Verein Alt-Rothenburg springt für öffentliche Hand ein
ROTHENBURG – Es gehört zu den originären Aufgaben des Vereins Alt-Rothenburg, sich für einen sensiblen Umgang mit der Altstadt einzusetzen, der Gleichgültigkeit gegen das kulturelle Erbe der Stadt entgegenzutreten und das Bewusstsein für die erhaltene historische Substanz zu fördern. Gerade in Zeiten rascher Veränderung muss das unverwechselbare Profil und die Identität der Stadt ein wichtiges Anliegen sein.
Mit dem Erwerb des Hauses Judengasse 10 ist der Verein erneut die große Verpflichtung eingegangen, ein gefährdetes Baudenkmal zu erhalten. Ein finanzielles Polster ermöglicht den Kauf und eine Anschubfinanzierung für die Sanierung. Zwei Brüder von auswärts hatten keine Verwendung für den Eigenbedarf an der geerbten Immobilie und wurden sich mit Alt-Rothenburg handelseinig. Das Nachbaranwesen Nummer 12 hat der Verein schon vor Jahren erworben. Beide Wohneinheiten bilden zusammen ein Doppelhaus aus der Zeit um 1400 mit gemeinsamem Dachstuhl und insgesamt noch in großem Umfang erhaltener ursprünglicher Bausubstanz.

Kulturgeschichtliche Rarität gesichert: Alt-Rothenburg konnte das Haus Judengasse 10 mit der jüdischen Mikwe erwerben. Fotos: sis
Alt-Rothenburg besitzt nun in der Judengasse zweieinhalb sanierte, bewohnte und vermietete Häuser und weitere zweieinhalb Häuser, die auf eine Sanierung warten und dem Verein vorläufig nur Kosten verursachen. „Es wird eine Aufgabe für die nächsten Jahre sein, eine Lösung für diese Gebäude zu finden“, sagte Vorstandsmitglied Dr. Richard Schmitt in der „Schranne“. Es ist eine alte Vereinstradition, dass bei der Mitgliederversammlung der Bericht des Schriftführers im Mittelpunkt steht. Der Vorsitzende fungiert in der Hauptsache als Moderator.
Im Bereich der Denkmal- und Stadtbildpflege will der Verein „einiges intensivieren“. Unter dem neuen Vorsitzenden wurde die Kommunikation mit der Stadt verbessert, so dass der Verein frühzeitig in Entscheidungsprozesse eingebunden werden konnte. Mit einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit will man die „Köpfe“ der Leute erobern und Anliegen positiv vermitteln. Dies könnte etwa durch Lob für gelungene Baumaßnahmen oder durch Stadtteilführungen geschehen.
Der Verein hat auch beschlossen, sich um die „kleinen Kostbarkeiten“ in der Altstadt zu kümmern. Dabei handelt es sich um alte Türen oder Wappensteine, dem der Zahn der Zeit arg zugesetzt hat. Außerdem will Alt-Rothenburg die Anstrengungen verstärken, den Grüngürtel um die Altstadt mit seinen vielen historischen Wohnhäusern zu schützen. Auf der „Rappen“-Baustelle sei ein historisches Gartenhäuschen verschwunden und das Portal von 1905 als Zeitdokument. Erst habe es mit dem Abriss der alten Gebäude nicht schnell genug gehen können und dann geschieht wochenlang nichts auf der Baustelle.
Zu den „Altlasten“ zählt Dr. Richard Schmitt das Arbeiterwohnhaus an der Mergentheimer Straße beim Brauhaus. Nach Aussagen des Bauamtes werde dieses Beispiel des Sozialen Wohnungsbaus der frühen 20er Jahre wegen statischer Probleme möglicherweise nicht zu retten sein. Um das Brauhausgelände sei es „nach jahrelangen großspurigen Ankündigungen inzwischen recht ruhig geworden“, so das Vorstandsmitglied. Ein Großhotel an dieser Stelle würde die Stadtansicht von Westen her „stark beschädigen“.
Beim Umbau des Spitalgebäudes hätte Alt-Rothenburg es gern gesehen, wenn der Vorraum zum Schäfersaal mit seinen einmaligen renaissance-zeitlichen Holzvertäfelungen aus dem zukünftigen Schülerwohnheim für Berufsschüler herausgenommen worden wäre. Die Stadt entschied sich für eine Kompromisslösung: die „Einhausung“ , also Verkleidung, der plastischen Schmuckelemente an den Türen zum Schäfersaal.

Aktiver Vorstand: Dr. Richard Schmitt (li), Dr. Hellmuth Möhring, Dr. Markus Naser, Peter Nedwal.
