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„Vorgehen ist befremdlich“

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Personalentscheidung der Stadtwerke Rothenburg sorgt für Wirbel

ROTHENBURG – Die fristlose Kündigung des langjährigen Betriebsleiters vom „RothenburgBad“ wirft Fragen auf. Mit ein wenig Verwunderung darf man auf die Entscheidung der Stadtwerke Rothenburg schon reagieren. Es wurde gar nicht erst abgemahnt, sondern gleich durchgegriffen, obwohl das Arbeitsverhältnis schon lange Zeit bestand, ohne frühere Beanstandungen.

An heißen Tagen eine beliebte Anlaufstelle: Der Kiosk im Rothenburger Freibad. Fotos: Schäfer

Der Arbeitgeber wirft der Führungskraft schwere Versäumnisse im Kioskbetrieb vor, für den sie seit Beginn der Freibadsaison zusätzlich verantwortlich ist. Der 51-Jährige wehrt sich über seinen Anwalt Christoph Schmitt gegen die falschen Anschuldigungen, sie seien nicht klar benannt und belegt. Er hat eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Beide Parteien erscheinen in Kürze in einem ersten Gerichtstermin zur zunächst anberaumten Güteverhandlung.

Der Mitarbeiter war seit 21 Jahren im Bäderbereich tätig, seit 2007 als Leiter der Einrichtung in verantwortlicher Position. 2015 vollzog sich der Wechsel in der Geschäftsführung von den Stadtwerken Crailsheim zu den Stadtwerken Heidenheim. Die Stadtwerke Rothenburg blieben weiterhin als eigenständiges Unternehmen erhalten und sind Betreiber des Hallen- und Freibades. Der Leiter des Schwimmbades trägt eine hohe Verantwortung mit der Ausübung der Betriebs- und Wasseraufsicht sowie Beaufsichtigung des Badebetriebes, Überwachung der technischen Betriebsfunktion, Wartung- und Reparaturarbeiten.
Neue Pflichten kamen hinzu. Der Arbeitgeber übertrug dem Bäderbetriebsleiter mit Beginn der Freibadsaison zusätzlich die Verantwortung für den Kiosk im RothenburgBad. Die Führungskraft hatte Sorge dafür zu tragen, dass die gaststättenrechtlichen, sicherheitsrechtlichen und polizeilichen Vorschriften eingehalten werden. In einem im März 2018 eigens geschlossenen „Stellvertretervertrag“ mit der SWR Energie, Service, Bau GmbH, eine Tochterfirma der Stadtwerke Rothenburg, verpflichtete sich der Mitarbeiter „die Interessen des Kioskbetreibers nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen und alles, was die ordnungsgemäße Führung einer Gaststätte erfordert, zu erledigen.“ Zuvor war er bei der IHK Nürnberg über „die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden und konnte mit ihnen als vertraut gelten“. In den Vorjahren war der Freibad-Kiosk verpachtet und wurde nun unter Eigenregie weitergeführt. Alle Mitarbeiter des Kiosks haben einen Lebensmittelnachweis und sind in die Zubereitung von Speisen eingewiesen.
Die Führungskraft hatte alle Hände voll zu tun, den Bäderbetrieb und den Kiosk zu managen. Die Hitzewelle  sorgte für Hochbetrieb. Die Besucher lechzten nach Abkühlung und standen Schlange für Getränke, Eis, Pommes und Würste. Der Bäderbetriebsleiter packte überall da an, wo Not am Mann war. Er stellte sich auch mit in den Kiosk, wenn hungrige Gäste über die lange Wartezeit murrten.
Pommes und Würste sind Frischware. Die Würste, die drei Tage vor Ablaufdatum sind, was selten vorkommt, wie es heißt, werden mit Datum versehen, tiefgefroren und bei Bedarf innerhalb von drei Tagen verarbeitet. Die Würste, welche nicht verarbeitet worden sind „werden weggeworfen“. Dies komme aber nur selten vor. Im wetterabhängigen Freibad sei es schwierig, die Speisen so zu kalkulieren, „dass nicht in Ausnahmen auf die Tiefkühlung zurückgegriffen werden musste“. Um komplett auf Tiefkühlware umzustellen, fehle Lagerkapazität. Für die Frischpommes gibt es nur eine Kühlzelle. In dieser trubeligen Zeit der heißen Tage äußerte der Gaststättenbetreiber des Schwimmbades und ehemalige Kioskbetreiber gegenüber der Führungskraft, dass ein Gast vom Essen am Kiosk Durchfall und Magenprobleme bekommen habe. Einen konkreten Namen habe er nicht genannt bekommen. Der Betriebsleiter sah deshalb keine Handhabe, die Sache weiter zu verfolgen.
Mitten im Hochbetrieb traf  eine falsche Pommes-Lieferung ein. Dies verursachte zusätzlichen Stress im Ablauf, für den sich der Lieferant im Nachgang entschuldigte. In der Nacht auf  7. Juli brachte ein Einbruch im Bad das sorgsam geplante Gefüge durcheinander. Eindringlinge hebelten die Tür zum Kühlhaus auf und ließen sie offenstehen. Die Kühlkette der Lebensmittel war unterbrochen. Die Ware durfte nicht mehr in den Verkauf. Der Einbruch und dessen Folgen sind bei der Polizei und den Städtischen Werken mit Bildern dokumentiert. Bei der Kontrolle durch das Gesundheitsamt habe es keine größeren Beanstandungen und auch keine Anzeichen für eine Gesundheitsgefahr gegeben.

