Warum Donald Trumps Wahlsieg doch nicht so überraschend ist
ROTHENBURG – Nach dem Brexit ist es die zweite Wahl innerhalb eines Jahres, mit einem Ausgang entgegen aller Prognosen. Nicht nur große Teile der USA, sondern auch der Welt reagieren darauf mit Verwunderung: Politik-Neuling und Milliardär Donald Trump wird 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Presseschau: Die Wahl in Amerika und die Reaktionen auf das Ergebnis beherrschen die Schlagzeilen.
Günther Schuster hat dank langer familiärer und freundschaftlicher Beziehungen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten einen besonderen Blick auf die dortige Politik. Zudem ist er Präsident der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft in Westmittelfranken. Obwohl er ebenfalls einen anderen Sieger erwartet hatte, kann er das Endergebnis nachvollziehen. Und vor allem: Er sieht darin auch eine wichtige Chance für die Europäische Union.
Während nächtliche Übertragungen großer internationaler Sportereignisse fast niemanden vor den Fernseher lockt, wird die Wahl des amerikanischen Präsidenten auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland regelrecht zelebriert. Wie haben Sie die lange Wahlnacht verbracht?
Schuster: Bis Mitternacht durfte meine Frau das Fernsehprogramm bestimmen, danach habe ich mich in die Wahlberichterstattung eingeklinkt. Wie bei der letzten Wahl wechselte ich sehr schnell zu dem amerikanischen Sender CNN. Da habe ich immer die allerneuesten Trends mitbekommen. Es hat sich verhältnismäßig schnell in Richtung Trump gedreht. Um halb fünf war mir dann völlig klar, das Ding ist durch und jetzt holst du dir eine Mütze Schlaf.
Sie haben den Wahlkampf in nationalen und internationalen Medien intensiv verfolgt und stehen im ständigen Austausch mit Amerikanern. Wie sah ihre persönliche Wahlprognose aus?
Schuster: Ich habe gedacht, dass es knapp zu Gunsten von Hillary Clinton ausgehen würde. Vor allem weil ich annahm, dass sie Pennsylvania und Florida gewinnen würde, gerade weil in Florida viele spanischstämmige Einwanderer, also „Hispanics“, leben. Aufgrund der ganzen Beleidigungen von Trump ihnen gegenüber dachte ich, dass er dort nicht gewinnen würde. Doch es hat sich letztlich eine gewisse republikanische Tendenz bei den „Hispanics“ gezeigt. Diejenigen, die bereits in Amerika sind, wollen nicht, dass noch mehr von ihnen kommen.

Abwarten und Tee trinken: Amerika-Kenner Günther Schuster hält nichts von Schwarzmalerei. Fotos: Scheuenstuhl
Donald Trump hat mit seiner ungewöhnlich bis unangenehmen Art für Wirbel und Unterhaltung im Wahlkampf gesorgt. Viele Menschen dachten jedoch, dass bei aller Liebe der Amerikaner zu Außenseitern und Exzentrikern, die politikerfahrene Hillary Clinton letztlich das Rennen machen wird. Wie lässt sich der Sieg von Donald Trump denn nun erklären?
Schuster: Der Wahlkampf war geprägt von persönlichen Beschimpfungen und Hasstiraden. So etwas hat es noch nie gegeben, dass man sich gegenseitig eigentlich nur noch mit Dreck beworfen und versucht hat, die Angriffe des anderen abzuwehren. Der politische Inhalt ist an und für sich zu kurz gekommen, was ein riesiger Vorteil für Trump war. Mit den beiden Schlagworten „Change“ (zu deutsch: Wandel, Anmerkung der Redaktion) und „We will make America great again“ (zu deutsch: Wir werden Amerika wieder groß machen, A.d. Redaktion) hat er vor allem bei der unteren weißen Mittelschicht gepunktet – und in den Staaten des sogenannten „rust belt“, wo nach dem Zweiten Weltkrieg die Auto- und Stahlindustrie für Wohlstand sorgte. Die untere Mittelschicht sagt seit Jahrzehnten, es läuft nicht gut für uns, egal wer an der Macht ist in Washington. Und Trump verspricht zumindest einen Wandel, auch wenn er keinerlei Konzepte dafür hat.
Wenn es nicht um Inhalte, sondern um persönliche Angriff ging, war es dann einfach die Wahl des geringeren Übels?
Schuster: Manche haben es zwar übertrieben mit dem Vergleich der Wahl zwischen Pest und Cholera. Man muss aber auch sagen, dass die Trump-Wähler für ihn gestimmt haben, weil sie etwas verändern und dabei auch auf Washington eindreschen wollten. Und Hillary Clinton wurde von vielen gewählt, weil sie Trump als Präsidenten verhindern wollten, nicht weil sie von ihr überzeugt waren. Sie hat ja auch nichts dagegen gemacht, sich von dem korrupten Establishment zu distanzieren, im Gegenteil. Durch die Affären, die aufgekommen sind, hat sie den Leuten eigentlich gezeigt, dass sie dazugehört und mächtig mitmischt.
