Ausstellung „Die Summarien Veit Dietrichs“ blendet in spannende Epoche zurück
ROTHENBURG – Es gibt Dinge, die können das Herz eines Alt-Dekans besonders erfreuen. Was bisher in einem Kellerwinkel des Pfarrhauses Rossmühlgasse vor sich hinschlummerte, von Dr. Dietrich Wünsch dort wiederentdeckt und in seiner ganzen Bedeutung aufbereitet wurde, gehört sicher dazu. Hinzu kommt, dass sich sein Fund der „Summarien Veit Dietrichs“ und die daraus entwickelte Ausstellung in der Heilig-Geist-Kirche wunderbar fügen ins allenthalben gefeierte Jubiläumsjahr der Reformation und Rothenburg hervorheben.

Ein Teil der Tafeln hängt unter den Wappen der Spital-Consule und Pfleger aus dem Rat.
Die Vernissage in dem Gotteshaus am vergangenen Samstag wäre unter diesem Aspekt sozusagen als vorgezogener Startschuss und vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte als tiefe Verbeugung der Tauberstadt vor dem Reformator und dessen Werk zu betrachten. Zum Reformationsfest in diesem Jahr, zwei Tage nach diesem Ausstellungsbeginn, haben allgemein die vielen Festlichkeiten und Veranstaltungen begonnen.
Überall dort, wo sich die lutherische Lehre durchgesetzt und in all den Jahren als Konfession behauptet hat, dürfen der große Reformator und sein Werk umfassend hochleben. Mit seiner Auffassung von Jesus als dem „fleischgewordenen Wort Gottes“ und Gottes Gnadenzusage an den (sündigen) Menschen revolutionierte Luther das Christentum zu seiner Zeit bis in unsere Tage.
In einer Epoche, als die Erfindung des Buchdrucks neue Maßstäbe setzte für die Verbreitung von Medien, sorgte er mit seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche dafür, dass sie innerhalb relativ kurzer Zeit im wahrsten Sinn des Wortes zum Volksgut werden konnte. Vorher war sie ausschließlich dem Klerus und den relativ wenigen Schriftkundigen vorbehalten.Die lutherische Bewegung hatte neben der zentralen und besonders wahrgenommenen Figur viele weitere, die ihr zum Durchbruch verhalfen. Eine davon war sicher jener Veit Dietrich (1505 bis 1549), Sohn eines Nürnberger Schuhmachers, und eine der prägenden Gestalten der fränkischen Reformationsgeschichte.
Bildnerische Darstellungen aus der Hand von Virgil Solis und Jost Ammann lassen besagten Folianten aus dem Jahr 1578 als eine Art illustrierte Glaubensfibel erscheinen und legen nahe, dass er für den Gebrauch im Spital angeschafft wurde und vor allem für die Wochenend-Gottesdienste im Einsatz war.
Seine Anschaffung war eine aus der Stadtpolitik resultierende Angelegenheit. Rothenburg wollte mit seiner Verfassung bis in die Kirche hinein ordnen. Bei dem in Leder gebundenen Buch der Spitalgemeinde handelt es sich ganz ausdrücklich nicht um eine Vollbibel, sondern um eine Art Schulbibel mit Verbildlichung zentraler Glaubenseinsichten und -grundsätze sowie mit Anleitungen zur Gestaltung der Gottesdienste.
160 große Illustrationen mit Erläuterungen umfasst das Werk. In der Ausstellung, die bis Ostern 2017 hängt, aber wegen ihres volksnahen und speziell auf Rothenburg bezogenen Ansatzes durchaus Verlängerung verdient hätte, ist eine Auswahl davon zu sehen. Auf verglasten Tafeln sind die Blätter mit ihren Illustrationen aneinandergereiht, versehen mit transformierenden Abschriften und Erläuterungen.
Mit Parallelen
Veit Dietrich wirkte vor allem durch sein „Agendbüchlein“, seine „Kinderpredigten“, die Herausgabe von Luthers „Hauspostille“ (einer Predigtsammlung) und nicht zuletzt durch seine „Summarien“ zur Bibel nachhaltig für die Verbreitung und Konsolidierung reformatorischer Lehre in Gottesdienst, Unterricht und häuslicher Andacht.
Er hatte in Wittenberg studiert, war Luthers Sekretär und seit 1535 Prediger an der Nürnberger Hauptkirche St. Sebald (und damit – auch das eine bemerkenswerte Paralelle – einer der Vorgänger des später hier tätigen Pfarrers Peter Noack. Er war in den ersten Jahren der Bildung eines evangelischen Kirchenwesens für Rothenburg einer der wichtigsten Berater und Helfer unseres Rates. Unter anderem konnte er 1548 Primus Truber, den später so genannten “Martin Luther Sloweniens”, der in Nürnberg Zuflucht gesucht hatte, nach Rothenburg zum Dienst an die Spitalkirche vermitteln.
Bei der Vernissage, zu der Pfarrer Ulrich Winkler unter anderem Dekan Hans-Gerhard Gross begrüßte, leuchtete Dr. Dietrich Wünsch in sachkundiger und dazu noch kurzweiliger Weise das damalige Umfeld des von ihm wiederentdeckten Büchleins aus. Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr ließ mit Orgel-Improvisationen zu „Ein feste Burg ist unser Gott“ und „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“ aufhorchen.

Pfarrer Ulrich Winkler dankt Dr. Dietrich Wünsch (li) für dessen Initiative und Engagement. Fotos: Weber
Was passiert jetzt mit diesem wiederentdeckten alten Buch, das nicht im besten Zustand ist? Wenn der Wunsch der Ausstellungsmacher in Erfüllung geht, dann dürfte es – durch eine Restaurierung gefestigt – in Würde weiter altern und immer wieder die Gelegenheit wahrnehmen, an eine lange, spannende und spannungsgeladene Geschichte zu erinnern, sagte Dr. Wünsch: „An eine Geschichte, die Orientierung verschafft, Hoffnungen begründet, Versöhnung ermöglicht, Frieden gestiftet hat.“ Bei der aber Risiken und Nebenwirkungen sorgsam zu beachten seien zur wechselseitigen Beziehung zwischen Menschen und der Bibel.
Dem Ausstellungs-Initiator wurde mit vielen anerkennenden Worten und mit Flüssigem auch zum Abschluss seiner langjährigen Tätigkeit als Moderator der Reihe zu Glaubensfragen gedankt. Für seine Frau Edith gab es einen Blumenstrauß, für seinen Sohn Helmut die Anerkennung, tatkräftig zur Schau beigetragen zu haben. Fotograf und Bildbearbeiter Willi Pfitzinger, der nicht bei der Vernissage mit von der Partei sein konnte, ernete viel Lob. -ww-