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Ende mit Wehmut

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Im Wandel der Zeit: Ära Bäckerei Beisbart ist vorbei

ROTHENBURG – Der Entschluss war Ludwig Beisbart (68) nicht leicht gefallen. Mit Wehmut im Herzen schloss er aus Altersgründen seine Traditionsbäckerei, die der Urgroßvater 1873 in Steinach gegründet hat und von den nachfolgenden Generationen weiter ausgebaut wurde um zwei Filialen in Rothenburg und Uffenheim.

Die Beisbart-Filiale war eine Institution in der Altstadt mit sozialer Komponente. Foto: Schäfer

Die Beisbart-Filiale war eine Institution in der Altstadt mit sozialer Komponente. Foto: Schäfer

Am vergangenen Sonntag hatten die Beisbart-Läden zum letzten Mal geöffnet. Der Bäckereibetrieb war auch auf vier Rädern unterwegs und ergänzte seine Vertriebswege durch einen mobilen Verkaufswagen, um die Ortschaften in der Landwehr mit frischen Backwaren zu versorgen. Vierzehn Mitarbeiter beschäftigte der Familienbetrieb zuletzt. In den letzten Tagen gab es noch einmal viel zu tun. Die Kundschaft deckte sich zum Jahreswechsel noch einmal mit den leckeren hausgemachten Brotsorten und Blechkuchenspezialitäten ein.

In Rothenburg gehörte die Filiale in der Klostergasse nahe der Jakobskirche 34 Jahre lang zu den „Versorgungsinseln“ in der Altstadt, wie es ein Stammkunde formulierte. Hier konnte man täglich und auch am Wochenende Brot, Brötchen und Kuchen vom lokalen Handwerksbäcker haben. Es gab dort auch Lebensmittel, Zeitungen, Zigarretten, frischen Kaffee und ein geselliges Bierchen. Einheimische und Touristen gaben sich die Türklinke in die Hand zum Einkauf oder für Momente des Verweilens. Wie fünf junge Ärzte bei ihrem Rothenburg-Besuch. Die gebürtigen Inder hatten sich beim Medizinstudium in Russland kennengelernt und halten weiterhin Kontakt miteiander. Sie arbeiten in Kliniken in Jena und Neumarkt und unternahmen nun gemeinsam einen Ausflug „in die bekannte romantische Stadt“. Im Bäckerei-Café Beisbart legten sie eine Verzehrpause ein und kommunizierten in gutem Deutsch.

Ludwig Beisbart war Bäcker aus Leidenschaft. Wie schon sein Vater, sein Großvater und sein Urgroßvater. In dem Familienbetrieb drehte sich die Welt ums tägliche Brot. Und um Brötchen, Gebäck und Kuchen, die nach hauseigenen Rezepten und nach handwerklicher Tradition hergestellt wurden. Seit seiner Lehrzeit stand Ludwig Beisbart in aller Herrgottsfrühe am Stammsitz in Steinach in der Backstube. Bäckerei und Wohnhaus befanden sich unter einem Dach. Der ausgezeichnete Betrieb erhielt auch Preise für seine Spezialitäten.

Mit der Schließung endet eine 144-jährige Familientradition mangels Nachfolger. Der älteste Sohn von Ludwig Beisbart hat andere Pläne für sich. Der ausgebildete Volkswirt arbeitet als Produktionsleiter im Brothaus. Der andere Sohn ist erst 14 Jahre alt und drückt noch die Schulbank im Reichsstadt-Gymnasium. „Ich konnte nicht langer warten“, sagt Ludwig Beisbart, „ich werde auch nicht jünger.“ Im Februar begeht er seinen 69. Geburtstag. Er hat vieles geleistet und sich seinen Ruhestand redlich verdient. Die Kundschaft wird seine ganz individuellen und persönlichen Backmischungen vermissen. sis


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