Angst vor staatlicher Einmischung und offene Feindseligkeit gegenüber der reichen Politiker-Kaste sind bei vielen Amerikanern tief verwurzelt. Haben die Demokraten mit jemanden wie Hillary Clinton, die eine bedeutende und gut vernetzte Politikerfamilie repräsentiert, überhaupt eine Chance gehabt?
Schuster: Clinton hätte gegen jeden anderen Republikaner eindeutiger verloren und Trump hätte gegen jeden anderen Demokraten verloren. Was allerdings oft nicht erwähnt wird: Clinton hat die meisten Stimmen bekommen, doch aufgrund des besonderen amerikanischen Wahlsystems mit Wahlmännern ist Donald Trump der Sieger. Clinton wäre die nächste Präsidentin geworden, wenn die Affären nicht gewesen wären, vor allem die Email-Affäre. Entweder ist man sehr dumm, wenn man meint, da kommt man mit durch, oder man hat die Arroganz der Macht und sagt, ich habe einen Sonderstatus und kann das machen. So etwas hätte man verhindern können. Das hätte ihr den Wahlsieg gebracht, weil sie dann nicht so angreifbar gewesen wäre.
Für Hillary Clinton ging diese Wahl weit über das politische Amt hinaus. Es war ihr persönlicher Lebenstraum Präsidentin zu werden. Was wird nun aus ihr?
Schuster: Clinton wird politisch jetzt sicherlich nichts mehr machen. Sie geht ja auch auf die 70 zu. Und der persönliche Eifer war auch ein Grund für ihre Niederlage: Es haben viele gemerkt, dass Clinton dermaßen verbissen darauf aus war ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Erst in zweiter Linie ging es ihr um das Schicksal der USA.
Selbst wenn man die Sehnsucht nach einem Wandel zum besseren nachvollziehen kann. Kann ein im Politikbetrieb völlig Unerfahrener, der gleich mit dem höchsten Amt des mächtigsten Landes der Welt betraut wird, überhaupt bestehen?
Schuster: In Amerika ist vor allem ein guter Beraterstab wichtig und welche Leute der Präsident in die Schlüsselministerien bringt. Es ist entscheidend gute Leute zu haben und auf sie zu hören. Trump selbst hat ja nur vage Vorstellungen und Sprüche. Der Präsident in Amerika ist kein Diktator auch wenn jetzt die Republikaner in beiden Häusern die Mehrheit haben. Es gibt auch sehr viele Republikaner, die nicht auf Trumps Linie sind. Die werden nicht gleich für jeden Blödsinn in seinem Sinne stimmen. Da sollte man nicht so schwarzmalen, denn ein bisschen politische Vernunft wird es hoffentlich noch geben.
Wie wird sich der Wahlkampf, in dem mit äußerst harten Bandagen gekämpft wurde, auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Amerika auswirken?
Schuster: Trump hat in seiner ersten Ansprache als frischgewählter Präsident natürlich sehr bescheiden getan und hat gleich versucht, Luft herauszulassen. Er hat sogar Clintons Familie gelobt. Bereits in den letzten Tagen vor Wahlbeginn hat er den braven Staatsmann gegeben. Psychologisch war das schon clever. Jetzt ist er ganz moderat und will den Versöhner machen. Aber es wird erst einmal dauern, bis die Leute den Schock überwunden haben.
Im Wahlkampf keine klare Agenda und nun mit weitreichender Macht ausgestattet.Viele Menschen machen sich darüber Sorgen, wie sich die Welt unter einem Präsidenten Trump verändern wird: Was ist nun von ihm zu erwarten?
Schuster: Man muss jetzt in jeder Hinsicht abwarten. Vor der Wahl wurde viel erzählt, so wie das immer ist in Wahlkämpfen. Trump versprach beispielsweise „Obamacare“ zurückzunehmen. Wenn er aber jetzt sagen würde, dass die 20 Millionen, die mit Ach und Krach eine Krankenversicherung bekommen haben, diese ab morgen nicht mehr haben, muss er damit rechnen, dass es abgeht im Land. Man wird auch sehen, wie er mit den Klimaverträgen umgeht, zu denen er sich kritisch äußerte.
Die Amerikaner wollten den Wandel, den meisten Staatschefs wäre Kontinuiät in Form von Hillary Clinton lieber gewesen. Wie wird sich das Verhältnis der Supermacht zur kleinen Schwester Europa verändern?
Schuster: Bei aller Ungewissheit liegt in der Präsidentschaft Trumps auch eine Chance für Europa, wenn es geschlossen gegenüber Amerika als Block auftritt. Vielleicht ist es für uns gar nicht so schlecht, dass er dann merkt, wir ducken nicht weg, sondern stehen fest da. So könnte man ein paar positive Aspekte für uns herausholen. Wir wären sicher froh gewesen, die berechenbare Clinton zu bekommen. Jetzt muss man halt das Beste daraus machen. Und Obama hat es ja richtig gesagt: „Die Sonne geht auch morgen wieder auf.“ Man muss sich einfach der Herausforderung stellen. mes