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Die Herausforderung gesucht

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Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr steht kurz vor dem Wechsel nach München

ROTHENBURG – Er prägte die Rothenburger Kirchenmusik über zwei Jahrzehnte hinweg. Zum 1. Februar tritt Ulrich Knörr das Amt des Landeskirchenmusikdirektors der ELKB in München an. Vor seinem Abschied hat er sich mit uns darüber unterhalten, was er von seiner bisherigen Wirkungsstätte vermissen wird, was ihn in der Landeshauptstadt erwartet und warum ein Wiedersehen nicht ausgeschlossen ist.

Kein Abschied für immer: Ulrich Knörr an der Truhenorgel in St. Jakob. Foto: Scheuenstuhl

Kein Abschied für immer: Ulrich Knörr an der Truhenorgel in St. Jakob. Foto: Scheuenstuhl

Wie ist ihre Gefühlslage so kurz vor dem Abschied aus Rothenburg?

Knörr: Ich komme im Moment gar nicht dazu, so viel darüber nachzudenken, weil jetzt einfach noch sehr viel Bewegung drin ist. Ich möchte auch schauen, dass das, was ich noch tun kann, erledigt wird. Es gibt jetzt hier ja eine kleine Vakanz von ein bis zwei Monaten. Die gilt es auch zu überbrücken, sprich zu organisieren. Ich wünsche mir, dass hier alles gut zum Abschluss kommt. Eigentlich bin ich schon in München richtig mit drin und habe auch schon manche Punkte dort zu erledigen. Das war das letzte halbe Jahr ein wenig anstrengend.

Was werden Sie beruflich und persönlich in Ihrer neuen Wahlheimat vermissen?

Knörr: Ich habe den längsten Zeitabschnitt meines Lebens, also 23 Jahre, in Rothenburg verbracht. Da wächst man irgendwo schon mit den Menschen und mit dem Ort zusammen. Die Chöre und die Menschen, die man auf der Straße trifft, das ist hier toll. Das werde ich vermissen. Die Verabschiedungen von den Menschen, die gehen deshalb jetzt schon manchmal an die Substanz. Und dann werde ich natürlich meine wunderbaren Kirchen und Orgeln vermissen. Das ist etwas ganz besonderes in Rothenburg.

Wenn so vieles für Rothenburg spricht, was hat Sie dann an der Stelle des Landeskirchenmusikdirektors gereizt?

Knörr: Es ist einfach noch einmal eine neue Herausforderung. Ich war schon sechs Jahre lang Stellvertreter von meinem künftigen Vorgänger (Prof. Michael Lochner, Anm. d. Red.) und habe da schon einige Einblicke in das Amt gewinnen können und das hat mir ganz gut gefallen. Als Landeskirchenmusikdirektor bin ich Fachaufsicht für die 126 hauptamtlichen Kirchenmusiker in Bayern. Ich kann ihnen sicher helfen, weil ich das Geschäft sehr lange und sehr gut kenne. Ich habe jetzt 33 Jahre Berufserfahrung als Dekanatskantor, zuerst war ich zehn Jahre in Kempten und dann 23 Jahre hier. Zudem ist die Stelle auf zehn Jahre begrenzt und dann bin ich soweit, dass ich in Rente gehen werde.

Worin genau unterscheidet sich Ihr zukünftiges Amt vom jetzigen?

Knörr: Der Hauptunterschied ist wohl die Musik. Ich habe nämlich keine Chöre mehr, aber ich habe einen Anteil an der Orgelbank in der Bischofskirche St. Matthäus. Das heißt, wenn ich Zeit habe, dann kann ich spielen, aber ich muss nicht mehr. Das ist ganz gut, weil es gibt dann doch viele Wochenend-Verpflichtungen, etwa wenn man Stellenbesetzungen durchführt. Dann ist man draußen in der Landeskirche unterwegs. Deshalb ist es meiner Auffassung nach sinnvoll, dass ich keine Chöre mehr habe, denn Chorarbeit ist etwas Kontinuierliches.

