„Gedenkstätte im Schatten” Teil 2 – Zeugnisse der jüdischen Gemeinde bewahren
ROTHENBURG – Berichte einzelner Gemeindeglieder sowie Beiträge in jüdischen Publikationen geben ein wenig Einblick in das Leben der letzten jüdischen Gemeinde, die von 1875 bis 1938 existierte, ehe die Nazis alles jüdische Leben ausloschen. Eine sehr irreführende Friedhofs-Inschrift zur jüngeren Geschichte gehört dringend geändert.

Der neuere jüdische Friedhof (außer dem mittelalterlichen Judenkirchhof Schrannenplatz) bleibt begründet verschlossen. Fotos: diba
Bei der Führung durch den wenig bekannten jüdischen Friedhof an der Wiesenstraße wies Pfarrer Dr. Oliver Gußmann mit Recht auf einen Tatbestand hin, der im Rahmen der Geschichtsaufarbeitung so nicht bestehen bleiben sollte: Die Inschrift auf der Tafel an der Friedhofsmauer zeige einen „vertrucksten Umgang mit der Geschichte” formulierte er noch diplomatisch, denn sie lautet: „Jüdischer Friedhof – angelegt 1899, ca. 46 Gräber. Im Krieg zerstört, wieder hergestellt 1947” heißt es dort völlig irreführend.
Das liest sich so, als hätte der Friedhof auch im Dritten Reich problemlos weiterbestanden und wäre dann durch Kriegseinwirkung zerstört und nach 1945 gleich wieder hergerichtet worden! Zutreffend wäre dagegen eher eine Formulierung wie zum Beispiel: „…seit 1938 mit Vertreibung der letzten Juden verwaist und 1942/43 durch Nazis geschändet, die Grabsteine zerstört”.
Dass der Friedhof als Gedenkstätte ein Schattendasein führt hat seinen guten Grund, denn man möchte ihn aus Angst vor rechtsradikalen Umtrieben nicht unbedingt ins öffentliche Blickfeld rücken. Der ursprünglich dazugehörige Backsteinbau (das Tahara-Haus zur Leichenwaschung) ist durch Wohnnutzungen nach dem Krieg innen verändert worden, so dass eine Komplettherstellung der gesamten Friedhofsanlage heute keinen Sinn mehr machen würde.
Führung nur auf Wunsch
So bleibt es dabei, dass diese jüdische Gedenkstätte wohl nur im Einzelfall bei Führungen in einen Rundgang einbezogen wird, ansonsten bleibt das schmiedeeiserne Tor verschlossen. Zuständig für die 1971 umgestaltete (Eingang verlegt und Steinmauer westlich errichtet) Friedhofsanlage ist der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde Bayern mit Sitz in München, wobei man vor Ort für die nötigste Pflege sorgt. In den Informationen des Landesverbandes wird auch auf die sozialen Einrichtungen der jüdischen Gemeinde in Rothenburg verwiesen: „Sie bestanden aus der 1876 gegründeten Kasse zur Unterstützung armer durchreisender Juden sowie einer seit 1878 bestehenden heiligen Schwesternschaft und einer Arbeitsgemeinschaft für jüdische Geschichte.“
In seinem Vortrag zitierte Pfarrer Gußmann aus einigen jüdischen Quellen zum Gemeindeleben. Um 1924 zählte man noch 70 jüdische Gemeindeglieder, was immerhin 7,7 Prozent der Bevölkerung bei 9000 Einwohnern ausmachte. Noch 1932 vor der Machtergreifung Hitlers leitete Lehrer Siegmund Marx den Wanderunterstützungsverein für durchreisende Juden. Und 1932 war Theodor Mann (Adam-Hörber-Straße 1) der Gemeindevorsteher, Siegmund Lißberger (Kapellenplatz 2) der Stellvertreter und Joseph Wimpfheimer aus der Unteren Schmiedgasse der Schriftführer und Schatzmeister. Siegmund Marx erteilte noch bis 1932 sieben Kindern den Religionsunterricht.
Wie angesehen der Lehrer Moses Hofmann war, geht aus einem Bericht in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 8. September 1926 hervor. Darin wird auf seine 51-jährige Tätigkeit für die Gemeinde verwiesen. Bei der abendlichen im Hotel „Eisenhut“ abgehaltenen Feier habe Gemeindevorstand Theodor Mann „innige Worte der Anerkennung an den Scheidenden gerichtet, als Vorsitzende des Frauenvereins Helene Löwenthal und überreichte eine Radierung das Rathaus darstellend“. Josef Wimpfheimer, so heißt es, habe sein dichterisches Können bewiesen. Moses Hofmann starb 78jährig im Jahr 1929, wobei man im Nachruf betonte, dass er das Vertrauen und Ansehen der ganzen Bevölkerung genoß.
Gute Informationsquellen
Wenn man solche Beiträge liest, so wird einem deutlich wie selbstverständlich die Juden in die Stadtgemeinschaft integriert waren, wie friedlich und ertragreich sich das Zusammenleben gestaltete. Und doch begannen schon früh Hetze und Verfolgung. Bereits 1923 schürte die völkische NSDAP-Rednerin Ellendt den Haß und der evangelische Stadtpfarrer Fabri ließ 1924 judenfeindliche Stereotypen aufleben, wie Pfarrer Gußmann in seiner Schrift „Jüdisches Rothenburg“ feststellt. Der Bezirk Mittelfranken hat 2012 ein Buch über die Kulturgeschichte der Rothenburger Juden herausgegeben und es existieren noch weitere Publikationen, die das Thema erhellen. Lange hat es gedauert, aber nun scheint sich das Bild weiter abzurunden. diba