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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Musterbeispiel des Pittoresken

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Mit Cleverness gepflegte Marketing-Strategie: Das malerische Rothenburg in Kunst, Garten und Architektur

ROTHENBURG – Das Gartennetzwerk Hohenlohe – ins Leben gerufen und organisiert von der Touristikgemeinschaft Hohenlohe mit Sitz in Künzelsau – hat den Burggarten in Rothenburg bereits letztes Jahr als Garten der Jahre 2017/2018 ausgezeichnet. Dieser findet sich auch als Titelbild auf der Broschüre, die das Gartennetzwerk vorstellt und auf Messen im gesamten Bundesgebiet verteilt.

Mit den Pfunden wuchern: Rothenburg als malerisches Stadt- und Landschaftsbild wird im Rahmen von Themenjahren anschaulich vergegenwärtigt. Fotos: Schäfer

Anlässlich des Auftakts der Frühjahrswanderwoche lud der Rothenburg Tourismus Service kürzlich die Kollegen Andreas Dürr (Geschäftsführer Touristikgemeinschaft Hohenlohe), Luana Neugebauer (Projektmanagerin Tourismusinfrastruktur der Touristikgemeinschaft Hohenlohe) und David König (Leiter Tourismus Schloss Langenburg) nach Rothenburg zum fachlichen Austausch ein.

Neben aktuellen Projekten im Gartennetzwerk kamen dabei auch weitere mögliche „grenzüberschreitende“ Kooperationen zur Sprache: das „Genießerland Hohenlohe“ sowie gemeinsame Schwerpunkte entlang der Burgenstraße. Das Vorhaben, Rothenburg als Landschaftsgarten in den Fokus zu rücken, stieß seitens der Touristikgemeinschaft Hohenlohe auf reges Interesse – weitere Kooperationen sind bereits angedacht.
Im Rahmen von drei Themenjahren soll 2019 bis 2021 die pittoreske Topographie Rothenburg als Stadt- und Landschaftsbild anschaulich vergegenwärtigt werden. Neben einer Ausstellung im Mittelalterlichen Kriminalmuseum zu britischen Malern um 1900 (James Douglas, Elias Bancroft, Walter Tyndale) werden im Reichsstadtmuseum Stadtansichten von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart gezeigt werden. Eine Sonderausstellung im Reichsstadtmuseum wird sich gleichermaßen dem motivischen Einfluss Rothenburgs auf die englische Gartenbewegung um Raymond Unwin sowie die deutsche Gartenbewegung um Richard Riemerschmid widmen.

Dr. Jörg Christöphler (Mitte) und Robert Nehr (re) mit Kollegen des Gartennetzwerks Hohenlohe.

Gartenprojekte werden verborgene Gartenschätze der Rothenburger Bürger mit einbeziehen. Künstlerbund und Kunstkreis werden zeitgenössische Interpretationen des pittoresken Rothenburg vorstellen. Zusätzlich geben die beiden Kunstkreis-Vorsitzenden Ruth Bücker und Ingeborg Goebel jeweils 2020 und 2021 von Mai bis August Malkurse an Aussichtspunkten wie der Eich, im Burg- und Klostergarten, bei schlechtem Wetter im Reichsstadtmuseum. Hinzu kommen Artist-in-Residence-Projekte der Tagungsstätte Wildbad sowie das Musikalisch-Pittoreske im Rahmen des Fränkischen Sommers 2019, ein Internationales Lied-Festival. Es gibt Themenführungen „Malerisches Rothenburg“ und Hotel-Angebote, zum Beispiel von „Burghotel“, „Eisenhut“ und „Rose“, die zum Verweilen einladen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Rothenburg als ein in der Zeit stehen gebliebenes mittelalterliches Kleinod wiederentdeckt. Maler wie Carl Spitzweg, der Dichter Paul Heyse, der Kunsthistoriker Georg Dehio und der Architekt Camillo Sitte hatten daran maßgeblichen Anteil. Für Deutschland war Wilhelm Heinrich Riehls „Gang durch das Taubertal“ 1865 eine wichtige Publikation. International bewirkten das Historienspiel „Der Meistertrunk“ und die Weltausstellung von Chicago 1893 (Rothenburgs Rathaus als Vorbild für den deutschen Pavillon) ein erhöhtes Echo für Rothenburg.  Bereits Ende der 1860er Jahre hatte der US-amerikanische Maler Toby Rosenthal unter Münchner Malerkollegen den visuellen Reiz Rothenburger Stadtansichten und Genre-Szenen populär gemacht. Wiederkehrende Motive in Zeichungen, Skizzen, Gemälden und Fotografien waren Rothenburgs Stadttore, das Marktplatz-Ensemble samt Marienapotheke sowie die Lage hoch über dem Taubertal. Dieser Motivebestand verdichtete sich vor dem Ersten Weltkrieg zu einem fest gefügten Kanon an Motiven, der in Postkarten, aber auch in hochwertigen Fotografie- und Grafikserien massenhaft Verbreitung fand. Neben „mittelalterlich“ wurden  bereits um 1900 „romantisch“, „märchenhaft“ und „malerisch“ zu typischen Attributen Rothenburgs. Letzteres mit dem englischen „picturesque“.
Die architektonische Gesamtwirkung und die Einbettung in die Landschaft hoch über der Tauber inspirierten um 1900 namhafte Architekten der englischen und deutschen Gartenstadtbewegung. Raymond Unwins Planungen für Hampstead Garden Suburb und Richard Riemerschmids „Grüner Zipfel“ der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden sind erkennbar von Rothenburg beeinflusst. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts war Rothenburg damit Sinnbild einer anderen, einer pittoresken Moderne – im Unterschied zur späteren Bauhaus-Moderne. rn/sis

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