„Karneval der Tiere“ verzückte Groß und Klein
ROTHENBURG – Es ist, als säße man im Kino, nur eben mit dem Unterschied, dass der Film nicht per Licht sondern rein über die Ohren vors innere Auge tritt. Der „Karneval der Tiere” aus der Feder des berühmten französischen Romantikers Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) ist ein spaßiges Klangabenteuer, erst recht wenn es von einem so vorzüglichen Orchester wie der Russischen Kammerphilharmonie aus St. Petersburg in Szene gesetzt wird.
Die „große Klassik für kleine Hörer“, dargeboten von „Kunst Kultur Korn“ in Zusammenarbeit mit dem „Rothenburg Tourismus Service“, verzückte. Weit über 300 Zuhörer fesselte das tierische Klangvergnügen im Rahmen des Rothenburger Märchenzaubers. Groß und Klein strahlten über den vielfältigen Humor dieses Werkes, fasziniert von der betörenden Bildkraft, die Saint-Saëns aus tonmeisterlicher Raffinesse und ausgeklügelten Orchesterfarben entwickelt hat.

Orchester mit feinem Klang: Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg. Fotos: Düll
So kindgerecht und immer wieder befreit lustig diese Suite ist, so wenig lässt sie sich als naiv abtun. Dafür gibt es selbst für erwachsene Ohren und für Musikkenner zu viel darin zu entdecken – Fabelhaftes wie Lästerliches. Prima, wenn dann noch – wie in diesem Fall – die Zwischentexte ein nobler Spötter wie Loriot verfasst hat. Doch der Reihe nach: Zunächst versüßte das Orchester die Wartezeit bis zum Karnevals-Treiben mit feinem Klangkonfekt, darunter eine Instru- mental-Variation von Mozarts Vogelfänger-Arie sowie Rimski-Korsakows „Hummelflug“. Nicht nur letzterer riss die Hörer schon früh zu Begeisterungsstürmen hin. Von den ersten Takten an bestachen die Petersburger unter Dirigent Juri Gilbo als ein Orchester, das aus Eleganz und beseelter Grundwärme heraus brillant strahlen und völlig entspannt komisch sein kann.
Und dabei stand das Eigentliche noch bevor. Aus dem Blickwinkel einer „Waldameise auf der Schulter eines Erdferkels” fieberten die Zuhörer zusammen mit „4791 Tieren” der Vorstellung entgegen, wie es der von einem Sprecher lebendig vorgetragene Begleittext ausmalte.
Der ist so wie man es von Loriot kennt: lustig überzeichnend, immer ein wenig liebevoll spitzzüngig und darin der Musik nicht unähnlich. Saint-Saëns zieht in seiner Partitur alle Register. Tastenlöwen brüllen, Streicher fauchen in schnellen, bisweilen chromatischen Triolenläufen. An Abwechslung, ja an Kontrasten mangelt es nicht. Nach dem Marsch des Königs der Tiere lässt das Orchester sogleich das Federvieh flattern, natürlich hoch musikalisch und mindestens so kunstvoll, wenn auch nicht ganz so ironisch wie es der Text beschreibt: „eine Pyramide aus 77 gutgewachsenen Hühnern“, gekrönt von „einem Hahn im Kostüm des Kaisers Napoleon“.

Groß und Klein begeisterte das Klassikkonzert im Rahmen des Rothenburger Märchenzaubers in der Kornhalle.
Ob pianistisches Virtuosenstück, Orchester-Szene oder Cello-Romanze zwischen Seligkeit und Wehmut – sie alle wirken wie Bilder, Bilder, die das Laufen nicht erst zu lernen brauchen. Mal rasen sie windeseilig wie Steppentiere dahin oder zelebrieren die Langsamkeit wie beim Schildkröten-Ballett. Jacques Offenbachs berühmter Cancan grüßt in Zeitlupe aus dem Vexierspiegel. Lustig macht sich Saint-Saëns auch über kunstlos Etüdenhaftes. Zum Finale treten noch einmal alle Tiere in rasanter Folge auf, eine ebenso bravourös komponierte wie interpretierte Collage. Nachdem Schlussakkord fegt den Musikern ein wahrer Jubelsturm entgegen. Sie bedanken sich mit einer mitreißenden „Petersburger Schlittenfahrt“ und einer Reprise des letzten Karneval-Satzes. Der lässt sich liebend gern auch zweimal hören. hd