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Junge Pflegefachkräfte ade?

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Absurde Asylpolitik der Regierung und ihre Folgen auf kommunaler Ebene

ROTHENBURG – Beim Thema Flüchtlinge kritisiert der Pragmatiker Hans-Peter Mattausch auch mal  die eigene Partei. Der Dinkelsbühler CSU-Stadtrat und Leiter der Berufsfachschule für Krankenpflege und Krankenpflegehilfe des kommunalen Klinikverbundes ANregiomed ist ein Mann von Statur und gerader Haltung. Wenn er Ungerechtigkeiten wittert und seine Aufgaben und die seiner Einrichtung und des Landkreises durch immer neue Regularien  – oft Verschärfungen – aus der Staatskanzlei gefährdet sieht, nimmt er kein Blatt vor den Mund.

Betroffen: Schulleiter Hans-Peter Mattausch.

Betroffen: Schulleiter Hans-Peter Mattausch.

Einem seiner besten Schüler, dem 18-jährigen Bashir aus Afghanistan, droht die Abschiebung in sein unsicheres Herkunftsland, weil die Bundesregierung es so fordert – und der Freistaat mitmacht. Welche Zukunft den jungen Afghanen in seiner Heimat erwartet, ist ungewiss. „Das ist menschlich nicht zu verantworten“, sagt der Politiker und Schulleiter. Er hofft auf eine „humanitäre Lösung“ für seinen tüchtigen Azubi in der Pflegefachhilfe. Doch die Chancen stehen schlecht. Hans-Peter Mattausch ist kein Rebell, sondern ein Mann, der praktische Lösungen sucht angesichts des Fachkräftemangels in der Pflegebranche. Originäre Aufgabe der Berufsfachschule ist es, Pflegekräfte auszubilden. Als Bildungseinrichtung sieht der Schulleiter seine Aufgabe auch darin, Nachwuchs zu akquirieren. Etwa durch einen Orientierungskurs im Berufsfeld Pflege. Zielgruppe des Projekts mit insgesamt 140 Teilnehmern waren zugewanderte Drittstaatangehörige, die einen Pflegeberuf erlernen wollen. Am Klinik-Standort Dinkelsbühl gibt es sogar eine eigene Berufsintegrationsklasse mit zwanzig Ausbildungsplätzen für berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge als zweijährige Integrationsmaßnahme. Die Bildungseinrichtung bekam auch eine berufsbezogene Förderung an sprachlicher Weiterqualifizierung für Pflegekräfte. Seit zehn Jahren bietet der Klinikverbund sogar Deutschkurse für ausländische Mediziner an allen Standorten an. „Diese ganzen Maßnahmen sind dem personellen Notstand geschuldet“, sagt der Schulleiter. Am Standort Rothenburg ist es ihm trotz aller Bemühungen nicht gelungen, die 18 Ausbildungsplätze für eine einjährige Vollausbildung zu besetzen: „Mit viel Glück schaffen wir vielleicht 16. Im Moment sieht es eher nach 14 aus.“ ANregiomed wendet erhebliche Finanzmittel auf, um solche Klassen zu führen. „Und dann kommt der Innenminister und weist die jungen Leute aus den Ausbildungen aus“. Diese Situation ist für Hans-Peter Mattausch mit seiner liberalen Haltung in der Flüchtlingspolitik schwer nachvollziehbar. Als Schulleiter ist er gewissermaßen am untersten Ende der Hierarchie-Kette von Entscheidungen betroffen, die auf sehr viel höheren Ebenen getroffen werden. Er kämpft um das humanitäre Bleiberecht für seine von der Abschiebung bedrohten Schützlinge – auch wenn die Abschiebung rechtlich nicht angreifbar ist.

