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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Zum Schreiben animiert

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Stadtmarketingverein prämierte die Sieger seines Kurzgeschichten-Wettbewerbs

ROTHENBURG – Interessante Geschichten und Autoren förderte der erste „Schriftsteller-Wettbewerb“ des Stadtmarketingvereins zutage. Vierzig Erwachsene und Jugendliche hatte das Thema „Rothenburger Geschichten“ zum Schreiben animiert. Das Ergebnis wurde erst bei der Preisverleihung am Donnerstagabend im Café „Lebenslust“ gelüftet – moderiert von Ariane Koziollek.

Herta Dietrich belegte den ersten Platz.

Herta Dietrich belegte den ersten Platz.

Wie in jedem Wettbewerb kann es immer nur einen Sieger geben. Die Bad Windsheimerin Herta Dietrich konnte die Jury überzeugen mit ihrer Geschichte über ein kleines Mädchen, das von seiner Mutter getrennt wurde, um es vor der Vernichtung zu retten. Die Autorin wirft einen Blick zurück. Von wegen gute alte Zeit. Dann kehrt sie zurück in die Gegenwart der Utopie, dass kein Mensch je wieder einen „Stern“ tragen sollte. Der Schluss ihrer Geschichte, in der Rothenburg ein „Juwel der Düsternis“ als auch „eine Stadt wie eine Königin“ genannt wird, bleibt offen. Schreiben ist schon lange ihre Leidenschaft. Im letzten Jahr gewann Herta Dietrich unter 400 Autoren den fränkischen Kurzgeschichten-Wett­bewerb der Nürn­berger Nachrichten, mit einer ebenso wehmütig wie lebensbejahenden Geschichte über einen jungen Mann, der aus der Zeit gefallen ist. Die Preisträgerin lebt seit 1990 in Bad Windsheim und arbeitet als medizinische Fachangestellte. Sie stammt aus Siebenbürgen und hat dort nach Abitur und Germanistik-Studium als Deutsch­lehrerin in einer rumänischen Schule gearbeitet. Sprache, Bücher und Literatur haben sie von Kindheit an interessiert. Deutsch war ihr Liebingsfach. Große Sympathien erwarb sich auch die jüngste Autorin mit ihrem zweiten Platz. Die elfjährige Schülerin Sarah Müller aus Rothenburg erzählte anschaulich und spannend die Situation, allein im Museum eingeschlossen zu sein. Als Ort wählte sie das Reichsstadtmuseum und ließ ihre Fantasiewelt einfließen, in der Exponate lebendig werden und der Meistertrunkhumpen sprechen kann. Die Nacht wird zum Erlebnis. Ihre Erzählungen über kämpfende Ritterrüstungen, musizierende Holzfiguren und zickige Porträts wecken Lust auf einen Museumsbesuch und das Interesse an der Stadtgeschichte. Den dritten Platz belegte Klaus Stuppi. Der Rothenburger Gymnasiallehrer hat einen Sagenkern ausgestaltet, nämlich den vom Spuk der „Weißen Frau aus der Bronnenmühle“. Die tragische Lebensgeschichte mit tödlichem Ausgang wurde ihm als Kind von der Zugehfrau seiner Eltern erzählt. Sie handelt vom 16-jährigen Gretchen aus armem Haus, das in Stellung war bei einem reichen Patrizier aus der vornehmen Familie derer von Winterbach. Als der Hausherr das schwangere Mädchen verstieß, kam es in der Bronnenmühle unter. Es folgt ein dickes Ende mit Kindstötung und Selbstmord. Seitdem soll eine weiße Frauengestalt immer wieder in den aufsteigenden Nebelschwaden der Tauber gesehen worden sein.

Es wurden auch zwei Ehrenpreise ausgelobt. Helmut Korder aus dem unterfränkischen Arnstein hat ein altes Rothenburger Gedicht aus der Kindheit seiner Mutter Anna Korder eingereicht. Sie hat es zu großen Familienfeiern wie an runden Geburtstagen oder Kirchweih-Einladungen im Kreise der Großfamilie gerne vorgetragen. So wurde es an den Sohn überliefert. „Zu diesem Wettbewerb habe ich es zum ersten Mal aufgeschrieben“, sagte Helmut Korder und trug die fränkische Dialektpoesie über „Dr Kilian“ vor. Seine Mutter wurde in Rödersdorf geboren und starb im Alter von 92 Jahren in Burgbernheim. Helmut Korder ist bis heute mit der Tauberstadt und dem Umland Rothenburgs eng verbunden. Er wurde 1955 in Burgbernheim geboren und besuchte von 1967 bis 1971 die Oskar-von-Miller-Realschule, erzählte der Video-Medientechniker, der am Universitätsklinikum Würzburg beschäftigt ist. Bei der Preisverleihung stellte sich heraus, dass es sich bei dem Autor des Gedichtes um den Rothenburger Schullehrer Hans Probst handelte, der von1867 bis 1941 gelebt hat. Herbert Krämer-Niedt, er gehörte zu den Mitgliedern der Jury, erinnerte an den „Dichter des kleinen Poems vom Kuckuck“, der einem armen Menschen beim Münzenzählen nicht helfen konnte. Bei dem Mundart-Gedicht über den Kilian und seine Frau handelt es sich um „kein reines Rothenburgisch“, stellte er fest, „sondern weist charakteristische Merkmale des südlich gelegenen Umlands auf und deutet schon auf das Hohenlohische hin.“ Der Inhalt des Gedichts beschreibt nach gängigem Muster eine Auseinandersetzung zwischen Eheleuten. Es entsteht ein Streit, bei dem ein Wort das andere gibt. Mit versöhnlichem Ausgang und Pointe: „Am End, do-e haddr selbr glacht.“

