Prof. Dr. Bedal sieht in Diskurse-Vortrag die Stadt mit ihrer historischen Substanz als einzigartig an
ROTHENBURG – Natürlich ist Rothenburg als mittelalterliche Stadt nicht alleinstehend, sie hat durch das grenzoffene Europa als Touristenziel mehr Konkurrenz bekommen. Aber die etwas provokante Frage, ob die Tauberstadt gar ein „Sinnbild für Kitsch” sei, konnte Professor Dr. Konrad Bedal in seinem Diskurse-Vortrag beruhigend beantworten: Er spricht von einer „absoluten Ausnahmeerscheinung unter den historischen, europäischen Stadtbildern”.
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Prof. Dr. Konrad Bedal im Musiksaal bei seinem Vortrag über das gefühlte Weltkulturerbe. Foto: diba
Ob die Stadt vielleicht viel zu touristisch sei oder gar ein negatives Imageproblem hat und als historischer Ort zu sehr romantisiert wird, waren Anreißer-Thesen für den Abend in der Reihe „Rothenburger Diskurse” im Musiksaal. Der Verein Alt-Rothenburg sowie das Tourismus- und Kulturbüro hatten dazu eingeladen, die Kulturbeauftragte Eva-Carina Kelley konnte über vierzig Zuhörer im Saal begrüßen.
„Was bleibt von Rothenburg, wenn wir es mit europäischen Welterbe-Städten vergleichen?” fragte Stadtheimatpfleger Prof. Dr. Konrad Bedal in seiner Lichtbild-Präsentation. Die Stadt gelte manchesmal sogar als abfälliges Beispiel, als ob es sich nur um ein Bild in den Köpfen, aber nicht um ein original bauliches Erbe handele. In seinem Beitrag wolle er „dem nachspüren, was Rothenburg ausmacht”. Dies mit „einem kritischen, aber zugleich auch wohlwollenden Blick auf das tatsächliche Erbe Rothenburgs”.
Man habe zu fragen, ob es nicht weit mehr sei als „ein bloßes gut vermarktetes Touristenspektakel, sondern vielmehr ein durchgestaltetes und vielfältiges Stadtensemble von umfassender kulturgeschichtlicher Authentizität?“ Er wolle der Frage nachgehen, was im Vergleich mit anderen europäischen Städten bleibe. Das Besondere an Rothenburgs baulichem Erbe fasste der Referent in wesentlichen Punkten zusammen.
Einzigartige Lage am Tal
Die einzigartige Lage oberhalb der Tauber sieht er dabei als besonderes Glück an, denn ohne sie würde die Stadt kaum ihr (Teil)-Gesicht bewahrt haben (wie belanglos es dann aussehen könnte, zeigt der aktuelle Blick von der Autobahn im Osten auf den Ort). Ganz wesentlich sei der gut erhaltene Mauerring mit dem gesamten Stadtbild und eine großartige Mischung an Bauten mit repräsentativem Rathaus, die gebäudereiche Spitalvorstadt, aber auch die vielen Mühlen an der Tauber und schließlich der Wiederaufbau von den kriegszerstörten Gebäuden und Ensembles.
Zwar gebe es einige Städte wie Schwäbisch Hall mit Stadt und Fluss oder welche, die am Berg liegen wie Waldenburg, Langenburg oder Cadolzburg, aber meist nicht „in der großartigen Weise wie Rothenburg”. Im Ausland existierten inte-ressante historische Orte wie das italienische Orvieto auf dem Hügel in einer mit Rothenburg vergleichbaren Anlage. Ebenso im südlichen Frankreich finde man schöne Bergstädte. Aber das „doppelte Gesicht Rothenburgs”, einmal Ebene, einmal Tal, finde man kaum.