Die Behörden berufen sich auf bestehende Rechtsgrundlagen. Eigentlich geben Grundgesetz und Asylrecht vor, wer bleiben darf und wer nicht. Dass jetzt so viele Afghanen abgelehnt werden, ist politisch gewollt. Offiziell wird das damit begründet, dass die Sicherheitslage in der islamischen Republik sich verbessert habe, weil dort Bundeswehr mit ihren stationierten Soldaten versucht, für Ordnung zu sorgen. Die internationalen Truppen sind derweil zum Großteil nicht mehr im Land. Die UN-Mission für Afghanistan als auch Anmnesty International vertreten die Auffassung, Afghanistan sei zweifelsfrei kein sicheres Herkunftsland und fragen: Was sind denn die Kriterien? Wie sicher kann man sich fühlen, wenn man ringsherum belagert wird? Das Land befindet sich seit 40 Jahren in einem Krieg, der durch den sowjetischen Einmarsch 1979 internationalisiert wurde. Die Regierung ist korrupt. Der Aufstand der Taliban ist eher ein Symptom, denn die Ursache. Viele Menschen haben sich ihnen anfangs zugewandt, weil sie keine politische Alternative sahen. Diese Front hat sich dann verhärtet. Die meisten Beobachter sind sich einig, dass sich die Situation in den nächsten Jahren nicht stark zum Besseren wenden wird. Im Gegenteil. Falls US-Präsident Donald Trump die amerikanischen Truppen abzieht oder die finanzielle Hilfe stark verringert, kann sich die Situation rapide verschlechtern. Im Wahlkampf hatte er den Eindruck erweckt, er wolle sich komplett aus dem Nahen Osten zurückziehen. Doch der Oberkommandierende für die Golfregion hat ihm die Entsendung weiterer Truppen empfohlen im Kampf gegen die Taliban und Terrorzellen, die sich zum Islamischen Staat zählen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält die Abschiebung nach Afghanistan in „kleinem Umfang“ vertretbar. Teile des Landes seien „sicher genug“. Der Begriff Schutzzonen in Afghanistan steht auch im Positionspapier von CDU und CSU zur Bewältigung der Flüchtlingssituation. Konkret kann das nur heißen: Die wenigsten Afghanen werden in Zukunft keine Chance auf Asyl in Deutschland haben. Erst integrieren, dann abschieben: Deutschlands absurde Asylpolitik zeigt sich beispielhaft an der Geschichte des jungen Afghanen Bashir. Wegen seiner schwierigen Lage verzichten wir auf eine volle Namensnennung. Er ist in der Nähe von Kabul aufgewachsen in einem kleinen Dorf mit etwa fünfzig Häusern und kommt aus einer armen, kinderreichen Bauersfamilie. Ein Leben, das geprägt war von harter Arbeit, von Verzicht und einer tiefen Frömmigkeit. In der Islamschule tauchten immer wieder Taliban auf und hielten den muslimischen Lehrer an, Buchseiten zusammenzukleben, wenn ihnen der Inhalt nicht passte. Haus und Familie bewachte der Vater nachts mit einer Kalaschnikow. Das Miss­trauen war groß. „Jeder hat ein Gewehr zu Hause und fühlt sich nicht sicher, denn in Afghanistan ist ein Menschenleben nicht viel wert.“

Reguläre Klasse mit drei jungen Afghanen im Lehrbetrieb am Krankenhaus Rothenburg.  Fotos: sis

Reguläre Klasse mit drei jungen Afghanen im Lehrbetrieb am Krankenhaus Rothenburg. Fotos: sis

Als Ältester von sieben Geschwistern wagte Bashir im Alter von 15 Jahren die gefährliche Flucht aus der Heimat. Er beauftragte einen Schlepper. 10500 Dollar waren fällig für eine Reise ins Ungewisse. Das Geld hatte die Familie mühsam aufgetrieben. Über den Iran in die Türkei, und dann über Griechenland und die verlängerte Balkanroute gelangte der Flüchtling weiter nach Deutschland. Ein langer und aufreibender Weg mit vielen unsicheren Situationen, die er als extrem bedrohlich erlebte. In München kam er in einem Erst­aufnahmelager für Flüchtlinge auf einem Kasernengelände unter. Dort bekam er einen Platz in der Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Sonnenhof in Feuchtwangen zugewiesen, wo er die letzten eineinhalb Jahre wohnte und betreut wurde. Er lernte schnell Deutsch, dass er in eine reguläre Klasse wechseln konnte, und engagierte sich in der Jugendfeuerwehr. Inzwischen ist er volljährig und Teil einer normalen Klassengemeinschaft in der Berufsfachschule am Krankenhaus Rothenburg. Die einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehilfe findet im Blockunterricht und im stationären Bereich des Lehrbetriebes statt. Die Unterrichtsfächer Grundpflege, Krankheitslehre, Anatomie und Physiologie, Kommunikation und Sozialkunde vermitteln ein umfangreiches Wissen für praktische Pflegeeinsätze. Bashir und zwei weitere afghanische Landsleute in der Klasse sind motiviert und lernwillig. Sie beeindrucken mit guten Leistungen und sozialer Kompetenz. „Da können sich manche eine Scheibe abschneiden“, sagt die stellvertretende Schulleiterin Sibylle Höntsch. Es bestehen gute Aussichten, dass die drei jungen Afghanen die Abschlussprüfung im Herbst bestehen. Sie hätten dann auch die Chance auf eine Karriere­pers­pektive mit dem Erwerb einer Zusatzqualifikation zur dreijährigen Pflegeausbildung. Möglicherweise hilft das aber alles nichts, weil der Freistaat sie in das angeblich so sichere Kabul abschiebt. Integration durch Arbeit und Ausbildung. Genau das hatte die bayerische Landesregierung versprochen. Gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden wurde schon 2015 ein feierlicher Pakt geschlossen. Füchtlinge sollten integriert werden, Auszubildende eine Bleibeperspektive bekommen, auch Flüchtlinge, die in Bayern nur geduldet werden. Ein Pakt, auch um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Inzwischen hat der politische Wind sich gedreht. Ein gebrochenes Integrationsversprechen? sis


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