Fleisch in besonderes Sprudelwasser einlegen oder mit Schimmelpilz besprühen
ROTHENBURG – Fleisch in Mineralwasser einlegen? Oder lieber mit Edelschimmel besprühen? Ein ganz anderes Erfolgsrezept praktiziert der Baske Imanol Jaca. Er verarbeitet Fleisch von alten Kühen und begeistert damit die Spitzengastronomie. Die Elite der europäischen Fleischerzeuger traf sich kürzlich in Rothenburg.
Ein reger Erfahrungsaustausch entwickelte sich unter den rund fünfundzwanzig Teilnehmern im Restaurant der Villa Mittermeier. Mit ihrer gehobenen Küche gehört die Lokalität auch ohne Stern zu den am besten ausgezeichneten Restaurants der Region. Hausherr Christian Mittermeier (49) ist die Kommunikation in überregionalen Netzwerken wichtig zur Informationsgewinnung. Auch Berufsschullehrer Hans Grum gehörte zu den Gästen.
In dem fortlaufenden Gedankenaustausch innerhalb der Spitzengastronomie fördern sich Praktiker untereinander und geben sich gegenseitig neue fachliche Anregungen. Etwa wenn es um neue Zutaten und Kochtechniken geht, aber auch um Kenntnisse oder die intensive Verarbeitung von Produkten beziehungsweise das Schaffen neuer Aromen. Dem Erfindungsreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Zur modernen Küche gehört neben Regionalität auch Internationalität, die Tradition und Globalität harmonisch miteinander verbindet. Warum nicht Lamm von der Frankenhöhe mit spanischer Chorizo verbinden. Oder Musmehl aus Dinkel mit Schinken von achtzehn Jahre alten Rindern aus Spanien.
Bei dem Treffen, an dem auch etliche Sterne-Köche teilnahmen, wurde gekocht, probiert, dabei viel geredet und diskutiert – über unterschiedliche Meinungen und persönliche Erfahrungen. Die unternehmerische Herausforderung, sich von der breiten Masse der Konkurrenz abzuheben, die Gäste zu begeistern und sie langfristig zu binden, eint die Gruppe. Schließlich ist der Gast sehr mündig. Er ist der Fachmann über seinen eigenen Geschmack und erwartet von einem Spitzenkoch neben selbstverständlicher Topqualität auch innovative Geschmackserlebnisse.
Stephan Otto ist ein gefragter Experte für gutes Fleisch. Zusammen mit seinen beiden Brüdern Michael und Wolfgang hat er 2004 ein Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut – zunächst in einer einfachen Garage im heimischen Heinsberg bei Köln. Interesse an Hochwertigkeit und Genuss trieb die Brüder zu akribischem Fleiß an. Tage und Nächte lang suchten sie nach den besten Rassen, Züchtern und Verfahren zur Fleischveredlung.
Inzwischen ist „Otto Gourmet“ mit vierzig festen Mitarbeitern einer der wichtigsten Fleischlieferanten für die Spitzengastronomie und den anspruchsvollen Privatgenießer. Via Internetbestellung werden durchschnittlich zwischen 150 und 600 Bestellungen pro Tag versendet. Das Fleisch stammt von Tieren aus Freilandhaltung: Pyrenäen-Lamm und Wagyu-Rind. Das Geflügelsortiment umfasst nur Tiere, die artgerecht aufgewachsen sind, erläuterte er. Den besten Beweis hierfür liefere Jean Claude Miéral, der in Kennerkreisen wie kein anderer für erstklassiges Geflügel aus der französischen Bresse- Region steht.
Dirk Ludwig, Metzgermeister und Steakexperte aus dem hessischen Schlüchtern, betreibt einen Familienbetrieb in vierter Generation und praktiziert eine besondere Methode der Fleischveredlung. Um besonders saftiges und zartes Fleich mit einer leicht mineralischen Note zu erhalten, legt er es in Behälter mit kohlensäurehaltigem Sprudelwasser ein. Dabei kommt es auf die ausgewogene Konzentration von Kohlensäure und Wasser an.
Imanol Jaca aus Galicien verarbeitet Fleisch von bis zu 18 Jahre alten weiblichen Rindern, die bestes Futter bekommen haben und dabei fett geworden sind. Er bereitete Filet des Rinds zu und konnte auch Skeptiker überzeugen. Das Fleisch ist zart und hat einen guten Geschmack mit der nötigen Rindernote. Seine Firma aus St. Sebastian im Baskenland ist Marktführer in diesem Segment. Üblicherweise werden Rinder nach zwei bis drei Jahren Mast geschlachtet, zerlegt, verkauft und gegessen. Das Fleisch dieser Tiere interessiert den Spanier nicht.
Der Schaffhauser Jungunternehmer Lucas Oechslin hat als Biotechnologe an seiner Arbeit über „Genetik der Rinderzucht“ geschrieben, und produziert jetzt Qualitäts-Rindfleisch, das er mit Edelschimmel besprüht, um so eine konstant hohe Fleichqualität zu erreichen. Nach dem Reifeprozess wird der Pilzmantel außen abgetrennt und das Fleisch bis zum Gebrauch schockgefroren.
Zu den Teilnehmern gehörte auch Vijay Sapre. Der Hamburger mit deutsch-indischen Wurzeln machte mit der Online-Autobörse Mobile Millionen durch den Verkauf an Ebay. Nun verlegt er das Esskultur-Magazin Effilee mit unterhaltsamen Geschichten übers Essen.
Auch Christian Mittermeier hat einen Namen in der Spitzengastronomie. Sein Geschäftsmodell ist breit aufgestellt, um mehrere Standbeine zu haben. Zur Villa Mittermeier gehören Hotel, Restaurant (das er mit neuem Konzept auf hohem Niveau betreibt), Kochschule und ein Weinberg. In der „Blauen Sau“ finden Veranstaltungen, Familien- und Firmenfeiern statt. In seinem Betrieb, den er gemeinsam mit Ehefrau Ulrike führt, arbeiten 35 Mitarbeiter, darunter fünf Auszubildende aus sieben Nationen mit unterschiedlichen Hautfarben und Religionszugehörigkeiten.
Mit Geschäftspartner Daniel Kübler hat er ein Beratungsunternehmen gegründet, das Veranstaltungen und Konzepte für Gastronomie, Industrie, Sport, Kultur und Sport steuert. So arbeitet der Rothenburger die „Taste Academy“ für das Unternehmen Electrolux aus. Mit der Marke AEG ist er seit langem verbunden. Er berät den Hausgerätehersteller bei Neuentwicklungen und ist ihr Botschafter auf Messen und Veranstaltungen. Als Koch und Berater kommt Christian Mittermeier viel herum: in Deutschland, Schweden oder sogar bis Südostasien. In Malaysia bekochte er die Königin. In China suchte ein Gummifabrikant, der eine Großstadt nach deutschem Vorbild bauen will, samt Hotels mit gut ausgebildetem Personal, den Rat des Rothenburger Spitzengastronomen.
Zu seinem Verständnis von Lebensmittel gehört, auch Innereien zu behandeln. Der Magen einer Ente und das Confieren, eine uralte Zubereitungsmethode, haben gemeinsam, dass sie völlig zu Unrecht ein Schattendasein führen, sagt er. „Dabei entstehen Aromen und Geschmäcker, die aber offenbar durch das Raster gelernter und gelehrter Kochmethoden gefallen sind.“ sis