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Philosophenweg-Plan überdenkenswert

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Die Fortschreibung des Flächennutzungsplanes hat nach zehn Jahren andere Voraussetzungen geschaffen

ROTHENBURG – Die Philosophenweg-Bebauung ist nach einem Jahrzehnt nochmal in den öffentlichen Fokus geraten und wird erneut kritisch diskutiert. Die Verwaltung empfiehlt zur Ratssitzung am 29. November die Umsetzung des bestehenden Bebaungsplanes von 2009 und die Ablehnung des FRV-Antrages auf erneute Prüfung und gegebenenfalls Aufhebung. Dank rasanter Stadtentwicklung sind veränderte Gegebenheiten unübersehbar. Vielleicht wären sogar Kompromisse in der Planumsetzung noch möglich.

Das ist die bis heute gültige und schon 2009 vorgestellte Planung. Die Bebauung rückt dicht ans Turmseelein heran, mit Mischgebietsflächen und Wendehammer. Fotos: diba

Es gibt manch ehemaligen Gegner der Mehrzweckhalle am SpitaltorParkplatz, der angesichts des sich gut einfügenden Flachbaus jetzt anders denkt und dies offen zugibt. Aber dort musste zwangsläufig eine Grünfläche im Stadtumgriff ebenso dezimiert werden, wie an vielen anderen Orten aufgrund reger Bautätigkeit Gärten und Bäume verschwunden sind. Beispiele genug sind aufzählbar, der Garten und die Bäume hinterm Finanzamt sind nur ein Beispiel für neue öde Park- und Fahrflächen. Allein in der Würzburger Straße lässt sich beispielhaft beobachten, wie bei Neubauten oder Renovierung einfach nur Boden versiegelt wird. Sollten die Grün-Sammelbehälter von der Stadt abgeschafft werden, begünstigt dies die Anlage nur noch pflegeleichter, eintöniger Privat-Gärten.

Rothenburgs bebaute Flächen wachsen dramatisch, natürlich mit vielen erfreulichen Aspekten: Betriebsansiedlungen, neue Arbeitsplätze, hervorragende Entwicklung im Bildungs-, Sport- und Freizeitbereich sowie beim Wohnen. Das reicht vom „Wohnerlebnis Altstadt” mit historischen Wohnquartieren wie in der Judengasse (dank beispielhaft sanierter mittelalterlicher Häuser) bis zu Neubauten auch innerhalb der Mauern (manchmal jedoch umstritten, weil zu modern oder an der falschen Stelle). Im Heckenacker stechen moderne Wohnkomplexe mit teuren und hohen Mehrgeschoss-Penthouse-Anlagen hervor.

Auf diesem aktuellen Reifferscheid-Luftbild vom September 2018 ist sehr schön der an die Kleingärten anschließende noch bestehende Grünzug ersichtlich, während im Vordergrund ein Teil des bereits bebauten unteren Philosophenwegs erkennbar ist.

Es geht zügig weiter, denn gleich mehrere neue Gewerbe- und Wohnbaugebiete stehen an, die Stadt dehnt sich unablässig im Norden, Westen und Süden aus. Ohne das Taubertal wäre jeglicher landschaftliche Reiz verloren! Positive Bauentwicklungen haben unvermeidbar auch negative Seiten – diese zu mindern ist Daueraufgabe der Kommune. Man tröstet sich schnell mit dem vermeintlichen „Einzelfall“, den gibt es aber in der Gesamtbetrachtung so häufig, dass er sich mosaikartig verbindet und verändernd wirkt. Das erkennen vereinzelt Stadträte oder Fraktionen und hinterfragen deshalb nochmal die beschlossene obere Philosophenweg-Bebauung, solange dort nichts verkauft ist, was jetzt aber bevorsteht. Der untere Bereich ist längst bebaut und war auch früher kaum strittig.

