Aktion „Disco-Fieber“ warnt vor Leichtsinn im Straßenverkehr
ROTHENBURG – Bei der Aktion „Disco-Fieber“ wurde den Schülern der 11. Jahrgangsstufe des Reichsstadt-Gymnasiums, und einigen Gästen von der Montessori-Schule, erneut eindrücklich vor Augen geführt, welche Folgen verantwortungsloses Verhalten als Autofahrer haben kann.

Realitätsgetreu: Mit vereinten Kräften kümmern sich die Einsatzkräfte um die beiden Unfallopfer unter den Blicken der Schüler. Foto: privat
Es ist eine Zahl, die nachdenklich macht und zum Handeln auffordert: Nahezu die Hälfte aller Verkehrsunfälle von Fahrern der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre ereignet sich an Wochen-enden, in der Nacht oder den frühen Morgenstunden. Die Polizei spricht hierbei von „Disco-Unfällen“. Die eigene Mobilität hat für die jungen Menschen einen hohen Stellenwert, gerade in der Freizeit. Demenstprechend sind sie am Wochenende häufig nachts zwischen Verabredungen, Partys und Diskotheken unterwegs.
Doch je fortgeschrittener der Abend, umso größer werden die Risiken im Straßenverkehr, ausgelöst durch Selbstüberschätzung, Gruppendynamik, hohe Geschwindigkeit, Alkohol, Übermüdung und Ablenkung, beispielsweise durch Handynutzung oder lärmende Beifahrer.
Hier setzt die Aktion „Disco-Fieber“ an, die 2003 von einer Elterninitiative ins Leben gerufen wurde. Sie will Prävention leisten durch eine positive Botschaft: „Übernimm Verantwortung für Dich und andere – Wir brauchen Dich auch morgen!“
Den jungen Menschen wird im Rahmen der Aktion aufgezeigt, welche Folgen das Eingehen von Risiken im Straßenverkehr für sie selbst, für ihre Familie, Freunde, aber auch für diejenigen hat, die zuerst an der Unfallstelle eintreffen, um zu helfen.
Zahlen und Berichte
Auch in diesem Jahr übernahm Jürgen Holstein, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Rothenburg, die Moderation. Dass nach wie vor die jungen Fahrer eine besonders gefährdete Gruppe sind, zeigte er den jungen Zuhörern im ersten Teil der Veranstaltung anhand von Zahlenmaterial. Jedoch nicht Statistiken standen im Mittelpunkt, sondern die Berichte der Einsatzkräfte. Diese machten deutlich, wie sehr das Geschehen am Unfallort nicht nur die Betroffenen, sondern auch sie selbst belastet.
Sehr eindrucksvoll und anschaulich schilderten neben Jürgen Holstein, der kurzzeitig seine Rolle als Moderator verließ und in die des Kommandanten der Feuerwehr schlüpfte, Peter Körner von der Polizei, Joachim Heldt, Rettungsassistent beim Bayerischen Roten Kreuz, und Krisenseelsorgerin Barbara Müller die Abläufe am Unfallort, insbesondere aber auch ihre persönlichen Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle während der Arbeit dort.
Diese Erfahrungsberichte aus erster Hand zeigen den Jugendlichen „schonungslos“ und nicht „im Weichspülgang“, was die Einsatzkräfte vor Ort erleben und empfinden, was wiederum die jungen Leute zum Nachdenken bringt, so Jürgen Holstein. Auch Verkehrserzieher Peter Körner ist überzeugt, dass durch das Erzählen über Selbsterlebtes aus dem Polizeialltag bei schweren Verkehrsunfällen und auch über das Überbringen von Todesnachrichten sowohl Aufmerksamkeit generiert, als auch „tiefe Betroffenheit“ bei den Jugendlichen auslöst. Zudem können die Jugendlichen bei der gemeinsamen Rettungsübung hautnah die „gute Zusammenarbeit aller Rettungsdienste erleben“.
Notfallseelsorgerin Pfarrerin Barbara Müller bekommt oft hautnah mit, was es für die Angehörigen bedeutet, wenn sie einen geliebten Menschen verlieren. Den Vorteil der Aktion „Disco-Fieber“ sieht sie vor allem darin, dass „nicht mit erhobenem Zeigefinger“, sondern mit „sehr realistischen, anschaulichen Bildern und Informationen vor tödlichem Leichtsinn am Steuer“ gewarnt wird. Auch Rettungsassistentin Birgit Danzer setzt bei der Aktion auf einen ganz bestimmten Lerneffekt: „Wenn man den Jugendlichen vor Augen führt, in welchem Zustand sie und ihr Auto sich nach einem Unfall befinden, dann nehmen sie hoffentlich den Fuß vom Gas und lassen das Auto stehen wenn sie getrunken haben.“
Realistische Bedingungen
Aufrüttelnde Fotos von verschiedenen Unfallorten mit völlig demolierten Fahrzeugen und kurze, aber durchaus drastische Filme brachten die jungen Leute zum Nachdenken, bevor sie dann auf dem Schulparkplatz bei Dunkelheit, Kälte, Wind und Nieselregen – durchaus realistische Bedingungen im Winter – schließlich das Unfall-Szenario direkt vor Augen hatten.
Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und der diensthabende Notarzt, Jan Overmans, führten dort für sie eine Rettungsübung durch, die Joachim Heldt und Jürgen Holstein abwechselnd kommentierten. Dabei wurden mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften zwei „verletzte Opfer“ (Schülerinnen der Q11) aus einem Unfallfahrzeug geborgen. Eindrucksvoll wurde dabei auch das Ineinandergreifen und Hand-in-Hand-Arbeiten der verschiedenen Helfer deutlich.
„Einzigartige Atmosphäre“
Durchweg positiv äußerten sich die Schüler zu der Aktion. So hätten die Erfahrungsberichte der Einsatzkräfte eine „einzigartige Atmosphäre“ geschaffen. Da das Unfall-Szenario „sehr realitätsnah“ gewesen sei, habe man sich schnell in die Situation hineinversetzen können, betonte ein weiterer Gymnasiast. Einer seiner Mitschüler gab zu: „Die Aktion hat mich über meine zukünftige Fahrweise zum Nachdenken gebracht.“
Das Reichsstadt-Gymnasium ist dankbar über den erneuten und wichtigen Einsatz der Beteiligten, die die Aktion überhaupt erst möglich machen und zum Teil auch ihre Freizeit dafür opfern. „Jedes Jahr bin ich wieder von dem Riesenaufwand beeindruckt, mit dem die Einsatzkräfte die Rettungsübung durchführen“, unterstreicht Gisela Heusinger-Herz, verantwortliche Lehrerin für diese Aktion am Reichsstadt-Gymnasium. „Wir hoffen sehr, dass die Schülerinnen und Schüler das, was sie bei der Aktion erlebt haben, im Gedächtnis behalten und sich im entscheidenden Moment daran erinnern“. eb/fa