Syrischer Bundesfreiwilligendienstler hofft auf Angebot einer Festanstellung
ROTHENBURG – Der junge Syrer Almutasem Bellah Al-Fayad (31), besser bekannt unter seiner Abkürzung Abu Hashim, ist einer der Geflüchteten aus dem Bürgerkriegsland, der hart daran arbeitet, die Sprachbarriere zu überwinden und sich zu integrieren, um am öffentlichen Leben in Deutschland teilzuhaben. Er ist gut ausgebildet, motiviert und hat ein freiwilliges soziales Jahr absolviert, um weiter zu lernen.
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Abu Hashim mit Susanne Schulz und Gabi Sommerkorn vom Kleiderkammerteam. Foto:sis
In dieser Funktion war der junge Mann für viele andere Flüchtlinge eine wichtige Anlaufstelle und hatte eine teilweise recht interessante Vermittlerrolle zwischen Deutschen und Migranten. Neben seiner Muttersprache Arabisch spricht Abu Hashim Englisch, das er während der Schulzeit und im Studium gelernt hat, und inzwischen auch gut Deutsch. Er könnte arbeiten und Steuern zahlen, anstatt auf Unterstützung angewiesen zu sein. Aber das ist gar nicht so einfach. Er sucht eine Festanstellung. Sie ist wichtig für seinen weiteren Flüchtlingsstatus beziehungsweise für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, um unbefristet arbeiten zu können.
Nachweis erbringen
Seit Monaten beschäftigt deutsche Verwaltungsgerichte die Frage, welcher Schutzstatus syrischen Flüchtlingen zuerkannt werden muss. Nachdem Geflohene aus dem Bürgerkriegsland in den vergangenen Jahren fast immer als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anerkannt wurden, vergibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) seit 2016 immer öfter nur noch den sogenannten Schutzstatus. Die veränderte Praxis hat zu zahlreichen Klagen geführt. Mehr als 30000 Syrer gehen bundesweit gegen die Entscheidungen des Bamf vor.
Die Entscheidung dreht sich im Kern um die Frage, ob den Kriegsflüchtlingen bei einer Rückkehr nach Syrien grundsätzlich politische Verfolgung, Festnahme oder Folter droht. Nur in diesen Fällen können sie als Flüchtlinge anerkannt werden. Ist der Nachweis erbracht, wenn Menschen vor dem Krieg aus Syrien geflohen sind? Oder muss das im Sinne des Bamf zunächst individuell überprüft werden?
Die veränderte Entscheidungspraxis der Bundesbehörde fällt mit den Verschärfungen des Asylpakets II zusammen, die die Bundesregierung Ende Februar 2016 durch den Bundestag gebracht hat. Die Maßnahmen sehen unter anderem vor, dass alle Antragsteller wieder angehört werden müssen. Dadurch fiel der pauschale Flüchtingsstatus für Syrer weg. Zuvor hatten syrische Flüchtlinge nicht mehr persönlich vorsprechen, sondern nur einen Fragebogen ausfüllen müssen.
Es herrscht Rechtsunsicherheit
In einer Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichtes Münster heißt es: „Die Zuerkennung der Flüchtingseigenschaft erfordere, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen politischer Überzeugung oder Religion eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte drohe“. Und weiter: „Unter den heutigen Bedingungen könne nicht länger angenommen werden, dass jedem rückkehrenden Asylbewerber Folter drohe.“
Dies, so das Gericht, sei auch angesichts von Millionen syrischer Flüchtlinge und der mehreren Hunderttausend syrischen Asylbewerber in Europa auszuschließen. „Es hieße, dem syrischen Regime ohne greifbaren Anhalt Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen werde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg fliehe“, heißt es vom Gericht, das die Revision gegen das Urteil nicht zuließ.
Geklagt hatte ein 48 Jahre alter Syrer, der in seiner Heimat sowohl von Anhängern als auch von Gegnern des Machthabers Baschar al-Assad verfolgt worden war. Er hatte arugmentiert, dass ihm im Falle seiner Rückkehr in jdem Fall Repressalien drohen würden. Nach Meinung des Gerichts könne der Syrer gegen das Urteil eine formelle Beschwerde einlegen, über die dann das Bundesverwaltungsgericht entscheiden müsse.
Seit Anfang 2017 werden nur noch etwas mehr als 30 Prozent der Syrer als Flüchtlinge anerkannt. Die Mehrzahl der Anträge wird mit subsidiärem Schutz entschieden. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine starke Schutzform, aber die Aufenthaltserlaubnis ist befristet und muss immer wieder verlängert werden. Wie sollen auf diese Weise aus Flüchtlingen feste unverzichtbare Mitarbeiter werden?
