Wie gelingt die Balance zwischen Verantwortung, Vision, Flächeneffizienz und Nachhaltigkeit?
ROTHENBURG – Seit über zehn Jahren engagiert sich Klaus-Jürgen Edelhäuser ehrenamtlich in der Bayerischen Ingenieurkammer-Bau. Es handelt sich dabei um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und berufsständische Vertretung für alle im Bauwesen tätigen Ingenieure. 2016 wurde er in den Vorstand gewählt. In dieser Eigenschaft hat er sich zum aktuellen Thema „Baugestaltung“ in einer Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung geäußert.
![]()
Klaus-Jürgen Edelhäuser: „Korrekturen vornehmen“.
Im Januar dieses Jahres haben die Kulturminister der europäischen Länder in einer informellen Konferenz die Erklärung von Davos als eine europaweite Koalition für Baukultur beschlossen. Bemängelt wird in dem Papier unter anderem der Flächenverbrauch in den Ländern, der „Verlust an Qualität der gebauten Umwelt und der offenen Landschaften“ sowie die „fehlenden gestalterischen Werte und ein fehlendes Interesse für Nachhaltigkeit“. Die einleitenden Worte der Erklärung von Davos vermitteln kein gutes Bild vom aktuellen Stand der gegenwärtigen Baukultur.
Der Rothenburger geht in der Kammer-Kolumne der Frage nach: Ist es wirklich so schlimm? Hauptberuflich ist Klaus-Jürgen Edelhäuser als Beratender Ingenieur in einer Büro-Gemeinschaft mit dem Architekten Andreas Konopatzki tätig und erfahren in diesem Metier. Sein Beitrag in der Bayerischen Staatszeitung zielt darauf ab, für einen sensiblen Umgang mit Landschaft und Baukultur im Rahmen von Planungen und Behördenverfahren zu werben. „Bei genauer Betrachtung kann man durchaus erkennen, dass mit der Entwicklung von Wohn- und Arbeitswelten sowohl in den Ballungszentren als auch auf dem ‘flachen Land’ gewisse Korrekturen vorgenommen werden müssen, um auch in Zukunft eine lebenswerte Umgebung zu haben“, so Klaus-Jürgen Edelhäuser.
Unter lebenswerten Wohn- und Arbeitswelten versteht er „eine optisch schöne Umgebung mit gestalteten Gebäuden, die sich in die Umgebung einfügen“. Die Aspekte „angenehm und schön“ seien dabei „selbstverständlich sehr subjektiv“. Wichtig sei, dass die Architektur der Bauwerke „nicht nur auf den reinen Zweck des Gebäudes reduziert werden darf“. Es gehe nicht nur darum, ein Dach über dem Kopf und vier Wände um sich herum zu haben. Die Gestaltung der Gebäude sollte anderen Ansprüchen folgen, betont Klaus-Jürgen Edelhäuser.
In historisch gewachsenen Städten ließen sich an den Bauwerken epochale und regionale Elemente ablesen, „die in der Regel für ein lebenswertes und schönes Ambiente sorgen“. Dies betreffe einerseits die Proportionen von Baukörpern, andererseits aber auch individuelle Gestaltungs- und Zierelemente. „Dieser Gestaltungsanspruch und diese Individualität von Gebäuden sollte wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt werden“. Womöglich sei eine anspruchsvollere Gestaltung auch mit etwas höheren Baukosten verbunden. „Die Mehrkosten bedeuten dann aber einen vielfachen Mehrwert in Bezug auf eine lebenswerte Wohn- oder Arbeitsumgebung“.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Schaffung von lebenswerten Wohn- und Arbeitswelten sei „die Einbeziehungung des Quartiers oder des Ensembles und hier auch insbesondere ökologische Aspekte“. In vielen Städten und Siedlungen wurde in der Vergangenheit im Zuge der Nachverdichtung „zu viele Flächen versiegelt“. Wie wichtig Grünflächen und damit auch Versickerungsflächen seien, zeige sich bei starken Regenfällen. Die Bedeutung von Grünflächen würde auch beim sommerlichen Wärmeschutz deutlich. Fehlen solche Flächen, werde mehr baulicher Aufwand zur Verschattung, aber auch zur technischen Kühlung von Gebäuden erforderlich, führt der im Bauwesen tätige Ingenieur aus. Ziel müsse dabei sein, den Bauherren den „Mehrwert“ einer lebenswerten Wohn- und Arbeitswelt aufzuzeigen.
In spätestens zehn Jahren wollen die Kultusminister der Länder wieder zusammenkommen, um die Fortschritte zur Realisierung einer hohen Baukultur zu evaluieren. „Es wäre ein tatsächlicher Erfolg, wenn dann die Erklärung positiver ausfallen würde“, betont Klaus-Jürgen Edelhäuser. sis