Ruheforst lockt mit in seiner Schlichtheit besonderem Begräbnis
ROTHENBURG – Kein herkömmliches Grab auf einem Friedhof in der Stadt, lieber eine Ruhebiotop in der Natur. Dafür interessieren sich inzwischen immer mehr Menschen in der Umgebung. Seit Eröffnung im Dezember 2009 wurden im Ruheforst Landhege bei Oberrimbach, ein Gemeinschaftsprojekt von Rothenburg und Creglingen, 213 Personen bestattet und 968 Grabplätze verkauft. So sind bereits 25 Prozent der vorhandenen Grabstätten veräußert. Und die Anzahl der Bestattungen pro Jahr ist steigend. Landschaftliche Lage, ebenes Gelände, ruhige Umgebung und ein vielfältiger Baumbestand machen ihn besonders.

Für Trauerzeremonien oder einfach nur zum Verweilen: Andachtsplatz mit Kreuz inmitten des Ruheforstes. Fotos: Götz
Parken. Motor abstellen. Türe auf. Dann geht es raus aus Auto und Alltag und rein in eine friedlich anmutende Atmosphäre. Rein in die Stille der Natur. Umgeben von Wald führt ein kleiner, schmaler Weg hinein in den Ruheforst. Nur ganz selten hört man es oben in den Bäumen klopfen, auf Ästen zwitschern, am Boden rascheln. Dann ist es wieder still. Und die Gedanken schweifen ab in alle Richtungen. Nach kurzem Fußweg mit fast meditativem Charakter, steht man vor einem größeren Platz mit Kreuz und Bänken. Die Andachtsstätte des Ruheforstes. Der Ort lädt zum Verweilen ein. Zum Innehalten. Zum Atmen frischer Luft und dem Geruch des Waldes.
Doch man muss weitergehen, um ihn ganz zu verstehen, den Platz im Wald, eine mögliche letzte Ruhestätte für Verstorbene. Ein angelegter Weg aus Rindenmulch führt einen tiefer in das 3,5 Hektar große, zusammenhängende Areal, was ungefähr der Größe von fünf Fussballfeldern entspricht. Schon jetzt genehmigt, ist eine Erweiterung der Fläche auf 14 Hektar. Gesäumt wird die Fläche von 350 Ruhebiotopen, die durch runde Aluminiumplaketten mit der Aufschrift LRC markiert sind. LRC, das steht für Landhege Rothenburg Creglingen. Und Ruhebiotop, das ist die Bezeichnung für die Gräber, die immer um einen zentralen Baum oder Baumstumpf liegen, der somit das Ruhebiotop als solches ausweist. Bis zu zwölf Beisetzungsplätze können mit einem Abstand von 1,5 bis 3 Metern um einen Baum liegen. Wählen kann man zwischen einem Gemeinschafts- und einem Familienbiotop. Beim Gemeinschaftsbiotop, gekennzeichnet durch gelbe Scheiben um die Plakette an der Baumrinde, können einzelne Gräber von unterschiedlichen Personen erworben werden. Gezahlt wird nur für den gewählten Platz.
Das Familienbiotop wird durch eine blaue Scheibe beschrieben. Hier erwirbt man das Nutzungsrecht am gesamten Biotop. Somit also für bis zu 12 Gräber. Alle Plätze nutzen, muss man nicht. Das Nutzungsrecht für ein Ruhebiotop kann man schon zu Lebzeiten für bis zu 99 Jahre erwerben. Die Auswahl der Ruhestätte kann ganz frei unter allen Bäumen mit Plakette erfolgen. Nicht gekennzeichnete Bäume können nicht gewählt werden. Die Kosten für die letzte Ruhestätte können je nach Beisetzungsstelle stark variieren. Für ein Einzelgrab fallen zwischen 515 und 1785 Euro an. Ein Familienbiotop kostet zwischen 2975 und 9520 Euro. Die Beträge sind einmalig zu entrichten, gelten dann für die gesamte Laufzeit. Hinzu kommt noch das Beisetzungsentgelt von 400 Euro.