Anwalt Christoph Schmitt: „Behauptungen“.

Bei regelmäßig stattfindenden Besprechungen wurden ebenfalls keine Klagen über Missstände im Kioskbetrieb an den Bäderbetriebsleiter herangetragen. Von der Nachricht der fristlosen Kündigung fühlte er sich vor den Kopf gestoßen und völlig überrumpelt. Sie erreichte ihn im Urlaub. Der Arbeitgeber wirft der Führungskraft vor, im Kioskbetrieb „mindestens grob fahrlässig oder bedingt vorsätzlich“ gegen Vorschriften verstoßen „und die Gesundheitsgefährdung von Besuchern des Bades beziehungsweise Kunden des Kiosks billigend in Kauf genommen zu haben“. Dies sei nicht tragbar. Mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wurde dem Betroffenen auch „ein sofortiges Haus- und Badeverbot“ für die nächs-ten 24  Monate erteilt.

Die Stadtwerke Rothenburg blieben auch auf nochmaliges Nachfragen der Redaktion bei der Aussage, dass sie „aus Gründen der Vertraulichkeit und des Datenschutzes und auch zum Schutz des Mitarbeiters keine Angaben zu personellen Angelegenheiten machen“. Es wird jedoch Wert auf die Feststellung gelegt, dass das Kündigungsverfahren „ordnungsgemäß verlaufen ist“. Oberbürgermeister Walter Hartl, er hat den Vorsitz im Aufsichtsrat der Stadtwerke, hielt sich ebenfalls mit Äußerungen zurück. Er verwies darauf, dass die von der Geschäftsführung getroffene Entscheidung „in deren Zuständigkeitsbereich liegt“. Der Aufsichtsrat wurde allerdings über die Gründe informiert. Wichtig war ihm noch der Hinweis: „Außerordentliche Kündigungen unterliegen engen Grenzen“.
Die Personalentscheidung sorgte für Gesprächsstoff, ließ Halbwahrheiten und schließlich unhaltbare Gerüchte entstehen. Der Betroffene selbst und seine Familie sind hierdurch in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Funktion des Bäderbetriebsleiters hat einen hohen Bekanntheitsgrad, der sich auch aus der Vertrauensfunktion ergibt.
Der 51-jährige wehrt sich gegen die Kündigung. Sein Anwalt, Christoph Schmitt, Sohn des früheren städtischen Juristen Albert Schmitt, hält die Kündigung für „sozial nicht gerechtfertigt und nicht haltbar“. Der Arbeitgeber habe Pflichtverletzungen  des Mitarbeiters nicht präzise dargelegt und stütze sich lediglich auf geäußerte Behauptungen von zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen des Kiosks und einer externen Kraft, die nicht durch Tatsachen belegt seien. Es gebe in diesem Zusammenhang viele Ungereimtheiten und offene Fragen.
Das künstlich geschaffene Vertragskonstrukt zum Kiosk hält der Anwalt für „mehr als fragwürdig“. Die rigorose Vorgehensweise der Stadtwerke gegen die langjährige Führungskraft wirkt befremdlich und legt  für Christoph Schmitt den Schluss nahe, dass der Arbeitgber den Mitarbeiter schnellstmöglich loswerden will, „koste es, was es wolle“. sis

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