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Channel: Aus der Stadt – Fränkischer Anzeiger
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Auf die anfängliche Euphorie folgte die harte Realität

ROTHENBURG – Und? Wie geht die Bundestagswahl aus? Das werden natürlich auch die Rothenburger Sozialdemokraten oft gefragt, denn beim traditionellen Seniorennachmittag im „Ochsen“ gibt es mehr als Kaffee und Kuchen.

In geselliger Runde wurden beim SPD-Seniorennachmittag Themen besprochen und aktuelle Ereignisse ausgetauscht. Fotos: Schäfer

In geselliger Runde wurden beim SPD-Seniorennachmittag Themen besprochen und aktuelle Ereignisse ausgetauscht. Fotos: Schäfer

In diesem Wahljahr passt die Frage besonders gut zur Stimmung. Manche Leute scheinen zu fragen, wie es ausgeht, weil das vor allem bedeutet, dass es dann endlich vorbei ist. Anfang des Jahres, als Martin Schulz Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten wurde, da sah es so aus, als könnten die Wähler noch was erleben. Begeisterung, Witz, einen Funken, der überspringt.

Auch die Rothenburger Sozialdemokraten waren bei der Jahreshauptversammlung im März noch euphorisch angesichts bundesweit steigender Umfragewerte. Der unverbrauchte und doch politerfahrene EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wirkte plötzlich wie eine willkommene Alternative zur so lange alternativlosen Kanzlerin Angela Merkel. Doch der Schulz-Effekt verpuffte schnell. Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt nach verlorenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und im Saarland. Die SPD verlor sogar ihr Kernland Nordrhein-Westfalen.

Als überzeugter Sozialdemokrat wünscht sich Altoberbürgermeister Herbert Hachtel, der immerhin insgesamt 28 Jahre lang auf verschiedenen politischen Ebenen von der Stadt über den Kreis bis hin zum Bezirk wirkte, natürlich einen Wahlsieg seiner Partei. „Aber es sieht nicht danach aus“, räumte er freimütig ein . Er hofft aber, dass die SPD „auf den letzten Metern“ noch aufholt. Denn: „Es muss eine schwarz-gelbe Koalition verhindert werden.“

Günther Schuster, SPD-Stadtrat und früherer Vorsitzender der Rothenburger Sozialdemokraten, rechnet mit einem Ergebnis um die 30-Prozent-Marke und einer Jamaika-Koa­lition aus Schwarz-Gelb-Grün. „Auf mittelfristige Sicht ist der SPD vielleicht mehr gedient, wenn sie mit einem guten Ergebnis in die Opposition geht und sich noch einmal neu aufbaut mit frischen Leuten“, meinte er und bedauerte, dass die Genossen auf Bundesebene thematisch gesehen „keine richtigen Kracher gebracht haben“, um sich besser zu profilieren gegenüber den anderen Parteien. „Merkel hat gute SPD-Politk gemacht“, sagt Günther Schuster und schiebt als Begründung nach: „70 Prozent der guten Sachen kommen von der SPD.“

Michael Rehbogen, Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks Ansbach-Weißenburg-Gunzenhausen glaubt, dass die Wähler vor allem auf Fragen der Sicherheit fokussiert sind. Die wackelige Weltlage, die Bedrohung durch den internationalen Ter­rorismus, aber auch alltägliche Ängste vor Gewalt und Wohnungseinbrüchen haben das Thema nach oben katapultiert. Es spielt eine herausgehobene Rolle im Wahlkampf, während die SPD im Kampf um soziale Gerechtigkeit kaum oder nur bedingt punkten kann.

In Sicherheitsfragen trauen die Bürger der Union traditionell eine höhere Kompetenz zu, beklagt Michael Rehbogen, obwohl es in Bayern im Vergleich mit den anderen Bundesländern so viele Anschläge gab wie noch niemals zuvor. Der Rothenburger Sozialdemokrat sieht für die Neuauflage einer großen Koalition keine Zukunft nach der Bundestagswahl. So paradox es klingt: Nach seiner Auffassung hat die SPD nur dann eine Chance zu gewinnen, wenn sie bereit ist, in die Opposition zu gehen.“ Empört ist Michael Rehbogen über Wahlplakate der rechstextremistischen Partei NPD mit Porträts von Martin Luther, wie sie auch in Rothenburg hängen, mit dem Schriftzug „Wir wählen richtig“ auf den Nationalfarben Schwarz, Rot, Gold. Den Missbrauch dieser evangelischen Geistesgröße im Zusammenhang mit einer NPD-Werbung empfindet er als perfide und respektlos. Während er darüber redet, ist er noch immer fassungslos und berührt.

Christoph Rösch: „Antworten finden“.

Christoph Rösch: „Antworten finden“.

Der neue SPD-Ortsvereinsvorsitzende Christoph Rösch stellte sich beim Seniorennachmittag gleichzeitig als Listenkandidat für die Bundestagswahl vor. Es gelte, die Demokratie und Grundwerte zu verteidigen, angesichts der besorgniserregenden Entwicklung, dass der Rechtspopulismus in Europa und weltweit auf dem Vormarsch sei. Dass Menschen an der Demokratie zweifeln und sich von der Politik zu wenig berücksichtigt fühlen, habe Gründe und verlange nach Lösungen. „Wir brauchen Investitionen, um den Sozialstaat finanzieren zu können, ein modernes Bildungssystem und endlich Ordnung auf dem Arbeitsmarkt“, betonte Christoph Rösch: „Es muss endlich Schluss sein mit dem Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit.“

Einblick in die Stadtratsarbeit der SPD-Fraktion gab Bernhard Benz in Vertretung von Dr. Günther Strobl, der wegen Urlaubs auch als musikalischer Begleiter fehlte. Klaus Hofacker sprang mit seiner Ziehharmonika ein. Im Gesamt-Stadtrat werde sehr sorgfältig und ernthaft gearbeitet, unterstrich Benz und fügte mit einem Augenzwinkern an: „Die SPD steht über allem.“ (Wir berichten noch). sis


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