Quantcast
Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1548

Einsatz für altes Kulturgut

$
0
0

Bayerischer Jagdverband tagt in der Tauberstadt – Innenminister zu Gast

ROTHENBURG – Noch bevor er mit seiner inhaltlichen Arbeit auf der Landesversammlung überhaupt begann, hinterließ der Bayerische Jagdverband (BJV) bereits seine Spuren in Rothenburg. Wie es die Tradition des Landesjägertages will, pflanzte man als Geschenk an die Gastgeberstadt ein Bäumchen. Diese revanchierte sich mit einem Empfang samt  Schluck aus dem Meistertrunkhumpen. Am zweiten Tag der Zusammenkunft diskutieren die bayerischen Waidmänner in insgesamt 14 Ausschüssen über unterschiedliche Aspekte des Jagdwesens.

Lebendige Erinnerung an den Landesjägertag: Pflanzung einer Linde im Burggarten.  Foto: Scheuenstuhl

Lebendige Erinnerung an den Landesjägertag: Pflanzung einer Linde im Burggarten. Foto: Scheuenstuhl

Eigentlich wird immer dem Baum des Jahres die Ehre zuteil, als grünende Erinnerung an die Jäger in der Gastgeberstadt Wurzeln schlagen zu dürfen. Doch im Hinblick auf den Baumbestand des Burggartens fiel die Wahl heuer nicht auf die Fichte, sondern auf eine Linde – ein Baum mit besonderer Symbolik, wie Prof. Dr. Jürgen Vocke, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, betonte. Oberbürgermeister Walter Hartl freute sich über diese Verjüngung in der städtischen grünen Lunge.

„Kulturerbe Jagd“ lautet in diesem Jahr das Motto des Landesjägertages. „Die Jagd ist so alt wie die Menschheit“, erklärte Prof. Dr. Jürgen Vocke. In der heutigen Zeit des Umbruchs mit einer zunehmend verstädterten Bevölkerung sowie einer immer stärker industrialisierten Landwirtschaft ziehen sich die Menschen jedoch von der Natur zurück.

Die Wertschätzung und Akzeptanz für das Jagdwesen schwindet infolgedessen, die Herausforderungen hingegen nehmen zu. Deshalb ist die Zukunftsfähigkeit der Jagd eines der wichtigsten Arbeitsfelder des Verbandes, so sein Präsident auf der Presskonferenz. Aber auch der eigene Fortbestand muss im Auge behalten werden. In diesem Zusammenhang kritisierte Prof. Dr. Jürgen Vocke den heutzutage vorherrschenden Lebensstil des reinen Konsumierens ohne dabei Verantwortung übernehmen zu wollen. Es werde überall schwieriger, Menschen zu finden, die Ämter in Verein, Verbänden und Gruppierungen übernehmen wollen.

Momentan ist es aber um den BJV selbst recht gut bestellt. „Wir haben eine kontinuierlich steigende Mitgliederzahl“, freut sich der Präsident. Aktuell sind 48000 bayerische Jäger in dem Verband organisiert. Zudem stellt man eine generelle Verjüngung bei den Waidmännern fest und auch der Damenanteil habe „enorm zugenommen“.

Die Bevölkerung für die Jagdkultur zu sensibilisieren ist allerdings nur eine der Aufgaben des BJV. Eine ebenso wichtige ist es, sich und den Interessen der Jäger bei den Gesetzgebern Gehör zu verschaffen. Im Freistaat profitiert man dabei von einer besonderen Gemengelage: So seien laut Prof. Dr. Jürgen Vocke ein Drittel der bayerischen CSU-Landtagsabgeordneten selbst Jäger.

Innenminister Joachim Herrmann beispielsweise, der am heutigen Samstag vor den Delegierten in der Mehrzweckhalle sprechen wird, verdankten die Jäger, laut dem einstigen Richter Vocke, „sehr viel“. Es gibt dennoch rechtliche Neuerungen – nicht selten aus Brüssel – die den Jägern sauer aufstoßen. Dazu gehören die Pläne im Zusammenhang mit der Diskussion um das Waffenrecht, alle fünf Jahre die Jäger auf ihren Geisteszustand hin zu untersuchen.

In gewisser Weise gegängelt sehen sich die Hobby-Waidmänner zudem von der Vorgabe, kein über 12-prozentiges Wasserstoffperoxid mehr verwenden zu dürfen, um die Schädel von Tieren zu bleichen und haltbar zu machen, da man aus der höher konzentrierten Chemikalie Sprengstoff herstellen könnte. „Das ist ein Generalverdacht gegenüber der gesamten Mannschaft“, kritisiert der BJV-Präsident.

Wilderei nimmt zu

Im Gegensatz dazu werden wirklich Kriminelle, nämlich Wilderer, nicht für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen, so Prof. Dr. Jürgen Vocke. Obwohl der Jagdfrevel immer weiter zunimmt, werden die Verfahren gegen die Täter in der Regel wegen Geringfügigkeit eingestellt. Um dagegen ein Zeichen zu setzen, soll die Landesversammlung hierzu eine Resolution beschließen. Auch in Bezug auf das Waffenrecht, die Forstwirtschaft, das forstliche Gutachten sowie die Agrartechnik kommen im Gremium Beschlüsse zur Abstimmung.

Man sei schon ein wenig stolz als erste Großveranstaltung die neue Mehrzweckhalle nutzen zu können, lässt Präsident Vocke wissen. Alle technischen Voraussetzungen seien gegeben – lediglich an den roten Boden müsse man sich gewöhnen, so ein augenzwinkernder Kommentar. Stadtverwaltung und die Rothenburger BJV-Kreisgruppe um Vorsitzenden Johannes Schneider zolle man „großen Respekt“, schließlich begannen die Planungen für die „wichtigste Versammlung im BJV Kalender“ (so eine Pressemitteilung) während das Gebäude noch eine Baustelle war. Als Vor-Ort-Organisator bedankte sich Johannes Schneider seinerseits für die Ehre, die bayerischen Waidmänner in der Tauberstadt begrüßen zu dürfen.

Der Landesjägertag ist eine gute Möglichkeit, sich über aktuelle jagdliche Themen zu informieren und auszutauschen. Um aber Antworten auf wichtige Fragen der Jagd angesichts der sich ständig ändernden Rahmenbedingungen zu finden, braucht es einen längeren, institutionalisierten Atem. Deshalb wurde 2015 die Bayerische Akademie für Jagd und Natur in Wunsiedel gegründet. Die Einrichtung möchte Mittlerin zwischen Wissenschaft und Praxis sein. Mit 25 bis 30 wissenschaftlichen Kooperationspartnern, unter anderem auch in den USA, wurde ein internationales Kompetenznetzwerk für Natur, Wild und Jagen geschaffen. Die Forschungsergebnisse fließen anschließend direkt in die Fortbildungsprogramme ein.

Am heutigen Samstag ab 17 Uhr findet auf dem Marktplatz ein öffentliches Bläserkonzert sowie eine Jagdhunde- und Falknereivorführung statt. Der Landesjägertag endet um 19.30 Uhr mit dem internen Festabend in der Reichsstadthalle. mes


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1548

Trending Articles