Ein Grab kann auch nur ein einziges Mal belegt werden. Die eigene Urne bleibt also für immer im Ruheforst. Und das Stichwort Urne sagt es schon. Es sind keine Erdbestattungen möglich. Ganz einfach aus Rücksicht vor der Natur. Eine forstwirtschaftliche Nutzung findet auf dem „Naturfriedhof“ ebenfalls nicht statt.
Sich im Ruheforst Landhege bestatten lassen, kann grundsätzlich jeder. Der Wohnort spielt keine Rolle. Besondere Bestimmungen für die Bestattung gibt es nicht. Ganz allgemein wird die Wahlfreiheit des Ruhebiotop-Erwerbers oder auch die seiner Angehörigen nach eingetretenem Todesfall, was die Art der Beisetzung angeht, groß geschrieben.
Trauerfeiern können im Ruheforst selbst abgehalten werden, oder auch an einem externen Ort. Sie können kirchlich sein oder nicht kirchlich, mit einer Andacht versehen sein, oder komplett anonym ablaufen. Auch um die Länge der Beisetzung müsse man sich keine Gedanken machen, sagt Daniel Gros als verantwortlicher Leiter des Ruheforstes. Die könne 30 Minuten oder zwei Stunden dauern. „Das ist völlig egal“.

Kleine Tafel anstelle von großem Grabstein.
Was den Grabschmuck angeht, gelten dagegen strenge Regeln. Blumenkränze als Zeichen der Anteilnahme kurz nach der Beisetzung sind erlaubt und werden bis zu zwei Wochen liegen gelassen. Auf Grabschmuck anderer Art, in erster Linie nicht biologisch Abbaubares wie zum Beispiel Plastikteilchen, muss verzichtet werden. Auch auf Verzierungen an den Bäumen. Einzig ein kleines Täfelchen mit Namen und gegebenenfalls Herkunftsort ist erlaubt. Den Grabschmuck übernehme der Wald und die Natur, so Gros.
Bisher kann er auf einen sehr pfleglichen Umgang der Ruheforst-Besucher mit den Grabstätten verweisen. Nur einmal habe ein Wildschwein an einem frisch verschlossenen Grab nach Würmern gegraben, erzählt Gros. Mehr sei bisher aber nicht passiert. Dass ein Baum durch einen Sturm entwurzelt wird, ist da vielleicht schon wahrscheinlicher. In diesem Fall würde aber an gleicher Stelle einfach ein neuer gepflanzt werden.
Die Anzahl der Bestattungen im Ruheforst Landhege steigt stetig an. 2010, so Gros, wurden 15 Personen beigesetzt. Im Jahr 2015 waren es nun schon 57. „Aber bei all diesen Zahlen darf nicht vergessen werden, dass hinter jeder Bestattung ein individueller Mensch, ein individuelles Schicksal steht, mit dem wiederum verschiedenste Menschen verbunden sind“, betont Gros. Das zu verstehen sei ihm sehr wichtig. „Im Mittelpunkt unserer Arbeit wird immer der oder die Verstorbene stehen beziehungsweise die trauernden Angehörigen“.
Viele Veränderungen und Neuerungen wird es in naher Zukunft erstmal nicht geben im Ruheforst. Für dieses Jahr ist einzig das Aufstellen weiterer Sitzmöglichkeiten geplant. Außerdem soll der Ruheforst von einer Drohne überflogen werden, um nicht aus der Umgebung stammenden Personen eine Möglichkeit zu geben, das Waldstück durch aufbereitetes Bildmaterial kennenzulernen. Sonst braucht es auch keine Veränderung, keine weiteren menschlichen Eingriffe. Der Ruheforst lebt von seiner Symbiose mit dem Wald und der Natur.
Der Weg, der einen hineinführt in die Ruhestätte, führt einen am Ende auch wieder hinaus. Langsam verstummen die Geräusche des Waldes um einen herum. Und dann heißt es: Türe zu. Motor an. Ausparken. Rein ins Auto, rein in den Alltag. og