Arbeitgeber und jobsuchende Flüchtlinge kommen nach wie vor schwer zusammen. Die entscheidenden Probleme sind nicht behoben. Ein Flüchtling ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht für ein Unternehmen noch immer ein Risiko. Beispielsweise steht bis heute nicht fest, dass jemand, der geduldet ist und einen Ausbildungsplatz oder einen Job antritt, tatsächlich bleiben darf – obwohl Arbeitgeberverbände das seit Jahren fordern. Nach der Reform des Bleiberechts kann die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel eines Geflüchteten in Ausbildung oder Arbeit, verlängern, aber im Gesetz steht eben „kann“ – und nicht „muss“. Das verursacht Stress bei Betroffenen wie Arbeitgebern. Es herrscht eine große Rechtsunsicherheit auf beiden Seiten.
Abu Hashim, der in einem Geschäftshaushalt aufgewachsen ist, wollte ursprünglich auf legalem Weg mit Visum nach Deutschland einreisen. In seiner Heimat hat er Jura studiert. Nach seinem Abschluss suchte er eine Möglichkeit, dem Assad-Regime den Militärdienst zu verweigern, während der Diktator an der Macht nist. Wehrdienstverweigerern droht in Syrien Verfolgung. Der junge Mann bemühte sich um ein Ausreise-Visa. Seine älteren Geschwister haben Syrien schon vor Jahren in Richtung USA und Kanada verlassen. Der Vater ist 2010 gestorben, die Mutter lebt bei seinem Bruder in Nordamerika.
Nicht untätig rumsitzen
Abu Hashim suchte sein Heil zunächst im Libanon bei den dortigen Behörden. Angesichts der trostlosen Lage sah der syrische Wehrdienstverweigerer nur den Ausweg, Schutz als Flüchtling zu suchen. Ein deutsches Gericht hat syrischen Wehrdienstverweigerern bereits den Flüchtlingsstatus zuerkannt und entschieden: Die Betroffenen sollen mehr als nur subsidiären Schutz erhalten. Zuvor hatte es widersprüchliche Urteile gegeben.
Über lange und gefährliche Wege gelangte Abu Hashim nach Europa und schließlich nach Deutschland. Passau, Zirndorf und Erlangen waren seine Stationen, bevor er nach Rothenburg kam und zusammen mit anderen Flüchtlingen in der Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen „Bären“ eine vorläufige Bleibe fand. Der Arabischsprechende tat sich zunächst reichlich schwer mit der deutschen Sprache und der Grammatik. Er konnte sich aber gut auf Englisch verständigen.
Als ehrenamtlicher Helfer unterstützte Abu Hashim das Kleiderkammer-Team des Arbeitskreises Asyl Rothenburg. Er wollte nicht untätig rumsitzen. Die praktische Arbeit erleichterte es ihm, zwischenmenschliche Kontakte aufzubauen. Er machte erstaunliche Fortschritte und überzeugte durch sein Interesse, seine schnelle Auffassungsgabe und seinen Einsatzwillen. Deshalb erhielt er die Zusage für ein freiwilliges soziales Jahr für den Bereich der Flüchtlingsunterstützung.
Viele gelungene Beispiele
In enger Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Arbeitskreis Asyl arbeitete er in der Kleiderkammer mit, machte Hausaufgabenbetreuung in Flüchtlingsfamilien, half beim Dolmetschen, absolvierte Fahrdienste und fungierte als Ansprechpartner für kulturelle Belange. Für den Bundesfreiwilligendienst bekam er lediglich eine Aufwandsentschädigung. Die zwölf Monate sind nun abgelaufen und der junge Syrer sucht eine Festanstellung, um seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können.
Sein Jurastudium wird in Deutschland nicht anerkannt. Er müsste noch einmal ganz von vorn beginnen – ein steiniger Weg. Sein Deutsch ist noch nicht soweit, dass er an die Uni gehen und sich mit Paragraphen und Referaten beschäftigen könnte. Am liebsten wäre ihm ein Beruf, der mit Menschen zu tun hat. Sein kontaktfreudiges Naturell kämen ihm dabei zugute. Er hofft auf eine gute Zukunft und möchte lernen, was Frieden bedeutet, den er sich auch so sehr für sein Land wünscht.
Rund 130 Flüchtlinge hat der Arbeitskreis Asyl Rothenburg in der Hochphase der Migrationsbewegung betreut und damit der Willkommenskultur in der Stadt ein Gesicht gegeben. Die Ehrenamtlichen haben sich intensiv um Menschen gekümmert, die Hilfe und Schutz suchen. In einigen wenigen Fällen ist der Asylkreis mit seinen Bemühungen zu gesellschaftlicher Zusammenarbeit und zur Integration auf Unverständnis oder Ablehnung andersdenkender Menschen aus anderen Kulturkreisen gestoßen. Es gab aber auch viele gelungene Beispiele im Zusammenwirken von Einheimischen und Flüchtlingen mit schönen Erfahrungen aller Beteiligten. sis