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Prägende Erfahrungen

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Frauenfrühstück thematisierte Einfluss der Geschwisterpositionen

ROTHENBURG – Das Frühstückstreffen für Frauen im Theatersaal der Tagungsstätte Wildbad zog auch am vergangenen Wochenende wieder zahlreiche interessierte Frauen an. Die Referentin Maria Walther, therapeutische Seelsorgerin aus Neuendettelsau, verstand es, mit ihrem Vortrag „Meine Geschwister und ich“ die Anwesenden anzusprechen.

Gut besucht war der Theatersaal beim Frühstückstreffen für Frauen.Fotos: Vorlaufer

Gut besucht war der Theatersaal beim Frühstückstreffen für Frauen. Fotos: Vorlaufer

Karin Sackenreuter konnte zahlreiche Gäs­te begrüßen. Dabei stellte sie auch kurz die Ziele des überkonfessionellen Vereins „Frühstückstreffen für Frauen in Deutschland“ vor und sprach ihre eigenen Geschwistererfahrungen an. Für die musikalische Umrahmung sorgten vier Mitglieder der Trommelgruppe Lebenshilfe Ansbach, Station Feuchtwangen, die die Anwesenden zum Mitklatschen anregten und sehr viel Beifall erhielten.

„Egal, ob Sie zwanzig oder siebzig Jahre alt sind, die Art, wie Sie denken, fühlen, handeln, ist immer mitgeprägt worden von dem Platz, den Sie in der Geschwisterreihe hatten“. Mit diesen Worten eröffnete Maria Walther ihren interessanten Vortrag. Mit ein paar Beispielen versucht sie die Thematik deutlich zu machen.

Anstrengend von Geburt an

Bei einem Beratungsgespräch kam eine Frau zu ihr, die sich völlig überfordert sah. Die gemeinsamen Gespräche machten deutlich, dass sie das jüngste von drei Geschwistern war und immer ihren Wert beweisen wollte. In einem anderen Beispiel führte die Referentin eine Frau an, die Probleme mit sich und anderen hatte. Es stellte sich heraus, dass sie die Älteste in ihrer Familie war. Den jüngeren Bruder beschrieb sie als äußerst anstrengend von Geburt an. Aus dieser Situation zog die ältere Schwester den Schluss, ich muss brav sein.

Maria Walther berichtete vom Gespräch mit einer Frau, die ein Einzelkind war. Egal, ob es sich um Spielzeug oder ein Kinderfahrrad gehandelt habe, es hieß immer: für ein einzelnes Kind lohnt sich das nicht. Sie habe ihr ganzes Leben gekämpft gegen dieses Gefühl „es lohnt sich nicht für mich“.

„Vielleicht habe ich mit diesen Beispielen den Zusammenhang deutlich machen können zwischen dem, was wir als Kinder erlebt haben an unserem Geschwisterplatz und dem Leben, das wir heute leben“, sagte die Referentin.

Die Trommler der Lebenshilfe brachten die Gäste zum Mitklatschen.

Die Trommler der Lebenshilfe brachten die Gäste zum Mitklatschen.

Sie stellte fünf Geschwisterpositionen vor: ältestes, zweites, drittes, jüngstes Kind und Einzelkind. Und wo Zwillinge sind, könne man auch beobachten, dass eins der Zwillinge die Rolle des älteren Kindes übernehme. Schwierig werde es dann, wenn sich die Wege trennen würden, dann müsse so jemand entweder lernen, selbst sein Leben zu gestalten, was mühsam sei, oder einen Partner suchen, der diese Rolle übernimmt.

„Was mir noch ganz wichtig ist, bevor ich jetzt diese verschiedenen Geschwis-terpositionen beschreibe, ist die Bemerkung, es geht nicht um Regeln und Festlegung, sondern es geht um Ähnlichkeiten, Tendenzen, Hinweise, die sich durch viele Untersuchungen herausgestellt haben“, betonte Maria Walther. Die Frage könne niemals sein, wie müsste ich sein als Älteste oder Jüngste oder Mittelkind, sondern immer: wie habe ich das erlebt, wie habe ich das empfunden und wie habe ich das verarbeitet.

