Aktiv werden und Recht auf Beteiligung wahrnehmen
ROTHENBURG – Mit Blick auf die Europawahl im kommenden Frühjahr und die Kommunalwahlen 2020 zur Abstimmung über Bürgermeister, Kreis-, Gemeinde-, Land- und Stadträte, appellierte Oberbürgermeister Walter Hartl, der nicht mehr kandidiert, in seiner traditionellen Silvesteransprache vor dem Rathaus an die Bürger, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Demokratie sei ein hohes Gut, das immer wieder neu verteidigt werden müsse.
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OB Walter Hartl (am Pult) bei der Silvesteransprache – eingerahmt von Stadtratsmitgliedern. Foto:sis
Im kommenden Frühjahr dürfen alle Bürger der EU an die Wahlurne gehen, um das Europäische Parlament zu bestimmen. Die Wahl findet vom 23. bis 26. Mai 2019 in den voraussichtlich dann 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union statt, in Deutschland und Österreich am 26. Mai. Gewählt werden 705 Abgeordnete. Sie ist voraussichtlich die erste Wahl zum Europäischen Parlament nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU.
Kommunalpolitisch interessant
„Der Gedanke an ein vereintes Europa hat in den letzten Jahren stark gelitten“, sagte das Rothenburger Stadtoberhaupt mit Hinweis darauf, dass die Staatengemeinschaft auch stark der öffentlichen Kritik ausgesetzt ist. „Sicher, einiges scheint reformbedürftig“, so Walter Hartl, „aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass dieser gemeinsame europäische Geist zumindest in Mitteleuropa zu dem seit mehr als siebzig Jahren andauernden Frieden beigetragen hat.“
Das neue Jahr werde auch kommunalpolitisch interessant. Die Stadtrats- und Oberbürgermeisterwahl wirft ihre Schatten voraus. Die Parteien und Gruppierungen machen sich auf die Suche nach Personen, die bereit sind, sich zur Wahl zu stellen. Auch hier die Bitte des OB: „Verweigern sie sich nicht, seien sie bereit, Verantwortung zu übernehmen.“ Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, „sondern braucht Menschen, die sich engagieren. Und sie können etwas bewegen, wie sich gerade auch in diesem Jahr gezeigt hat.“
Das Jahr 2018 sei in vielerlei Hinsicht ein „Jahr der Jubiläen“ gewesen. Hartl erinnerte an die 30-jährige Städtepartnerschaft mit Susdal. Bayern konnte sogar ein Doppeljubiläum feiern: Der Erlass der Verfassung von 1818 jährte sich zum 200. Mal. Sie gewährte erstmals so wichtige Grundrechte wie die Religionsfreiheit und die Pressefreiheit. Zudem schaffte sie die Leibeigenschaft ab. „Bayern ist fortan ein Freistaat“ hieß es in der Proklamation von Kurt Eisner, dem ersten bayerischen Ministerpräsidenten. Das war vor 100 Jahren, am 8. November 1918, dem zweiten Teil des bayerischen Doppeljubiläums. A
uch auf das „Jahr des Gedenkens“ wies das Stadtoberhaupt in seiner Rede hin. Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg, den Historiker als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Es war der erste totale Krieg der Menschheitsgeschichte. Am Ende befanden sich dreiviertel der Weltbevölkerung im Kriegszustand und mehr als 17 Millionen Menschen starben. Es entwickelte sich das „Zeitalter der Extreme, das von Faschismus und Bolschewismus gekennzeichnet war.“
Die russische Revolution und Machtergreifung Lenins, der Aufstieg Hitlers und die sozialen, politischen und kulturellen Verwerfungen, die der Erste Weltkrieg nach sich zog, bildeten den Nährboden für den folgenden Zweiten Weltkrieg. In diesem Krieg starben 60 Millionen Menschen, mehr als sechs Millionen europäische Juden wurden ermordet, ebenso zigtausend Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, politisch Andersdenkende und Homosexuelle.
Aber auch 14 Millionen Deutsche wurden in der Folge des Krieges aus ihrer Heimat vertrieben. „Der Zweite Weltkrieg hat aufgezeigt, was für verheerende Auswirkungen die Missachtung der Menschenrechte nach sich ziehen kann“. Es sei deshalb kein Zufall, dass 1948, vor 70 Jahren, auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen die 30 Artikel umfassende allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet wurde.
Heute in einer Zeit, in der mit fremdenfeindlichen Parolen wieder Politik gemacht werde, erscheint es Hartl besonders wichtig, auf dieses Jubiläum hinzuweisen. „Wir sollten uns vor allem Artikel 1 dieser Charta zu Herzen nehmen, der die Gleichheit und Freiheit als Leitmotive politischer Grundwerte und die damit verbundenen Menschenbilder manifestiert.
Wirtschaft und Familie
In der Kommunalpolitik konnten „wichtige Weichen für die Zukunft unserer Stadt gestellt werden“, so Hartl. Erfreulich sei die Entwicklung des Campus Rothenburg der Hochschule Ansbach. Weges der hohen Nachfrage musste bereits ein Numerus Clausus eingeführt werden. Die derzeit bereits 240 Studierenden „machen deutlich, dass in Rothenburg ein innovativer Studiengang angesiedelt wurde.“
Mit der Ausweitung des neuen Industriegebiets und dem Spatenstich für das europäische Hauptquartier der amerikanischen Firma Teknor Apex „schaffen wir nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern unterstreichen damit, dass Rothenurg auch ein interessanter Wirtschaftsstandort ist.“ Die Entlastungsstraße sei „im Grunde fertiggestellt.“ Für die Verkehrsfreigabe fehlen nur noch die Leitplanken, „die hoffentlich im Februar nachgerüstet werden können.“ Das bestehende Gewerbegebiet sei damit leichter erreichbar. Die Döhler-Kreuzung und die Schlachthofkreuzung würden spürbar entlastet.
Durch die Erweiterung der Kindertagesstätte Herterichweg verbessert die Stadt ihr Betreuungsangebot und mit dem neuen Spielplatz am Philosophenweg unterstreiche man, dass Rothenburg eine familienfreundliche Stadt sei. Eine Vielzahl weiterer Maßnahmen trugen dazu bei, „unsere Stadt zukunftsfähig und gleichzeitig lebenswert zu machen.“
Zum Abschluss seiner Rede dankte OB Hartl dem Stadtrat „für die politische Unterstützung zu diesen wegweisenden Entscheidungen, ebenso für das konstruktiv kritische Miteinander. Auch sei es ein großes Glück, dass es viele Menschen in der Stadt gebe, die sich ehrenamtlich engagieren. „Sie haben ebenfalls einen ausdrücklichen Dank verdient.“
Ein Blechbläserensemble des Stadt-und Jugendblasorchesters unter der Leitung von Jan-Peter Scheurer zeichnete für den musikalischen Rahmen der Silvesteransprache verantwortlich. Es spielte „Danket dem Herrn“ von Karl Friedrich Schulz und zum Mitsingen „Nun danket alle Gott“ von Johann Krüger. Der Beifall des Publikums setzte den Schlusspunkt. sis