Für Diskussionen sorgte die Farbgestaltung von Altstadtfassaden. Das dunkle Blau des Sparkassengebäudes am Kapellenplatz und das kalte Blau am ehemaligen Kino wurden bemängelt. Nicht jedes profane Haus verdiene auffallende Farben. Dies solle markanten, das Stadtbild prägenden Bauwerken vorbehalten bleiben. Farbuntersuchungen an Privathäusern würden sogar von der Stadt bezahlt, um Anstriche nach historischen Befunden zu ermöglichen.
Seit langem setzt sich Dr. Richard Schmitt für eine intensivere Aufarbeitung der Rothenburger Geschichte im Dritten Reich ein. Mit den „bescheidenen Mitteln, die der Jahresbericht und die „Linde“ bereitstellen. Immerhin verschwand Ernst Unbehauens Topplerbild aus dem Rathaus, hieß es. Die Umbenennung der Ludwig-Siebert-Straße war Dr. Gußmanns Verdienst. Dass ein hochrangiger Nazifunktionär heutzutage keinen Straßennamen in Rothenburg verdient, „müsste eigentlich jedem klar sein“. Was er im „nationalsozialistischen Unstaat für Rothenburg geleistet hat, „diente vor allem propagandistischen Zwecken“.
Kritische Anmerkungen gab es zum städtischen Beleuchtungskonzept: „Die aus dem Pflaster herausschießenden Lichtblitze am Herterichbrunnen bringen erhebliche Blendungseffekte mit sich“. Bei den nächsten Vorhaben, etwa der Beleuchtung des Seelbrunnens am Kapellenplatz, sollte man „zurückhaltender und vorsichtiger vorgehen“. Ein Thema war auch das Pflaster in der Altstadt. Fußgängerfreundlich wie auch stadtbildkonform sollte es sein, wie an der Johanniskirche oder in der Georgengasse. Weniger geeignet seien die groben Granitsteine mit ihren holprigen, scharfen Kanten am Kapellenplatz für Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen.
Auf dem Gebiet der Geschichtsforschung und -vermittlung organisierte Alt-Rothenburg wieder gut besuchte Vorträge. Erstmals war der Verein mit einem Stand bei der Frühlings-Stadtmosphäre und beim „Fest der Vielfalt“ vertreten. Der Bücherverkauf brachte mehrere hundert Euro ein und darüber hinaus wurde ein halbes Dutzend neue Mitglieder geworben. Nicht gelungen sei der Ankauf von zwei bedeutenden kunsthandwerklichen Objekten aus der Barockzeit für das Reichsstadtmuseum im letzten Jahr. Zum einen ging es um den Zunftpokal der Rothenburger Bäckerzunft von 1702, zum anderen um eine Silbermünze des Nürnberger Medailleurs Oexlein von 1744 zum 200-jährigen Jubiläum der Einführung der Reformation in Rothenburg.
Zum Abschluss seines Jahresberichts erinnerte das Vorstandsmitglied an zwei langjährige Ausschussmitglieder, die im letzten Jahr verstorben sind. Mit Horst Brehm hat die Rothenburger Geschichtsforschung einen Mann verloren, der jahrzehntelang die Erarbeitung der Vor- und Frühgeschichte in Stadt und Umland zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat. „Er kann als Begründer der modernen Stadtarchäologie in Rothenburg gelten, die sich durch sein Engagement bei zahlreichen Ausgrabungen und seine Publikationen in der Stadt etabliert hat“. Heinz Boas, der ehemalige Leiter der Stadtgärtnerei, hat über lange Jahre das Gesicht Rothenburgs mitgeprägt. „Vieles, was wir heute als Partien im Stadtbild sehen, ist sein Werk“.
Der Vereinsvorsitzende Dr. Markus Naser trat vor einem Jahr mit der Maßgabe an, die Beziehungen zu den Vertretern der Stadt und zur Lokalpresse zu verbessern. „Das ist auch gelungen“. Man sei nicht immer einer Meinung mit der Stadtspitze und dem Bauamt, aber man pflege einen kooperativen Umgang. In der Aussprache wurden aus den Reihen der Mitglieder neue Vorwürfe laut, dass der Verein zu spät oder unzureichend informiert werde, etwa bei der Beleuchtung am Marktplatz. Dem widersprachen OB Walter Hartl und Stadtbaumeister Michael Knappe in der Versammlung entschieden. Als die Entscheidung über das Beleuchtungskonzept nach mehreren Beratungen und einem Testlauf fiel, saß Alt-Rothenburg an der Informationsquelle. Dr. Karl-Heinz Schneider war in seiner Doppelfunktion als damaliger Vereinsvorsitzender und Stadtrat intensiv in das Vorhaben eingebunden. sis