Wilhelm Staudacher und Gottlob Haag wurden auf der Dialekttagung besonders gewürdigt
ROTHENBURG – „Auch in der kleinen Form wahrt er noch Größe“ sagt der Münchner Autor Josef Wittmann über Wilhelm Staudacher, der als einer der zeitkritischen Mundartautoren ebenso unvergessen bleibt wie Gottlob Haag. Besonders ihnen, aber auch ihrer Wirkung auf die Entwicklung fränkischer Mundartliteratur waren umfassende Betrachtungen bei der IDI-Tagung gewidmet.

Würdigung: Josef Wittmann (links) und Manfred Kern. Foto: Balb
Josef Wittmann hatte Staudacher bereits 1974 in Obergurgl kennengelernt, als das Internationale Dialektinstitut vorbereitet wurde. Der Rothenburger sei damals einer der älteren gewesen, der damit überraschte, dass sein Blick auf die Welt genauso kritisch war wie der von den Jüngeren.
Mit Manfred Kern bestritt er den würdigenden Freitagabend im Wildbad im Beisein von Familienmitgliedern Staudachers. „Wilhelm Staudacher – ein Rothenburger Europäer“ hieß der Titel. Als Sohn einfacher Leute habe Staudacher jeden Schritt voran mühsam erarbeiten müssen: „Seine Erfahrung mit der Arroganz der Macht und sein Leiden an den Ungerechtigkeiten der Gesellschaft und an der großzügigen Zerstörung des Lebensraums für den Profit von Konzernen ist echt gewesen und tief in den eigenen Knochen gesessen“. Das habe man den Texten angemerkt. Er sei nicht in die Falle der Anbiederung getappt, sondern habe das Gespräch gesucht, sich Meinungen angehört und manchmal „e Gschichtle erzählt” ganz bescheiden ohne Besserwisserei oder Zeigefinger. Besser als es Josef Wittmann in seinen persönlichen Erinnerungen getan hat, konnte man den Menschen Wilhelm Staudacher nicht charakterisieren. Er stellte „seine anschauliche Sprache, die Skepsis gegen Abstrakta und „den unaufgeregten, fast beiläufigen Klang trotz hellwach kritischen Blicks“ heraus.
Ein aufrichtiger Mensch
Der 1995 verstorbene Rothenburger Autor sei „ein aufrichtig lieber Mensch“ gewesen, den man gern gehabt habe. Bei der IDI-Tagung 1978 habe Staudacher ihm sein Rothenburg gezeigt und überall sei ihm die Offenheit und Verbindlichkeit im Umgang mit den Leuten als „große menschliche Qualität“ aufgefallen. Die habe auch sein literarisches Schaffen bestimmt, das Josef Wittmann dann ergänzt mit mehreren von Autor Manfred Kern gelesenen Gedichten verdeutlichte. Die Entwicklung Staudachers von seinen Anfängen 1951 über den ersten Gedichtband „Des is aa deitsch“ und „Eckstaa und Pfennbutze“ bis zur Tätigkeit als Hörspiel- und Theaterautor wurde erwähnt.
Die Mundartliterarische Reihe von Lektor und Autor Bernhard Doerdelmann im Rothenburger Verlag J.P.Peter, Gebrüder Holstein habe einiges herausgegeben. Was der Titel „Über Nei Bejter e Schroll“ bedeutet musste Manfred Kern bei seiner Lesung selbst den Dialektsprechern erläutern. Dort seien Staudachers Gedichte noch tiefgründiger, „mit philosophischem Eifer durchdacht und noch kunstvoller komponiert” nachzulesen, hob Wittmann hervor. Nach achtzehnjähriger Pause mit Vorrang für die Familie erschien 1988 „Gejcherejd“ im van Acken Verlag Krefeld. Man spüre: Staudacher habe „das Lernen an seiner Stadt nie aufgehört“, sei nie ein gefragter Experte geworden und habe doch wie kein anderer das Wesentliche durchdrungen.“
In den letzten Lebensjahren sei er glücklicher Großvater gewesen, ohne sich jemals mit dem Unrecht der Mächtigen abzufinden, habe er einsehen müssen, „dass sich der Fortschritt nicht mit Worten beeinflussen lässt“. Gedichte wie das gelesene „Immer wenn d’oe bist“ berührten. Die 1999 nach seinem Tod noch erschienene Gedichtsammlung „nononono” mit „wer“-Lyrik für den „Fränkischen Anzeiger“ verdichteten seine Position zu einer Art Aphorismen, die umfassende Einsicht ahnen ließen. Hier zeige sich seine Größe auch in der kleinen stilistischen Form.
Im Mittelpunkt stand Staudacher dann nochmals neben Gottlob Haag am Sonntag zum Abschluss der IDI-Tagung, wo es vormittags um das Erbe für die fränkische Mundartliteratur ging. Autor Helmut Haberkamm beleuchtete anhand der Arbeit des Bayreuther Dialekt-Forschers Dr. Eberhard Wagner auch die Gesamtentwicklung in Franken. Zur Mundartlyrik gehörte dabei auch das Mundarttheater. Eingegangen wurde auf das Autorenumfeld in den fränkischen Bezirken mit bekannten Namen wie Engelbert Bach, Kitzingen, oder dem Tagungsteilnehmer Walter Tausendpfund, Pegnitz. Auch das Hohenlohische wurde mit dem bereits verstorbenen Dieter Wieland aus Schwäbisch Hall einbezogen (Walter Hampele ist noch zu nennen). Fitzgerald Kusz gilt bis heute als eine fränkische Größe.
„Nedd am Meer“
„Frankn lichd nedd am Meer“ heißt Haberkamms bekannter Mundartband, der in Erlangen lebende Autor wurde in der Wagner-Arbeit ebenso hervorgehoben wie auch Manfred Kern mit seinem Buch „Baradiesischi Zeide”. Solche Beispiele zeigten auch, dass das Erbe von Staudacher und Haag (aus Wildentierbach) „angenommen, gepflegt und weiterentwickelt worden ist“. Beiden habe man mit zu verdanken, dass die literarische Mundartdichtung heute relativ gut dastehe. Ebenso jenen, die ihr eine Plattform geboten haben, vor allem das BR-Studio Nürnberg mit dem früheren Abteilungsleiter Dr. Wolfgang Buhl. Rothenburg und Hohenlohe war ihm stark verbunden, auch Gertrud Schubarts Mundart-Arbeit fand viel Gehör.
Selbst der Süddeutsche Rundfunk hat damals nachgezogen und Staudacher zu Wort kommen lassen. In den sechziger bis achtziger Jahren habe es eine „fränkische Mundartwelle” gegeben. In Dr. Wagners fränkischer Dialektforschung ist auch „vom unvergessenen Bernd Doerdelmann“ und seiner Buchreihe die Rede. Wichtig seien nicht zuletzt Dialektwörterbücher, Mundart in Musik und Theater und die Resonanz im Rundfunk.
Als zeitgenössische Mundart mit Staudacher und Haag noch am Anfang stand, habe „ein trotziger Zusammenhalt gegen das hochdeutsch-akademische Establishment und die Geringschätzung der Mundart in der öffentlichen Meinung“ existiert, heißt es im Wagner-Text. Helmut Haberkamm hat die fränkisch-hohenlohische Szene aus eigenem Erleben angesprochen und leistet selbst als Initiator und Autor des Edzerdla-Festivals in Burgbernheim, das 2018 erneut stattfindet, einen wirksamen Beitrag zum Erhalt der Mundart. Die IDI-Tagung hat im Rothenburger Wildbad viel dazu beigetragen. diba