen auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.“ Der Beiratsvorsitzende forderte eine stärkere Förderung in verschiedensten Bereichen. Gibt es ausreichend Deutschkurse? Wie ist die Situation in den Kindergärten? Wie  ist der Stand in den Schulen? Wo sind die Erstanlaufstellen für Migranten? Wie werden Migranten bei den Ämtern unterstützt? Gibt es ausreichend Wohnungen? Sind genügend Plätze in den Ganztagsschulen vorhanden? Sind die Förderprogramme ausreichend?  Nicht nur die Kommunen und Behörden, auch Unternehmen müssten nach Auffassung des Beiratsvorsitzenden mehr in die Pflicht genommen werden bei der Integration der Zugewanderten beziehungsweise deren Nachkommen. Es bedürfe auch stärkerer Mithilfe von präventiven Maßnahmen gegen Rassismus und gegen Fremdenhass.

Beatrix Friedsmann und Eva-Mariana Le warben für ein buntes Miteinander der Vielfalt.

Flagge zeigen zum Miteinander in Vielfalt und Respekt ist auch ein Anliegen  von Irmgard Fischer, zuständig bei der Stadt für Soziales und Gemeinwesen. Die Stadt und der Migrationsbeirat veranstalteten gemeinsam die Kundgebung auf dem Marktplatz. Die Auszeichnung „Ort der Vielfalt“ durch die Regierung ist Ansporn und Verpflichtung zugleich, diesen Titel mit Leben zu füllen. Bürgermeister Dieter Kölle wurde als Vertreter der Stadt erneut in das Koordinierungsgremium der Allianz gegen Rechts gewählt. 147 Kommunen und Landkreise in der Metropolregion Nürnberg haben sich dieser Initiative angeschlossen. Bereits bisher war Dieter Kölle Mitglied im Arbeitskreis Sport und unterstützt auch als TSV-Vorsitzender die Kultur des Miteinanders.

Philipp Schiffers arbeitet bei der Arbeiterwohlfahrt als Migrationsberater für erwachsene Zuwanderer und unterstützt in dieser Eigenschaft auch den Rothenburger Migrationsbeirat „bei seiner fantastischen Arbeit.“ Bei der Kundgebung trat der Sozialpädagoge und Musiktherapeut als Liedermacher auf und leistete musikalisch seinen Beitrag, der Menschlichkeit Raum zu geben.
Heinz Henninger, Integrationsbeauftragter im Landkreis Ansbach, nutzte in seiner Rede die Gelegenheit,  den Rothenburgern für ihre Unterstützung der Flüchtlinge und Asylbewerber zu danken. Auch in umliegenden Gemeinden und Ortschaften wie Geslau, Neusitz, Steinsfeld und Bettwar sei das bürgerschaftliche Engagement erfreulich. Nach der großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 ist die Zahl der im Landkreis gemeldeten Asylbewerber von 2000 auf 970 gesunken (Stand: Februar 2018) Angestiegen sei die Zahl der anerkannten Asylbewerber beziehungsweise der Flüchtlinge mit Abschiebeschutz auf derzeit 2080 Menschen.
In 223 Wohnungen und in acht Gasthöfen sind noch Flüchtlinge un­tergebracht, die vom Landratsamt im Auftrag der Regierung angemietet wurden. Im Landkreis leben auch fast 10 000 Zuwanderer aus EU-Ländern. Die größte Gruppe sind Polen. In Dinkelsbühl sind es Rumänen, in Feuchtwangen Griechen und in Rothenburg    eine zahlenmäßig starke Personengruppe von 259 ungarischen Mitbürgern. Der Landkreis versuche verstärkt, die Integration ausländischer Menschen zu unterstützen, führte Heinz Henninger aus – mit Hinweis auf die  personellen Zuständigkeiten der Integrationslotsin und des Bildungskoordinators für Neuzugewanderte.
Wachsam sein 
Eigentlich sei es traurig, dass rassistische Ressentiments und die Angst vor sozialem Abstieg weiter zunehmen. Einmischen für Menschenrechte „lehrt und mahnt uns die deutsche Geschichte“. Der Altbürgermeister aus Dietenhofen erinnerte an die Nürnberger Rassengesetze von 1935 und deren Auswirkungen insbesondere für die jüdischen Mitbürger: „Eine Zeit, in der die Menschenrechte mit Füßen getreten worden sind.“ Diese Zeit dürfe sich nicht wiederholen: „Die Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.“
Auslöser für den Rassismus-Gedenktag waren die Geschehnisse im Jahr 1960 in Südafrika, einem Land, in dem bis in die  70er Jahre die Apart­heid „wie ein trennendes Schwert die Farbigen und die Weißen auseinanderdividierte.“ Sorge macht Heinz Henninger  die politische Entwicklung in europäischen Staaten wie Frankreich, England, Ungarn, Polen und Italien, aber auch das „America first“ von US-Präsident Donald Trump und die Tatsache, dass in Deutschland Rechtspopulisten in den Bundestag eingezogen. sind. Es sei damit zu rechnen, dass mit härteren Bandagen in der Flüchtlingspolitik im Bund und in Bayern agiert werden soll: „Nicht zuletzt auch deswegen, um die Wähler am rechten Rand wieder zurück zu gewinnen.“ Es sei ein kaum verständlicher „Spagat“ der Politik zwischen „Härte zeigen“ und  der Tatsache, dass ausländische Fach­kräfte dringend in Deutschland gebraucht werden, um die boomende Wirtschaft in Schwung zu halten.
In vielen Mannschaften der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga spielen am Wochenende ausländische, auch farbige Spieler, schießen Tore für die Vereine, werden gefeiert und bejubelt. Und am Montag ziehen dann in Städten wie Dresden wieder  Pegida-Demonstranten durch die Straßen und fordern mit ihren Parolen und Transparenten ein „Deutschland ohne Ausländer“. Heinz Henninger ist überzeugt, dass es bei einem Teil der Demonstranten auch in deren Familien einen Migrationshintergrund gibt, weil deren Vorfahren damals aus Polen, Tschechien oder Russland ausgewandert sind, um in Deutschland ein besseres Leben zu haben. Heinz Henningers Vorfahren mütterlicherseits sind aus Glaubensgründen nach Deutschland eingewandert. Sie kamen vor 350 Jahren aus Österreich.
Fast jeder Fünfte in Deutschland habe eine Zuwanderungsgeschichte: „Das sollte eigentlich zu weniger Rassismus führen.“ Wer die Grundwerte unseres demokratischen Gemeinwesens schützen und verteidigen will, stellt sich gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit. Es sei wichtig, wachsam zu sein, „denn der Nationalismus in unserem Land tarnt sich als parteipolitische Alternative“. Diese besorgniserregende Entwicklung dürfe nicht weiter Fuß fassen und sich breit machen. sis

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