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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Ende der Harmonie

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Fraktionsvorsitzende kommentieren den Haushalt

ROTHENBURG – Es ist vollbracht: Mit nur einer Gegenstimme haben die Mitglieder des Stadtrats am Donnerstagabend den Haushalt verabschiedet. In ihren Erklärungen zu dem Zahlenwerk rühmten die einzelnen Fraktionsvorsitzenden einerseits die überparteiliche Geschlossenheit mit der der erste Entwurf zur Überarbeitung an die Verwaltung zurückverwiesen wurde. Andererseits offenbarte sich der nächste große Streitpunkt: der geplante Aufzug im historischen Rathaus.

Geschichtsträchtig und zugleich zukunftsfähig – ein Spagat der entsprechende Investitionen erfordert, die sich im Haushalt niederschlagen. Foto: mes

So bezeichnete es Dr. Günther Strobl als „skandalös“, dass Angehörige des Gremiums „unser Rathaus nicht behindertengerecht ausstatten möchten“. Es sei sogar „zynisch und menschenverachtend“, dass man für die jüngeren Generationen in der Stadt eine Mehrzweckhalle für um die sieben Millionen Euro baue, aber bei der „vergleichsweise geringen Summe“ für den Aufzug sagt man dann, das „ist uns zuviel“.