Professor Bedal sieht eine ganze Menge seltener Attribute. Dazu gehören der riesige historische Baubestand trotz der Kriegszerstörungen ebenso wie Einzelschätze unter den Denkmalen. Er hebt die großen, teils sehr gut erhaltenen Patrizierhäuser in der Herrngasse heraus. Auch die frühen Steinbauten und Turmhäuser wie sie bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, seien etwas Besonderes. Ein Markenzeichen ist für ihn die gut erhaltene fast ringsum führende Stadtmauer, die mit 3,4 Kilometer Länge fast alle vergleichbaren Städte übertrifft, Dinkelsbühl hat 2,4 Kilometer Länge. Lediglich Nürnberg komme mit fünf Kilometer Mauerlänge darüber. Im Fränkischen finde man die meisten ummauerten Städte Deutschlands.
Hinzu kamen Beispiele aus ganz Europa, wo ummauerte Städte wie Visby (Gotland), Carcassone in Südfrankreich mit drei Kilometer Länge oder Montagnana in Italien sowie Avila in Spanien genannt wurden. Im Resümee sei die Rothenburger Stadtmauer mit ihren Basteien und vielen Türmen durchaus einzigartig. Wesentlichen Anteil am Stadtbild habe die Dachlandschaft mit den vielen steilen Giebeldächern. Das erfordere besondere Feinfühligkeit bei Erneuerungen, wobei man die jahrhundertealten Ziegel möglichst erhalten solle. Immerhin seien 500 Gebäude in die Bayerische Denkmalliste eingetragen, in Dinkelsbühl sind es 550, wobei man dort keine Kriegszerstörungen hatte. Reizvoll werden auch die Fachwerkbauten gesehen, hier habe Rothenburg Qualität, aber es gebe auch interessante Fachwerk-Städte wie Quedlinburg.
Rathaus und Kaisersaal
Das Rathaus mit dem Markt-Ensemble hält Konrad Bedal für sehr wesentlich, hier verwies er auf die Arbeit von Dr. Karl-Heinz Schneider. Gerade der Kaisersaal sei eine Besonderheit und müsse mehr ins Bewusstsein der Rothenburger und Touristen rücken. Der könne sich ebenso im Vergleich mit Nürnberg sehen lassen wie das örtliche Spitalviertel mit dem ehemaligen Heilig-Geist-Spital. Dieses sei sogar größer als das Nürnberger Viertel.
Auch ringsum hat Rothenburg einiges zu bieten, vor allem nicht nur Mahlmühlen, sondern ebenso technische Mühlen wie beispielsweise die „vor sich hinträumende“ Hammerschmiede im Schandtaubertal, so Bedal. Sie hat eines der ältesten eingerichteten Hammerwerke. Dann sind es die vielen kleinen Kostbarkeiten in der historischen Stadt, die dazukommen. Und ganz wesentlich ist es die schlaue Entscheidung, den zerstörten Teil nach historischem Vorbild wiederaufzubauen und nicht wie andere Orte verkehrsgerecht.
Und warum ist Rothenburg dann nicht Weltkulturerbe? Das hielt Bedal für naheliegend, aber vielleicht habe man es auch gar nicht unbedingt nötig. Vielleicht habe man sich ja auch zu zögerlich und zu spät darum beworben. Ein neues Buch zähle zu den Monumenten der Menschheit unter den 800 weltweiten Bauwerken und Ensembles auch ohne den Kulturerbetitel die Stadt Rothenburg. Kulturamtschef Dr. Jörg Christöphler merkte in der Diskussion an, dass man für die politische Entscheidung eine frühzeitige Bewerbung schon ab den siebziger Jahren versäumt habe und inzwischen hätten unter der Vielzahl der Bewerber leider andere Städte den Vorrang erhalten.
Professor Dr. Bedals Fazit jedenfalls war eindeutig: Rothenburg sei ein außergewöhnliches, einzigartiges Beispiel europäischer, vom Mittelalter und der frühen Neuzeit geprägten Stadtbaukunst. Natürlich sei seine Heimatstadt Windsheim für ihn auch einzigartig, aber bei Rothenburg gehe dies in den genannten Feldern weit über eine regionale Einzigartigkeit hinaus. In der Gesamtschau stelle „die gegenwärtige Altstadt von Rothenburg mit ihrer baulichen Substanz und Einbettung von Westen her eine absolute Ausnahmeerscheinung unter den historischen Stadtbildern Europas dar“. diba
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