Und wie sieht es mit dem administrativen Bereich aus?

Knörr: Was das Management betrifft, wird es vielleicht kein großer Unterschied sein, weil Rothenburg nicht nur ein Gemeindekantorat ist, wo man Orgelunterricht gibt und Chöre leitet. Da Rothenburg als touristische Stadt sehr öffentlich ist, hat man sehr viel Kontakt dahingehend, dass Chöre anfragen, ob sie hier mal singen können, oder dass jemand ein Orgelkonzert spielen möchte. Es ist also eine sehr verwobene Sache, die nicht nur die Gemeinde betrifft, sondern auch nach außen geht. Ein bisschen Management habe ich hier sicher gelernt.

Wie empfanden Sie ihr Arbeitsumfeld in Rothenburg.

Knörr: Ich bin froh, dass der Posaunenchor und der Jakobschor meine letzten Chöre waren, weil das war genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es war diese Mischung aus richtig großen Aufführungen, die klasse waren, aber auch ein funktionierendes Gemeindeleben. Hier kann man wirklich große Sachen im Gottesdienst gestalten, weil die Mitglieder der Chöre auch kommen. Unter den normalen bayerischen Kantoraten gehört St. Jakob zu den besten, sowohl von der Ausstattung an Räumen und Instrumenten, als auch wie sich die Leute einbringen.

Wie sieht der Bewerbungsprozess für das höchste musikalische Amt in der Landeskirche aus?

Knörr: Bis jetzt hatte die Landeskirche die Landeskirchenmusikdirektoren einfach berufen. Das war ein wenig intransparent. Bei mir war es das erste Mal, dass die Stelle ausgeschrieben worden ist und da haben sich auch, glaube ich, zwölf Leute beworben. Man wurde eingeladen zu einer Vorstellung. Und dann hat die Wahl mich getroffen. Der Landeskirchenrat hat sich einstimmig entschieden. Das Wahlverfahren ist ganz transparent gelaufen. Das war mir wichtig, weil ich früher immer gemerkt habe, wenn es sich um eine Berufung handelte, dann sind die Kollegen zuerst einmal misstrauisch.

Welche Bedeutung wurde bei dem Auswahlprozess der Musik beigemessen?

Knörr: Musik wollten sie gar keine hören, weil sie der Meinung waren, wer sich bewirbt, der muss das können. Man hat einen Vortrag halten müssen über wichtige Themen in der Kirchenmusik, die einem auf den Nägeln brennen. Das waren so 20 Minuten. Dann gab es noch ein Gespräch mit 30 Minuten, in denen man von dem Gremium befragt wurde. Da ich die Bayerische Landeskirche gut kenne, konnte ich halt auf Sachen eingehen, die bei uns jetzt momentan einfach wichtig sind.

Warum muss ein Landeskirchenmusikdirektor viel reisen?

Knörr: Wenn zum Beispiel Stellenbesetzungen anstehen, muss man Vorbesprechungen führen. Es gibt aber auch schon mal Probleme vor Ort, die man am besten dort regelt. Und ich möchte auch in der Zeit, in der ich da bin, einmal alle Kirchenmusiker an ihrem Arbeitsplatz besuchen und kennenlernen. Die eine Aufgabe ist, dass man die Kollegen betreut, die andere, dass man die Landeskirche, den Landeskirchenrat in Fragen, die in der Kirchemusik auftreten, berät. Und da ist es am besten, wenn man die gesamte Landeskirche gut kennt. Meine Kollegen kenne ich natürlich so ziemlich alle, aber ihre Arbeitsbezüge noch nicht so.

Wie ist es um den Nachwuchs in der Kirchenmusik bestellt?

