Zur Karikaturen-Jubiläumsschau in der Johanniterscheune ist ein neues Buch erschienen
ROTHENBURG – Alles was Rang und Namen hat, kam zur Eröffnung der Ausstellung von Robert Hellenschmidt in die Johanniterscheune. Was zeigte, welche Wertschätzung der Rothenburger Zeitungskarikaturist und Künstler genießt – auch unter den pointiert „Getroffenen“, die von ihm mit spitzer Feder vorgeführt wurden.
Strich für Strich arbeitete sich der Zeichner Robert Hellenschmidt in den 35 Jahren seines künstlerischen Schaffens an die „Prominenz“ heran, durchforstete die Lokalpolitik nach unangenehmen Wahrheiten, um sie ironisch und spöttisch öffentlich kenntlich zu machen. Sticheln muss man als Karikaturist unbedingt, hin und wieder auch mit leichtem satirischen Degen, aber nicht unbedingt mit großem sarkastischen Schwert. Wer ins Visier genommen wurde, konnte sich damit trösten, im öffentlichen Leben existent zu sein. Man war geadelt.
Selbst „Opfer“ der spitzen Feder
Als Freund und Wegbegleiter hielt Dr. Karl-Heinz Schneider die Laudatio auf den 70-jährigen Rothenburger, der in der Werkeschau neben Karikaturen auch Grafik, Malerei und Collagen zeigt. Zur Ausstellung ist ein Buch mit dem Titel „Strichhaltig“ erschienen, der mittlerweile sechste Karikatur-Bildband des Zeichners. Dr. Karl-Heinz Schneider nutzte die Gelegenheit zu einer Grundsatzrede über künstlerische Freiheit als Vorrecht des Künstlers. Das ist umso bemerkenswerter, da er in seinen Funktionen als Stadtrat und einstiger Alt-Rothenburg-Vorsitzender selbst schon „Opfer“ der spitzen Feder wurde.
Mit unverkennbar eigenem Stil habe Robert Hellenschmidt die professionelle Karikatur auf die lokale Ebene gebracht. Seine Arbeiten erzählen ein Stück Stadtgeschichte. Die Grenze zwischen einfacher Metapher und ausgeführtem Vergleich sei fließend. „Karikaturisten haben zu allen Zeiten für sich das Recht in Anspruch genommen, ihre eigenen Vergleiche und Metaphern zu erfinden und Ereignisse durch einen Rückgriff auf vertraute Situationen zu erhellen.“ Der Künstler schrecke auch nicht vor einer deutlichen Kritik am Stadtrat und an der Verwaltung zurück, was seine persönliche Unabhängigkeit in der Sache verdeutliche.
Der Laudator griff einige Beispiele aus der Gesamtschau heraus, die einen wesentlichen Grund für die besondere Stellung des Karikaturisten zeigen. Beim Betrachten des Triptychons „Krieg-Terror-Armut“ könne man die „prophetische Anklage“ bestaunen, deren Aussage bis heute Aktualität bewahrt habe. Mit der Bildsprache des Würfelspiels zum Beschwerdeverfahren über die Vergabepraxis des Volksbad-Verkaufs zeige der Künstler „den perfekten Einsatz einer Metapher und gleichzeitig deren inhaltliche Überschreitung“.
In Karikaturen umgesetzte Mahnungen („Macht mir die Stadt nicht zur Hure“) erhebe der Künstler seinen Finger. „sich nicht ganz den Forderungen des Tourismus auszuliefern“ oder kritisiere die Praktikabilität der Parkautomanten, ablesbar an einer dargestellten überdimensionalen Gebrauchsanweisung und einem Automaten mit Beruhigungstabletten unter dem Titel „Zu Risiken und Nebenwirkungen…“
Prophetische Gabe
Als eine der besten Karikaturen nannte Dr. Karl-Heinz Schneider die 1994 erschienene Zeichung mit der Figurengruppe des Laokoon und seiner beiden Söhne, die von den Schlangen der „Schuldenentwicklung“ gewürgt werden. Von den damals dargestellten Protagonisten, OB Herbert Hachtel, Wilhelm Berger und Hermann Schönborn, ist letzterer noch im politischen Geschäft übriggeblieben „und warnt weiter“. Dr. Karl-Heinz Schneider würdigte die „beängstigende prophetische Gabe und Weitsicht“ des Künstlers, denn die Verschuldung der Stadt sei bis heute eines ihrer drängendsten Probleme.
