Schüler der Berufsintegrationsklassen sammeln Erfahrungen durch Praktika
ROTHENBURG – Zuwachs an der Berufsschule Rothenburg – Dinkelsbühl: Seit Beginn des neuen Schulhalbjahres gibt es dort insgesamt drei zusätzliche Berufsintegrationsklassen, in denen berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge unterrichtet werden. Während sie sich zunächst vorwiegend auf das Erlernen der deutschen Sprache konzentrieren, rüsten sich die „alten Hasen“ des ersten Jahrgangs ab Herbst für die Arbeitswelt. Für sie stehen dann verstärkt Praktika auf dem Lehrplan.
Ausbildungsbörse, Verkehrserziehung, Berufsberatung, Rechtskundeunterricht, Teilnahme am Gastronomie-Projekt und selbstverständlich Deutschunterricht: Es ist ein vielseitiges Programm, das die jungen Leute aus den Berufsintegrationsklassen durchlaufen. Das Ziel ist den berufsschulpflichtigen Asylbewerbern und Flüchtlingen (16 bis 21 Jahre) das nötige Rüstzeug an die Hand zu geben, damit sie erfolgreich eine Ausbildung abschließen können. Simon Gerstlacher, Deutschlehrer und Koordinator dieser besonderen Klassen, kann über Langeweile nicht klagen. Mit den zusätzlichen Schülern ist auch sein Verantwortungsbereich gewachsen. Am Standort Rothenburg kam zu den bestehenden beiden Klassen eine weitere hinzu (Gesamtzahl: drei), in Dinkelsbühl wurden erstmals zwei Klassen eingerichtet, die im Gymnasium untergebracht wurden. In jedem Klassenverbund sind etwa 16 bis 20 Schüler. Ab September könnte in Rothenburg nochmals eine Klasse hinzukommen, erklärt Schulleiter Dr. Friedhard Nichterlein. Die räumlichen Gegebenheiten würden es erlauben. Letztlich hänge es aber auch von der politischen Lage ab, ergänzt sein Stellvertreter Rainer Mittermeier, denn in drei Monaten kann viel passieren. Momentan seien die Wartelisten aber überschaubar.

An der Berufsschule werden nun drei Klassen mit berufsschulpflichtigen Flüchtlingen unterrichtet. Fotos: Scheuenstuhl
Der Lehrplan der Berufsintegrationsklassen ist so aufgebaut, dass im ersten Jahr vor allem der Deutschunterricht im Fokus steht. Neben diesem regulären Unterricht werden die Schüler auch – salopp gesagt – mit Land, Leuten und Kultur vertraut gemacht. Hiefür holte man sich die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) als Kooperationspartner mit ins Boot. In Rothenburg werden sie durch Diplom-Sozialpädagogin Susanne Rach vertreten, die die Thematik Integration durch ihre frühere Arbeit mit Aussiedlern kennt. Für die Schüler, die ab Herbst im zweiten Schuljahr sind, geht es dann ans Eingemachte: 50 Prozent der Unterrichtszeit stehen dann für Praktika zur Verfügung. So ist es etwa am Mittwoch ab 11 Uhr, aber auch am Wochenende (etwa im Hotel oder der Gastronomie) möglich sich die Berufswelt in der Praxis anzuschauen. Auch die Schulferien können für das Schnuppern in den Traumberuf genutzt werden. Einige Schüler haben bereits Erfahrungen durch Praktika sammeln können. Diese wurden dann beispielsweise auf Eigeninitiative in den Wohngruppen organisiert. Andere Schüler wiederum, die etwa eine Aufenthaltsgenehmigung haben, jobben ab und an im Gastronomiebereich. Vereinzelt gibt es zudem Schüler, die bereits einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben. Meist profitierten sie von den zusätzlichen sechs Monaten Deutschunterricht im Vorfeld der Berufsintegrationsklasse. Bei der Wahl des Praktikums kommt die Theorie vor der Praxis. Da sich die hiesigen Berufsmöglichkeiten mitunter stark von denen im jeweiligen Heimatland unterscheiden, wird großer Wert darauf gelegt, den Jugendlichen zu zeigen, was es hier überhaupt an verschiedenen Berufen gibt, erklärt Koordinator Simon Gerstlacher, „denn die Vorstellungen der Schüler sind teilweise sehr kurios“.