Selbst im Stadtbauamt reagiert man aufgeschlossen auf neue Bewertungen. Stadtbaudirektor Michael Knappe, der erst 2011 nach Rothenburg kam (also den Aufstellungsbeschluss zum Philosophenweg bereits vorfand), befürwortet auch persönlich die bisher erfolgte Wohnbebauung im unteren Bereich, hat aber schon immer den Teil am Turmseelein etwas kritischer gesehen. Wenn man aus heutigem Kenntnisstand und angesichts neuester Planungen wie dem Wohngebiet Himmelweiher neu entscheiden müsse, „wäre die Ausgangslage sicher anders, vermutlich auch im Stadtrat”, meint Michael Knappe. Aber es bestehe nun mal ein rechtskräftiger Bebauungsplan, der nach Mehrheitswille umzusetzen sei.

Historische Argumente zum mittelalterlichen Befestigungsring Topplers mit Wallgraben und Turm sind nur ein Aspekt (archäologische Grabungen stünden an). Bei der Frage nach wirtschaftlichem Aufwand und Nutzen muss der erfolgte Grundstücksaufkauf durch die Stadt kein Schaden sein, sondern könnte als langfristige Investition in eine wertvolle Grünanlage gesehen werden. Die vom Gelände her aufwändige Erschließung für fünf Villen-Grundstücke und ein sehr dicht an die Brückenumgehung heranreichendes Mischgebiet mit Wendehammer bedeutet unterm Strich trotz Verkaufserlösen und Gebühreneinnahmen immer einen Kostenaufwand für die Allgemeinheit.

Nun wurde all dies schon damals diskutiert, abgehakt und die Debatte hat neun Jahre lang geruht. Trotzdem ließe sich der Grünumgriff als Kompromiss vermehren, wenn zumindest die obersten Bauplätze wegfielen. Die Stadt ist mehr denn je auf grüne Privatgärten und den Erhalt ökologischer Flächen angewiesen. Wobei die Bestandsqualität immer größer ist als jede Ausgleichsfläche irgendwo anders. Vor den Mauern gab es vor hundert Jahren eine überzeugend geplante „pittoreske Gartenstadt” wie sie sich noch 1936 östlich vom Galgentor bis Spitaltor auf dem Panorama von Josef Ruep plastisch darstellt. Nur kleine Reste sind davon geblieben.

Eine historische „Grün- und Klimazone oberer Philosophenweg” mit angrenzenden Kleingärten und einem östlich anschließenden Ökostreifen (sogar mit Teich) könnte die alte Idee eines Spazierweges vom Taubertal über den Philosophenweg bis zum Lindleinsee aufgreifen. Dazu trägt das Bauamt mit der Himmelweiher-Entwurfsplanung schon jetzt bei.

Ständiges Umdenken Oberbürgermeister Walter Hartl hält, wie berichtet, am gültigen Bebauungsplan von 2009 fest, vermutlich auch eine Ratsmehrheit. Ausgerechnet die Grünen geben sich mit ihrem klaren Ja zur Bebauung am wenigsten grün, wie manche ihrer Anhänger bemerken. Der Philosophenweg indes erinnert zugleich an jüngere Stadtplanungen: so war dort in den sechziger Jahren eine Umgehungsstraße vorgesehen (siehe Kasten), die aber heute fast mitten in der Stadt liegen würde. Auch mit historischem Erbe gingen einzelne Stadträte locker um: sie wollten gar die Toppler-Brücke ganz abreissen! Die schöne Gartenschau-Idee der FRV von 2002, für die Stadtbaumeister Mühleck schon eine Erstplanung vorgelegt hatte, sollte über den gesamten Philosophenweg realisiert werden und verlief im Sande.

Die letzten 50 Jahre zeigen: Stadtplanung besteht aus ständiger Neubetrachtung, verlangt anpassen, umdenken – und es braucht manchmal den Mut zu neuen Einsichten. diba


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