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Volksbad-Verkauf auf dem Prüfstand

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Gründe für viel geringeren Erlös müssen überzeugen

ROTHENBURG – Der vom Stadt­rat mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossene Verkauf des ehemaligen städtischen Volksbades sorgt derzeit für Bewegung hinter den Kulissen: ein Privatmann hat die Rechtsaufsicht eingeschaltet und nun prüft das Landratsamt, ob das Ausschlagen eines wesentlich höheren Kaufangebotes nicht mit den Grundsätzen des Kommunal- und Vergaberechts (z.B. Paragraph 75 der Gemeindeordnung) kollidiert.

Seit 1930 bis in die Siebziger war es wichtige Sozialeinrichtung der Stadt: das ehemalige Volksbad mit schönem Garten.Fotos: diba

Seit 1930 bis in die Siebziger war es wichtige Sozialeinrichtung der Stadt: das ehemalige Volksbad mit schönem Garten. Fotos: diba

Hintergrund ist die demokratische Entscheidung im Stadtrat, der sich Ende September unter drei seriösen und gleichsam interessanten Bewerbern um das Anwesen am Schrannenplatz für den benachbarten Hotelbetrieb entschieden hat – die knappe Abstimmung nichtöffentlich mit nur einer Stimme Mehrheit zeigt, wie schwer man sich tat. Bereits im Artikel vom 1. Oktober hatten wir über die großen Preisangebots-Differenzen berichtet. Nach unserer internen Information ging das Objekt für 330000 Euro weg, während es aber einen Mitbewerber gab, der eine halbe Million geboten hat. Ein Unterschied von immerhin über 51 Prozent. Daraus könnte nun ein kommunalpolitisches Lehrstück werden.

Verschenken nicht erlaubt

Nur im Einzelfall und unter Beachtung aller Umstände aber lässt sich in der Verwaltungspraxis ein Verstoß gegen den Paragraphen 75 (Veräußerung von Vermögen) der Bayerischen Gemeindeordnung konstruieren. Dort heißt es wörtlich im Absatz 3: Die Verschenkung und die unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen sind unzulässig (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung). Das ist ein heikler Punkt, denn die gängige politische Praxis lehrt uns häufig etwas ganz anderes. So zum Beispiel, wenn eine Gemeinde Betriebe ansiedeln möchte und mit „fast verschenkten“ Grundstücken lockt, um die Konkurrenz auszustechen. Da drücken dann notfalls schon mal alle Beteiligten ein Auge zu oder man findet ein raffiniertes Konstrukt, um die Schenkung nicht als solche aussehen zu lassen. Doch darum geht es hier gar nicht, sondern um die Frage, ob eine Preisdifferenz von angeblich 170000 Euro wirklich eine Vergabe an den Meistbietenden verlangt.

Dies prüft aktuell die Rechtsaufsicht des Landratsamtes (nach dem Kommunal- und Vergaberecht), und hat die Stadtverwaltung um Stellungnahme gebeten. Schließlich stehen einer theoretisch denkbaren Aufhebung des Beschlusses (den man damit als rechtswidrig deklarieren müsste und die Verwaltung zur Aufhebung veranlassen!) die Selbstverwaltung der Gemeinde und die in diesem Rahmen verbürgte Entscheidungshoheit des gewählten Stadtrates gegenüber. Auf diesen Sachverhalt weist auch Rechtsrat Michael Sommerkorn hin, der auf unsere Anfrage bestätigt, dass die Verwaltung in dieser Woche die Anfrage des Landratsamtes mit einer umfassenden Stellungnahme beantwortet. Den Stein ins Rollen gebracht hat der in Rothenburg lebende Galerist und Kunstförderer Martin Sinn aufgrund persönlicher Kontakte zur Fränkischen Akademie e.V. Nürnberg, um die es sich bei dem Meistbietenden handelt.

Architekturbüro bot mit

Der dritte unterlegene Anbieter ist ein in Rothenburg ansässiges Architekturbüro, das ein sehr überzeugendes Konzept vorgelegt hatte. Auch hier dürfte es im Interesse der Stadt liegen ein solch landesweit erfolgreich tätiges Büro möglichst in der Altstadt zu halten. Tatsächlich lagen nun aber drei interessante und angeblich fundierte Angebote vor, so dass man am liebsten allen eine Immobilie präsentiert hätte – zumal jeder Verwendungszweck gut in die Altstadt passt.