In seinem Rückblick würdigte der Laudator auch den Kulturmacher Robert Hellenschmidt für die Korn-Veranstaltungsreihe – viele Jahre neben seiner Tätigkeit als Industriekaufmann bei dem Autohaus. Als begnadeten Banjospieler kenne man ihn schon seit den 60er Jahren. „Unvergessen sind seine an Arie Ligthart angelehnten Solostücke „St. Louis-Blues“ und „The world is waiting for the sunrise“ oder seine Jazz-Stücke im Boogie-Woogie-Stil auf dem Piano, die Robert Hellenschmidt wie selbstverständlich ohne fremde Hilfe erlernte.
Es wäre vielleicht alles anders gekommen, hätte „Karry“ Schneider seinerzeit bei einem Besuch in der Wohnung in der Adam-Hörber-Straße nicht einige Zeichenvorlagen aus dem väterlichen Bestand mitgebracht und das schlummernde Talent geweckt. Und so fügte es sich, dass Robert Hellenschmidt mit Ernst Unbehauen einen geduldigen Förderer fand, der ihn kräftig unterstützte und viel zu seiner Entwicklung beitrug.
Mit Fleiß und Ausdauer entstanden Zeichnungen, Collagen und Ölbilder seiner geliebten Heimat mit ihrer reizvollen Landschaft Lindleinsee, Blinktal, Frankenhöhe, die er 1980 zum ersten Mal in der Schrannenscheune ausstellte. Bei diesem Anlass animierte ihn Lokalredakteur Dieter Balb zu einer wöchentlichen Karikatur im „Fränkischen Anzeiger“. Ist das Thema für die nächste Zeichnung erst gefunden, beginnt der „Großkampftag“ des Karikaturisten.Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse hält bis heute an und gab den Ausschlag für die Ausstellung und das Buch zum runden Geburtstag des Künstlers.

Künstler Robert Hellenschmidt (v.li) mit OB Walter Hartl, Museumsleiter Dr. Markus Hirte und Verleger Wolfgang Schneider.
Die Rothenburger Zeitungsleser können sich ihre Wochenend-Ausgabe ohne Hellenschmidt gar nicht vorstellen, sagte Verleger und neuer Redaktionsleiter Wolfgang Schneider zu Beginn einer sehr persönlichen Rede. Es dürfte nur ganz wenige Lokal- und Regionalzeitungen geben, die sich einen Karikaturisten leisten – und unter den wenigen, die es gibt, habe wohl kaum jemand die Qalität und Kontinuität eines Robert Hellenschmidt erreicht. Über 1800 Karikaturen hat der Zeichner in 35 Jahren geschaffen: allesamt einzigartige Kunstwerke und damit echte Unikate.
Ehre, wem Ehre gebührt, dachte sich auch Oberbürgermeister Walter Hartl und drückte seinen Respekt über die Leistung einer wöchentlichen Karikatur aus und über den flotten Strich, den Robert Hellenschmidt sich über die Jahrzehnte bewahrt habe. Augenzwinkernd fügte er an, Stadtrat und Verwaltung würden sich weiterhin bemühen, dem Künstler reichlich Stoff für seine Darstellungen zu liefern.
„Hausherr“ Dr. Markus Hirte stellte mit Blick auf eine kommende Sonderausstellung über Luther einen historischen Zusammenhang zwischen dem Reformator und Robert Hellenschmidt her. Die Gemeinsamkeit besteht in ihrem Stilmittel, mit der Wirkung der Bildsprache das Bewusstsein in Gesellschaft und Politik zu schärfen.
Zum geladenen Gästekreis der Vernissage gehörte auch der Künstler Helmut Günter Lehmann. Der gebürtige Rothenburger war eigens aus Traunstein angereist. Mit einer Zeichnung über den Karikaturisten Robert Hellenschmidt hat er sich kürzlich der zeichnerischen Herausforderung gestellt, seinen geschätzten Kollegen in feingearbeiteten Strichen charakteristisch abzubilden. sis