Eingespieltes Team: Schulleitung, Kooperationspartner und Koordinator ziehen an einem Strang.
Auch Susanne Rach ist gefragt, den „Wunsch der Schüler mit der Realität zusammenzubringen“. Das bedeutet auch, dass man manchmal einfach das Niveau etwas herunterschrauben müsse. Die Motivation Deutsch zu lernen und einen Beruf zu finden, sei bei den Schülern indes ungebrochen, sagt Simon Gerstlacher. Bei einigen habe sich zudem die persönliche Situation im Hinblick auf die Bleibeperspektive verschärft. „Die Schüler stehen dadurch unter enormen Druck“. Hinzu komme oft auch die Erwartung der Eltern an das Kind, möglichst bald Geld zu verdienen. Eine Ausbildung würde die Jugendlichen von dieser Last befreien, da sie für die drei Jahre der Ausbildung und für zwei Jahre danach ein sicheres Bleiberecht in Deutschland haben. Trotz aller Empathie für die schwierige Situation der Jugendlichen nimmt die Schule die Anforderungen der potenziellen Ausbildungsbetriebe sehr ernst. Diese äußern deutlich, dass mögliche Auszubildende die hiesigen Wertvorstellungen teilen und in der Fachsprache firm sein müssen. „Sonst haben sie keine Chance“, erklärt Dr. Friedhard Nichterlein. Mit einer ebenso realistischen wie praxistauglichen Haltung wird auch das Thema Praktikum behandelt. Denn niemandem ist damit geholfen – am wenigsten den Schülern –, wenn diese einen Rundum-sorglos-Bewerbungsservice durch die Schule erhalten. Stattdessen setzen die Verantwortlichen auf die Eigeninitiative der Jugendlichen bei der Recherche nach möglichen Praktikumsgebern. Der Weg zum ersehnten Praktikum führt bei den Jugendlichen auch nicht so sehr über eine makellose und übertrieben kreative Bewerbungsmappe. Vielmehr müssen die Schüler als Person überzeugen. „Wichtig ist sich gut im persönlichen Gespräch zu verkaufen“, sagt Simon Gerstlacher. „Wenn das nicht klappt, dann war der Schüler einfach noch nicht so weit und man muss daran arbeiten.“ Bei denen, die diese erste Hürde gemeistert haben, erhielt die Schule durchweg positive Rückmeldungen aus dem Betrieb. Der persönliche Einsatz, das handwerkliche Können, aber auch die überraschend guten Sprachkenntnisse hat so manch einen Vorgesetzten eines besseren belehrt. „Wir freuen uns über jeden Arbeitgeber, der Vorurteile außer acht lässt und einen Praktikanten übernimmt“, erklärt Susanne Rach. Zu ihren Aufgaben gehört es, den Praktikant im Betrieb zu besuchen, mit dessen Vorgesetzten zu sprechen und herauszufinden, was passt und was nicht so gut läuft. Sie ist aber auch permanent mit Schülern und Lehrer in Kontakt.
Besonders wichtig ist es der Berufsschule deutlich zu machen, dass man nicht der Meinung sei, dass „Flüchtlinge nur Berufe mit einer niedrigen Qualifikationshürde ausüben können“, so stellvertretender Schulleiter Rainer Mittermeier. Allerdings ist es eine große Herausforderung für die jungen Flüchtlinge und Asylbewerber innerhalb von zwei Jahren auf das Niveau des „Qualis“ zu kommen. Deshalb besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die sogenannte „Berechtigung des Hauptschulabschlusses“ zu erwerben. Man möchte aber in keinster Weise mit der örtlichen Mittelschule in eine Konkurrenz um Ausbildungsplätze treten. Im Gegenteil: Von beiden Seiten zeige man sich offen, im (personellen) Austausch die Schüler beider Einrichtungen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Innerhalb der Berufsschule sollen Schüler der Fachklassen und der Berufsintegrationsklassen zunehmend in Kontakt treten. Man könne sich vorstellen, den Projekttag Gastronomie auszubauen. Ebenso möchte man aber auch abseits beruflicher Inhalte auf der menschlichen Ebene in Gesprächskreisen zusammenkommen, wünscht sich der Schulleiter. mes