Das Hotel Schranne hat freilich besonders triftige und nachvollziehbare Gründe für den Erwerb des Nachbargrundstücks, denn es geht um die langfristige Absicherung eines anerkannt leistungsfähigen Hotelbetriebes in der Altstadt. Schon Senior Manfred Meinold hatte sich darum bemüht und nun betont sein Nachfolger Markus Meinold, dass ihm über das eingereichte Konzept hinaus am Herzen liegt „in Absprache mit der Stadt über die künftige Verwendung im Detail zu entscheiden.” Das Gelände mit den bereits rückwärtig bestehenden Parkplätzen wäre für ihn ideal, der Bau als solcher mit dem Gärtchen und Portal zur Schranne hin müsste seinen baulichen Charakter nicht verlieren, der Garten könnte erhalten bleiben.

Denkmalschutz: Mauer und Gartenportal.

Denkmalschutz: Mauer und Gartenportal.

Dabei ist wichtig zu wissen: Das alte Volksbad steht nicht unter Denkmalschutz, sondern lediglich die Gartenmauer aus Bruchsteinen mit einem Gartenportal mit vier Sonnenuhren und einer Globus-Uhr aus dem 18. Jahrhundert. Errichtet wurde das Gebäude nämlich erst 1930 und war dann als wichtige städtische Sozialeinrichtung, die Badehäuser einst darstellten, bis in die siebziger Jahre in Betrieb.

Zuletzt wurde es als Massagepraxis genutzt und ein Rundgang durch das Innere verdeutlicht, dass es hier wirklich keine historischen Mauern oder Bestände gibt, sehr wohl aber hohen Sanierungsbedarf, der beim Dach beginnt und sich mit Sanitär- und Energieversorgung sowie dem Innenausbau fortsetzt. Das Landesamt für Denkmalpflege hat interessanterweise auch nicht die Notwendigkeit eines Ensembleschutzes gesehen und das Gebäude selbst bei der Nachqualifizierung ausgenommen.

Nicht „unter Wert“ veräußert

Die Stadtverwaltung ließ ein Fachgutachten zum Wert des Anwesens erstellen und kann nun darauf verweisen, dass sich auch die vom Hotelbetrieb angebotene Kaufsumme im Rahmen bewegt, also nicht „unter Wert“ veräußert wird. Die akute Haushaltssituation der Stadt könnte in der Bewertung des Landratsamtes durchaus eine Rolle spielen. Sommerkorn hofft gespannt auf einen baldigen Bescheid.

Bei dem unterlegenen Bewerber, der Fränkischen Akademie e.V. handelt es sich um einen 1984 gegründeten gemeinnützigen Verein, der Schulträger des privaten Abendgymnasiums Nürnberg mit dem Online-Gymnasium Bayern für Personen mit Behinderung und dem Privaten Abendgymnasium Würzburg ist. Insgesamt sind es nach Auskunft des Vorsitzenden Michael Hirsch 650 Schüler. Rothenburg hätte ein weiterer Sitz werden sollen. Etliche Stadträte und die Verwaltung sahen hier eine Stärkung des Schul- und künftigen Hochschulcampus- sowie Bildungsstandortes Rothenburg.

Das Verkaufsverfahren zieht sich seit dem Ende des letzten Mietverhältnises Ende März 2014 hin. Im Oktober 2014 fiel der Grundsatzbeschluss zum Verkauf. Und danach gab es bereits am 25. Juni 2015 eine nichtöffentliche Abstimmung im Stadtrat, wobei der Verkauf an einen örtlichen Bewerber an der Patt-Situation scheiterte (12 zu 12 Stimmen, ein Stadtrat fehlte).

Die Frage, ob es nicht auch einen Sinn ergeben hätte, dieses Grundstück und Anwesen in städtischem Besitz zu behalten, hat ihre Berechtigung. Aber sie wird natürlich schnell mit dem Argument nötiger Sanierungen in Höhe von einigen hunderttausend Euro beantwortet. Dazu müsste man den fehlenden Verkaufserlös sehen – und dies vor dem Hintergrund einer schwierigen Haushaltslage.

Der Artikel 61 Bayerische Gemeindeordnung verlangt eine „sparsame und wirtschaftliche” Haushaltsführung. Die Auslegung in der Praxis erlaubt aber Spielraum ohne Ende. Es bleibt jetzt erstmal abzuwarten, wie die Rechtsaufsicht den Volksbadverkauf wertet. diba

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