Vom Ehe- zum Elternpaar

Damit man die Entwicklung eines Kindes verstehe, müsse man sich die Situation vorstellen, in die ein Kind hineingeboren werde. Schon in der Frühgeschichte der Menschheit sei es etwas Besonderes gewesen, ältestes Kind zu sein. Beim ersten Kind möchten die Eltern alles richtig machen, denn die Geburt eines ersten Kindes sei ein sehr einschneidendes Ereignis, wenn aus dem Ehe- ein Elternpaar werde. Erstgeborenes Kind zu sein, sei etwas Besonderes – bis das zweite komme. Dann habe das ältere Kind das Gefühl „der kleine König oder die kleine Königin wird vom Thron gestürzt“, stellte die Referentin fest.

Das zweite Kind sei von Anfang an nicht mehr so Mittelpunkt der Welt. Es sei ja schon einer vor ihm oder ihr da. Häufig werde dem zweiten Kind weniger Zeit gewidmet als dem ersten und die Aufmerksamkeit verteile sich notgedrungen auf zwei. Zwischen dem ersten und zweiten sei immer ein Wettstreit. Zweite Kinder würden sich in der Regel schneller anpassen und Kompromisse schließen, haben aber so ihre Tricks, wie sie sich vor der Verantwortung drücken könnten und trotzdem ihr Ziel erreichen.

In eine Familie mit drei Kindern sei das zweite das Mittelkind, das „Sandwich“-Kind. Es bekomme Druck von oben und von unten. Der Satz dazu heiße „zu spät geboren und doch zu früh“. Mittelkinder hätten es am schwers­ten, ihren Platz zu finden.

Die Situation, in die ein drittes Kind hineingeboren werde, sei: zwei seien schon vorher da und die hätten bereits eine Beziehung zueinander. „Das dritte ist die Dreingabe, das weckt in manchen die Aussage, ich habe es schon als Kind genossen allein zu sein.“ Dritte Kinder würden oft weniger die Zuneigung der Eltern, vielmehr sehr stark die Kontakte außerhalb der Familie suchen.

Maria Walther kam nun zum jüngsten Kind, dem „Nesthäkchen“ – zuletzt geboren, aber selten zu kurz gekommen. Wie sich die Persönlichkeitsstruktur des Jüngsten entwickele, hänge auch ab von der Haltung der anderen Familienmitglieder. Es erlebe nie eine „Entthronung“, denn es komme keines mehr nach, das ihm die Aufmerksamkeit der Eltern wegnehme, aber es habe lauter „Schrittmacher“ vor sich.

Keine Rivalität bei Einzelkind

Schließlich kam sie zum Einzelkind. Es begegne dem Vorurteil in der Gesellschaft, es sei verwöhnt. Die Situation in der es aufwachse – entweder ohne Geschwis­ter oder der Abstand sei so groß, dass keine Rivalität entstehe, begünstigt diese Entwicklung. „Ein Einzelkind erfährt viel Beachtung und niemand macht ihm seinen Platz streitig“, betonte sie. Es muss nicht teilen, muss nicht um die Gunst der Eltern kämpfen.

Niemand könne sich seinen Geschwisterplatz aussuchen, denn dieser Platz sei Gottes Geschichte mit uns. Er habe uns diesen Weg geführt, uns in dieser Familie aufwachsen lassen. „Dahinter steht Gottes Plan mit mir. Ich vertraue darauf, dass er aus dieser Lebensgeschichte etwas Brauchbares macht“, sagte die Referentin.

„Das Geschwisterthema ist wirklich eins, das uns ein Leben lang begleitet und die Geschwisterbeziehung ist normalerweise die längste unseres Lebens. Und der Platz, den wir in der Geschwis-terreihe hatten, hat Einfluss auf unser Leben, das wir heute führen, weil er immer unsere Persönlichkeit mit geformt hat“, zog Maria Walther das Resümee ihres Vortrages, für den sie lebhaften Applaus erhielt. vr


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