Knörr: Also hier im Dekanat sind die Orgelbänke alle besetzt. Im Großen, naja, Kirche geht an sich etwas zurück, die Leute treten aus. Ich glaube evangelische Kirchenmusik studieren in ganz Deutschland nur noch etwa 300 Leute. Und wenn man überlegt, dass Bayern allein schon 126 Stellen hat, da kann man sich schon vorstellen, dass wenn man nicht für die Ausbildung wirbt, es einmal schwierig werden wird, die Stellen zu besetzen. Dadurch dass die Menschen nicht mehr so kirchlich sozialisiert sind, bekommt man auch zu dem Studium wenig Kontakt. Die Begeisterung für Musik geht aber, glaube ich, nicht zurück.

Wie sehen Sie den Wechsel im Amt des Dekanatskantors in Rothenburg?

Knörr: So eine Tätigkeit, die man als Kirchenmusiker macht, das ist keine mathematische Formel, sondern die lebt von der Person. Und ich habe da immer ein wenig Angst, dass sich die Spur einer einzigen Person zu tief eingräbt. Es ist jetzt vielleicht gut, dass es etwas Neues gibt. Meine Nachfolgerin (Jasmin Neubauer, Anm. d. Redaktion) ist jung, 34 Jahre, ist eine Frau. Das tut auch mal gut. Natürlich tut es mir leid um die Menschen, vor allem um die, die ich dann nicht mehr so oft sehe. Aber von der Sache her denke ich, kommt eine neue Bewegung, eine neue Dynamik in die Arbeit.

Worüber freuen Sie sich am meisten, wenn Sie an die vergangenen 23 Jahre in Rothenburg denken?

Knörr: Ich freue mich, dass wir jetzt Pauken haben (die als Abschiedsgeschenk für Ulrich Knörr von einem Gemeindeglied gespendet wurden, Anm. d. Red.) und die Truhenorgel anschaffen konnten. Es ist vieles einfach gut gelaufen, wo man einen Anstoß gegeben hat. Es liegt halt auch daran, dass wir zumindest in der Saison das internationale Publikum haben, das sich für Orgelmusik in unseren Kirchenräumen ansprechen lässt. Das einzige richtig neue Format war die Kirchenmusikwoche, wo man eine Woche lang jeden Abend Musik hier hatte. Manche Leute kamen dann wirklich jeden Abend. Ich bin froh, dass die Chöre mitgezogen haben.

Was erwarten Sie vom Großstadt-Leben in München?

Knörr: Also ich kenne München insofern ein bisschen, weil ich von 1979 bis 1983 dort Kirchenmusik studiert habe. Ich habe seitdem dort immer mal wieder auch Orgelkonzerte gespielt. Also die Stadt ist mir jetzt nicht völlig fremd. München hat ein bisschen den Vorteil noch, glaube ich, dass es durch das bayerische Lebensgefühl zwar eine große Stadt ist, aber es wirkt dann doch immer noch relativ überschaubar. An sich bin ich eher ein Kleinstadt-Mensch. Gebürtig bin ich aus Ansbach, dann war ich in Kempten für 10 Jahre. An sich ist so ein Lebensraum wie Rothenburg ganz gut für mich.

Das heißt, es muss jetzt kein Abschied für immer sein?

Knörr: Das bestimmt nicht. Das Grab meiner Eltern ist in Ansbach. Mein Bruder wohnt in Uffenheim. Natürlich kann man in der Großstadt in Konzerte gehen, in die Oper. Das ist klasse, das geht hier alles nicht. Das Leben ist dort aber insofern anstrengend, weil man merkt, dass soviele Menschen unterwegs sind. Das zieht schon Energien ab. Das Leben ist schneller, etwas hektischer. Es macht mir aber nichts aus und ich habe keine Angst davor. Es muss aber für mich nicht für immer sein. Deshalb kann ich mir vorstellen wenn ich in zehn Jahren in Rente gehe, dass ich wieder hierher komme. Ms


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