Die CSU-Fraktion empfindet es ebenfalls „in höchstem Maße unerträglich und weder zeitgemäß noch verantwortbar“ hier auf Kosten von Behinderten, Senioren und Familien sparen zu wollen, so ihr Vorsitzender Dr. Wolfgang Scheurer. Sie liegt damit auf einer Linie mit den Vertretern der Bündnisgrünen im Rathaus, die, so  Fraktionsvorsitzender Dieter Seiferlein, „schockiert“ über den Antrag von FRV und UR auf Streichung dieses Projekts gewesen waren, da man  heutzutage „so eine Haltung nicht mehr für möglich gehalten“ habe.
Der hierbei unter anderem angesprochene Hermann Schönborn erwiderte in seiner Funktion als UR-Fraktionsvorsitzender, dass man die geplanten Maßnahmen „auf Notwendigkeit hin überprüft“ habe und zu der Überzeugung gelangt sei, „dass der Einbau eines Aufzugs im Rathaus aus finanziellen Gründen verschoben werden kann“.
Haltung treu geblieben 
Für FRV-Fraktionsvorsitzenden Dr. Karl-Heinz Schneider ist der Aufzug  darüber hinaus auch aus denkmalpflegerischen Gründen „nicht genehmigungsfähig“. Der „hohe Kostenaufwand von annähernd einer halben Million Euro“ allein rechtfertige es seiner Ansicht nach, „den Haushalt abzulehnen“. Dieser Haltung blieb er auch bei der Abstimmung treu.
In der nun zum Beschluss vorliegenden Haushaltsfassung seien, laut Dr. Günther Strobl, „Luftnummern gestrichen“ und durch die Aufschiebung von Maßnahmen auf folgende Jahre „von unnötigem Ballast befreit“ worden. Er ist sich sicher: „Wir schieben damit keine Bugwelle vor uns her, die uns irgendwann einmal überrollen sollte.“ Dem widersprach Hermann Schönborn und mahnte, dass man das Ergebnis der Aufschübe „erst mit dem nächsten Haushaltsentwurf sehen“ werde.
Seiner Ansicht nach bildeten Streichungen nur eine „untergeordnete Rolle“ bei der Überarbeitung der aktuellen Fassung. „Weitere gravierende Änderungen durch den Stadtrat erfolgten nicht.“ Für den Fraktionsvorsitzenden wurde somit „eine echte Chance auf mehr Sparsamkeit vertan“. Auch Dr. Karl-Heinz Schneider äußerte im Namen der FRV-Fraktion sein Bedauern darüber, dass man im Bauhaushalt manche Position, die „mittelfristig einen Millionenbetrag eingespart“ hätte, nicht gestrichen habe. Die Zustimmung einiger FRV-Vertreter zum Haushalt soll nicht bedeuten, dass man die „nur in die Zukunft vertagten Ausgaben nicht mit Misstrauen“ betrachte, betonte er.
Dr. Karl-Heinz Schneider sorgte kurzzeitig mit seinem Antrag für Verwirrung, dem Haushalt eine Präambel voranzustellen, mit der der Stadt-rat dann automatisch bei Beschluss des Haushaltes „Flagge zu Einsparungen“ zeigt. Nach einer kurzen Diskussion klärte sich, dass dies noch nicht bei der vorliegenden Haushaltssatzung geschehen soll. Über den Antrag wird also an anderer Stelle zu entscheiden sein.
Investitionen in Zukunft
Als „sehr erfreulich“ wertet es hingegen Dr. Wolfgang Scheurer, dass man „bei allen Einsparungen immer noch in die Zukunft unserer Stadt in ausreichendem Maße investieren könne“. Konkret heißt das: Rund 8,8 Millionen Euro werden für den Neubau der Entlastungsstraße und die Erschließung des Gewerbegebiets sowie die Fertigstellung des Hochschulcampus ausgegeben. Für den Erwerb von Grundstücken zur Erschließung neuer Wohnbaugebiete seien knapp 2,2 Millionen Euro eingeplant.
Für die SPD-Fraktion bemisst sich die Zukunftsfähigkeit Rothenburgs auch an dem Erhalt bezahlbaren Wohnraums. Die Verwaltung habe hierfür schon im Vorfeld der Haushaltsberatungen die „entsprechenden Weichen“ gestellt, lobte er. Der nächste Schritt in der Finanzplanung für 2019 und die Folgejahre müsse der „Beginn der Entschuldung“ sein.
Bei aller Freude gab es auch Kritik von der CSU-Fraktion für die vorsichtige Art der Stadtkämmerei, die Einnahmen zu prognostizieren. So fallen die Jahresergebnisse der Haushalte in der Regel wesentlich besser aus als die verabschiedeten Haushaltspläne, so Dr. Wolfgang Scheurer.
Erfreulich und ärgerlich 
Diese Abweichungen seien seiner Ansicht nach „einerseits sehr erfreulich, aber andererseits umso ärgerlicher“, da man sich mit einer realistischeren Kalkulation „nicht nur die Anmerkungen, Androhungen und Auflagen der Aufsichtsbehörden“ hätte ersparen können, sondern auch das „gebetsmühlenartig vorgetragene Lamento der ,Haushaltsuntergangsbeschwörer’ in diesem Stadtrat“.
Selbstkritik übte in diesem Zusammenhang Dieter Seiferlein. Den „offensichtlich nicht genehmigungsfähigen Haushalt“ an die Verwaltung zurückzuweisen sei „sicher nicht falsch gewesen“, sagt er. Die Ratsmitglieder sollten „in Zukunft diese Absicht früher erkennen lassen, oder aber die Genehmigungsfähigkeit im Rahmen der Haushaltsberatungen herstellen“, fordert er. So hatte nun die Verwaltung die „unpopulären Entscheidungen“ zu treffen, was auf eine „vernünftige und umsichtige Art“ erfolgt sei.
Auch Oberbürgermeister Walter Hartl ging auf das in diesem Jahr„überraschende Prozedere“ im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung ein. Er stellte noch einmal klar, dass die Verwaltung das „Königsrecht des Stadtrats“ hochgehalten und im Vorfeld die Fraktionen um eine Prioritätenliste bezüglich der baulichen Vorhaben gebeten habe. Wenn die ausbleibenden Antworten bedeuten, dass der Verwaltung die Aufgabe zufalle, letztlich „die Gemeinheiten vorzutragen“, dann werde man dies gerne annehmen.
Manchmal werde den Stadtverantwortlichen eine „Känguru-Politik“ in der Art unterstellt, dass man „große Sprünge mit leerem Beutel“ mache, so Walter Hartl. Man sei in den vergangenen Jahren durchaus „weit gesprungen“ und vieles habe sich in der Stadt verbessert. Somit gehe es nicht nur darum, sparsam zu wirtschaften, sondern auch vorausschauend. Denn: „Vor den Gewinn hat der Herrgott die Investition gesetzt“. mes

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