Blumen bekam Erika Unbehauer für die Erinnerungen an ihre Kindheit im alten Rothenburg.    Fotos. sis

Blumen bekam Erika Unbehauer für die Erinnerungen an ihre Kindheit im alten Rothenburg. Fotos. sis

Der zweite Ehrenpreis ging an die älteste Autorin. Erika Unbehauer aus Rothenburg, die demnächst 94 Jahre alt wird, hat Erinnerungen an ihre Kindheit um 1930 aufgeschrieben. Weil sie nicht mehr gut sieht, las ihre Tochter Irmgard Habel das Aufgezeichnete vor. „Jedes Kind hatte sein Schussersäckle“. Aufgewachsen ist Erika Unbehauer in der Ziegeleistraße: „Die Straße war nicht geteert, hatte keine Bäume und wenn es geregnet hatte, war sie dreckig und voller Pfützen. Pfiff der Wind, so führte er eine Staubwolke mit.“ Die Ziegelei, von der die Straße ihren Namen hatte, bot die herrlichsten Verstecke zwischen den Lattengängen, auf denen die feuchten Lehmsteine zum Trocknen lagen. Haupt- sächlich im Winter kamen die Bauernfuhrwerke, um Backsteine von der Zieglei zu holen: „Da dampften die Rösser beim Anziehen der schweren Wagen.“ Eine kleine Feldbahn brachte auf Schmalspurgleisen den gebrochenen Lehm von der Grube in Kipp­loren mit der kleinen Zugmaschine über die Schweinsdorfer Straße bis zur Ziegelei. Beim Überqueren der Gleise ließ die kleine Bahn laut ihre Pfeife schrillen. In der Lehmgrube sammelte sich Wasser zu einem kleineren oder auch größeren See, und abends war das für manche eine Verlockung zum Schwimmen. Noch gut in Erinnerung hat Erika Unbehauer auch die fleißigen Steinklopfer, die bei Hitze und Kälte ihren Hammer schwangen. Ein alter Sack diente als Kissen. Regnete es, so diente ein primitives Zeltdach als Schutz. Mit ihrem geliebten Großvater war sie viel unterwegs. Rüstig im Ruhestand fuhr er für ein Milchgeschäft aufs Land, um Milch mit Pferd und Wagen abzuholen. „Voller Stolz durfte ich auch einmal die Zügel in der Hand halten.“ Später nahm der Großvater eine Arbeit in der Dreschhalle an. Seine Aufgabe war es, den einzelnen Bauern die Zeit zu sagen, wann sie beim Dreschen an der Reihe waren. Wurde das Bindegarn weniger, so musste er dieses einkaufen. Dabei begleitete ihn die Enkelin oft und gerne. „Mit dem Handleiterwagen klapperten wir über das holprige Pflaster in die Obere Schmiedgasse zum Seilers-Huhn. Die großen Packen Bindegarn waren in Rupfen verpackt und forderten heimwärts meine ganze Kraft.“ Für eine Verschnaufpause wurde im „Ochsen“ eingekehrt. „Zwei Kipfli und für 10 Pfennig Blutpresssack hatten wir schon vorgekauft und das ließen wir uns nun schmecken. Ich durfte auch einmal am Bier nippen.“ Zur Erntezeit fuhren dann bei der Dreschhalle die schwerbeladenen Wagen mit den goldenen Garben an, und das Klappern der Dreschmaschinen begleitete die Arbeit. „Wir Kinder lungerten oft um die Wagen, beobachteten die Pferde, die mit den Mücken zu kämpfen hatten.“ Die Siedberge wuchsen vor dem „Gailhaisle“, einem kleinen, offenen Pferdestall, wo die Pferde bei Regen eingestellt wurden, um dann das Getreide heimzufahren. „Uns diente der Pferdestall zu manchen Klettereien, natürlich nur, wenn kleine Pferde eingestellt waren. Manchmal saßen wir auch auf den gepressten Strohballen in luftiger Höhe und schauten beim Dreschen zu.“ Von der Dreschhalle und der Ziegelei ist heute nichts mehr zu sehen. Viele Leute, die einst dort wohnten, sind inzwischen gestorben. „Danke alte, geliebte Straße, danke allen, die unsere Kindheit begleiteten“, betont Erika Unbehauer. Durch Erinnerungen leben Menschen in uns weiter. sis


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